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Brettsperrholz für Wohnhochhaus als Holzhybrid in Amsterdam

Neubau Wohnhochhaus in Amsterdam
Urbane Geschichten in Holz

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Im Amsterdamer Hafenviertel ist der 12-geschossige Wohnturm „Stories“ fertiggestellt worden. Der 45 Meter hohe, nach Plänen von Olaf Gipser Architects realisierte Holzhybridbau basiert auf einem elf Meter hohen Sockel aus Beton. Die zehn Ebenen darüber wurden rund um einen Betonfertigteilkern als vorgefertigte CLT-Plattenkonstruktion errichtet.

Anforderung:

Energieeffizientes Gebäude für gesundes, urbanes Wohnen und Arbeiten mit Umnutzungsoptionen

Lösung:

Brettsperrholz-Module inkl. dreifach verglasten Holzrahmenfenstern, Steinwolledämmung, außenseitiger Dampfschutz


Robert Uhde

Der nördlich der Innenstadt und jenseits vom Fluss IJ gelegene Stadtteil Amsterdam-Buiksloterham wurde lange Zeit durch den Schiffbau und andere industrielle Produktion bestimmt. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren hat sich das Areal rund um die ehemalige NDSM-Werft zu einem lebendigen Wohn-, Arbeits- und Szenequartier entwickelt. Es zieht immer mehr Kreative und junge Familien an, da es Raum für ungewöhnliche architektonische Konzepte und neue Formen urbanen Wohnens bietet. Ausgehend von dem Anspruch, Buiksloterham zum ersten „zirkulären“ Stadtviertel der Niederlande zu machen, wird dabei Wert gelegt auf eine hohe Wiederverwendbarkeit von Materialien.

Zu den interessantesten Neubauprojekten vor Ort zählt der in Sichtweite zur ehemaligen NDSM-Werft vor kurzem nach Plänen von Olaf Gipser Architects fertiggestellte Wohnturm „Stories“. Der 45 m hohe, durch die Baugruppe BSH20A in Auftrag gegebene und aus ökologischen Gründen in Holzhybridweise mit Brettsperrholz-Elementen errichtete Neubau stellt auf 13 Ebenen insgesamt 35 Wohn- und Gewerbeeinheiten zur Verfügung.

Ausgehend von den individuellen Wünschen der Bewohner stehen zehn verschiedene, wahlweise ein- oder zweigeschossige Wohnungstypen mit Flächen zwischen 43 und 185 m² und mit Deckenhöhen zwischen 2,87 und 6,12 m zur Auswahl. Viele der Einheiten integrieren dabei eine zusätzliche Gewerbefläche, um so eine fließende Kombination von Wohnen und Arbeiten zu ermöglichen. Im Erdgeschoss wurde ein dreigeschossiges Parkhaus mit 40 PKW-Stellflächen für die Bewohner integriert.

Reizvolle Lage am Wasser

Ein wichtiger Bezugspunkt für die Planung des Neubaus war die exponierte Lage des Grundstücks am nördlichen Ufer eines Hafenbeckens. Als Antwort auf den reizvollen Kontext entwickelten die Architekten einen elegant ausbalancierten, dabei überaus leicht wirkenden Wohnturm, der gemeinsam mit den beiden weiteren Wohngebäuden „Black Jack“ und PATCH22 eine gelungene Torsituation am Schnittpunkt des Hafenbeckens mit dem orthogonal verlaufenden Ridderspoorweg schafft.

Charakteristisch für die Architektur ist insbesondere der Kontrast zwischen dem elf m hohen, 46 m breiten und 26 m tiefen Sockel und dem leicht zurückspringenden, lediglich 33 x 16 m breiten Aufbau. Wichtige Details sind außerdem die abwechslungsreich vorkragenden, dabei strahlend weiß gestalteten Geschossdecken in Verbindung mit den vorspringenden Balkonen und den weißen Stützen und Rahmen aus Stahl, die den gesamten Baukörper harmonisch einfassen.

Komplettiert wird das Projekt durch mehrere Gemeinschaftsräume (Fitnessraum, Sauna, Küche) sowie durch ein offen zugängliches Gemeinschaftsdach über dem zweiten Obergeschoss, das als Fläche zum Urban Farming zur Verfügung steht.

Nachhaltiges „Grünregal“

Eine weitere Optimierung der Nachhaltigkeit ermöglicht das als Stahlkonstruktion errichtete „Grünregal“ vor der Fassade, das insgesamt 57 geregelt bewässerte Grünzonen mit einem Gewicht von bis zu 1 200 kg umfasst: „Die größeren davon dienen als doppelgeschossige vertikale Nischen für Bäume, Büsche und Gräser und fungieren gleichzeitig als Sichtschutz zwischen den einzelnen Einheiten“, erklärt Olaf Gipser. „Im Zusammenspiel haben wir damit eine vielfältig nutzbare und abwechslungsreich gestaltete Pufferzone geschaffen, die nachhaltig die Biodiversität vor Ort stärkt und jahreszeitlich sich ändernde Ansichten ermöglicht.“

Errichtung in Holzhybrid-Bauweise mit Brettsperrholz

Um eine ausreichende Stabilität zu gewährleisten und um die dreigeschossige Tiefgarage umsetzen zu können, wurde der Sockel des Neubaus als konventionelle Betonfertigteilkonstruktion errichtet. Der darüber aufsteigende Turm wurde demgegenüber in Massivholzbauweise aus Brettsperrholz (CLT Cross-Laminated Timber) errichtet und mit einem zentralem Erschließungs- und Versorgungskern aus Betonfertigteilen umgesetzt. Die Feldbreite der einzelnen Ebenen von 4,80 m hat dabei einen flexibel einteilbaren Grundriss mit jeweils sechs Feldern ermöglicht.

Unterstützt wird die hohe Flexibilität durch die großzügigen Öffnungen, die eine räumliche Verbindung über die Erker hinweg und eine flexible Unterteilung von einer bis zu sechