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Vertikalbegrünung an der Fassade auch im Sozialen Wohnungsbau

Neubau Sozialer Wohnungsbau im niederländischen Eindhoven
Mischwald an der Fassade

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Auch im Sozialen Wohnungsbau ist hochwertige Vertikalbegrünung möglich. Mit dem „Bosco Verticale“ in Mailand ist Stefano Boeri 2014 ein weltweit beachtetes Modellprojekt für einen nachhaltig gestalteten Wohnturm gelungen. Nun zeigt der Architekt mit dem 70 Meter hohen „Trudo Vertical Forest“ in Eindhoven, dass sich das Prinzip eines „vertikalen Waldes“ auch auf den Sozialen Wohnungsbau übertragen lässt.

Anforderung:

Sozial-ökologische Architektur mit Anspruch für einkommensschwache Mieter

Lösung:

Zeit-/kostensparende Vorfertigung von Trag-/Fassadenelementen und Pflanz-Containern für Vertikalbegrünung


Robert Uhde

Der vergangene Sommer hat deutlich aufgezeigt, wie der Klimawandel unser Leben in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verändern wird. Besonders betroffen von der zunehmenden Hitze sind urbane Ballungsräume, wo es kaum Grün, dafür aber Autos, Luftverschmutzung und viel Beton gibt. Daher müssen dringend neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Stadtumgestaltung entwickelt und umgesetzt werden.

Eine wichtige Rolle aus architektonischer Sicht spielt in diesem Zusammenhang die Begrünung von Dächern und Fassaden. Als weltweites Vorbildprojekt fungiert dabei der nach dem im 14 Jahrhundert errichteten Torre Guinigi im toskanischen Lucca inspirierte „Bosco Verticale“ in Mailand. Er überzeugt mit seinen überraschenden Ansichten nicht nur ästhetisch, sondern setzt gleichzeitig auch neue Standards für eine ökologische Bauweise von Hochhäusern.

Nach dem gleichen Prinzip der Vertikalbegrünung hat das Mailänder Büro Stefano Boeri Architetti zuletzt auch den „Trudo Vertical Forest“ in der Philips-Stadt Eindhoven umgesetzt. Der 70 m hohe Neubau bietet auf 19 Ebenen mit einer Bruttogeschossfläche von 8.600 m² insgesamt 125 Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Im dreigeschossigen Sockel finden sich zusätzlich auch 350 m² Büroflächen sowie Lagerflächen und ein Gemeinschaftsraum mit Terrasse.

Elegante Formgebung

Ausgangspunkt für die Planung des Wohnturmes war der Wunsch des Bauherrn, der Eindhovener Wohnungsbaugesellschaft Sint-Trudo, mit einem nachhaltig gestalteten Wohnturm ein Modellprojekt für den einen ökologisch-sozialen Wohnungsbau umzusetzen. Als passendes Grundstück stand eine Fläche inmitten des kreativen Wohn- und Dienstleistungsquartiers „Strijp S“ zur Verfügung, das in den vergangenen Jahren auf einem ehemaligen Areal der Philips-Fabriken entstanden ist.

Der mittlerweile fertiggestellte Wohnturm überzeugt auf den ersten Blick durch seine schlanke und leichte Formgebung und den rhythmischen Wechsel von deckenhohen Verglasungen und den schwalbennestartig auskragenden Balkonen. Im Zusammenspiel mit der umfangreichen Bepflanzung gelang ein rhythmisch bewegter Neubau mit überraschenden Ansichten, der nicht nur ästhetisch hervorsticht, sondern der gleichzeitig auch neue Standards für eine ökologische Bauweise von Hochhäusern setzt.

Die hellen Fassadenbrüstungen, ausgebildet mit pulverbeschichteten Aluminium-Elementen, harmonieren dabei ganz wunderbar mit den direkt angrenzenden Philips-Gebäuden mit deren klassisch-modernen und strahlend-weißen Klinkerarchitektur aus den 1920er-Jahren. Und ebenso schafft der Neubau auch ein gelungenes Gegengewicht zu der östlich angrenzenden Reihe an gleich hoch ausgebildeten Hochhausbauten mit ihren streng gerasterten, zumeist in roten Klinkerfassaden.

Viel Licht und Ausblick mit Vertikalbegrünung

Sämtliche Wohnungen sind weniger als 50 m² groß, bieten bei einer lichten Höhen von 3,50 m aber ausreichend Platz für eine luftige Galerie. Ein wichtiges Element ist in diesem Zusammenhang die großzügig geöffnete Pfosten-Riegel-Fassade (vorgehängte Aluminiumfassade ‚ConceptWall 50‘ von Reynaers) mit ihren schwarz profilierten Aluminiumfenstern und -türen (System SlimLine 38 von Reynaers).

Das Fassadensystem sorgt zum einen für maximierten Tageslichteinfall und für freie Ausblicke. Zum anderen bietet es gleichzeitig auch Zugang zu den unterschiedlich weit vorkragenden, zwischen 2,5 und 7,5 m² großen Balkonen. Hier sind wechselweise ein, zwei oder drei bepflanzte Pflanzkübel als vorgefertigte Betoncontainer von Westo Prefab Betonsystemen platziert. Im Zusammenspiel ist damit ein vertikaler Wald mit 135 Bäumen verschiedener Arten sowie mit 10.000 kleineren Sträuchern und Pflanzen entstanden.

Modellprojekt für den ökologisch-sozialen Wohnungsbau

Große Sorgfalt legten die Planer auch auf eine hochwertige Auswahl an Pflanzen: „Einige davon wachsen in die Höhe, andere eher in die Breite“, so Stefano Boeri. „Und entsprechend haben wir auch die Balkone in der Fassade angeordnet. Die Natur hat also die Architektur bestimmt, nicht umgekehrt.“ Die genaue Auswahl der Pflanzen und damit auch die Gestaltung der Fassaden wurde dabei in enger Kooperation mit der Landschaftsarchitektin Laura Gatti entwickelt, die auch bereits beim „Bosco Verticale“ in Mailand mitgewirkt hat.

Für ein attraktives Ergebnis der Vertikalbegrünung wurde eine bewusst abwechslungsreiche Auswahl an Laubfarben, Blattformen und Blüten berücksichtigt. Neben Hochstammbäumen wurden außerdem auch mehrstämmige Bäume ausgewählt.

Um einen dauerhaften Bewuchs sicherzustellen, sind sämtliche Pflanzenkübel des Gebäudes mit einem automatisch gesteuerten Bewässerungssystem ausgestattet. Sensoren überwachen dabei den Wasserbedarf und stellen sicher, dass die Bäume regelmäßig bewässert werden. Die Bereitstellung des Wassers erfolgt über vier große Tanks mit einem Fassungsvermögen von jeweils 20.000 l. Die weitere Pflege der Pflanzen wird komplett durch die Wohnungsbaugesellschaft umgesetzt, selbstständiges Gärtnern ist ausdrücklich nicht erwünscht.

Hoher sozialer Anspruch

Komplettiert wird das Projekt durch seinen hohen sozialen Anspruch. Im enger Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten sowie durch die Vorfertigung von Trag- und Fassadenelementen sowie der Pflanz-Container ist es dabei gelungen, eine vergleichsweise erschwingliche Miete von rund 630 Euro im Monat umzusetzen. Vorrangig bewohnt wird der Neubau entsprechend durch Menschen oder junge Paaren mit geringem Einkommen. Insgesamt dreißig Wohnungen wurden außerdem für sozial Benachteiligte, für Flüchtlinge sowie für Menschen mit Behinderungen reserviert: „Für mich ist eine Wohnung in Kontakt mit der Natur nicht das Vorrecht von wenigen Reichen, sondern ein wünschenswertes Ziel für Millionen von Weltbürgern“, erklärt Stefano Boeri dazu. Und ähnlich demokratisch lief letztlich auch die Auswahl an Mietern ab. Denn aufgrund der hohen Nachfrage wurde letztlich entschieden, einen Teil der Wohnungen per Lotterie zu vergeben.


Projekt: „Trudo Vertical Forest“
Standort: Torenallee 34, 5617 BD Eindhoven, Niederlande

Bauherrschaft: Wohnungsbaugesellschaft Sint-Trudo, Eindhoven, NL
Planung: Stefano Boeri Architetti, Mailand,
Planungsteam: Projektarchitekt Paolo Russo, Giulia Chiatante, Lorenzo Masotto, Elisa Versari
www.stefanoboeriarchitetti.net
Ausführende Architekten: Inbo, Eindhoven, NL
www.inbo.com
Bauunternehmen: Stam + De Koning Bouw, Eindhoven, NL
Gartengestaltung: Du Pré Groenprojecten, Helmond, NL
Baumschule: Van den Berk Boomkwekerijen, Sint-Oedenrode, NL
Bewässerungsplanung: HB Watertechnologie, Utrecht, NL
BGF: 8.600 m²
Fertigstellung: 10|2021


Architekt Stefano Boeri: „Einige davon wachsen in die Höhe, andere eher in die Breite. Und entsprechend haben wir auch die Balkone in der Fassade angeordnet. Die Natur hat also die Architektur bestimmt, nicht umgekehrt.“


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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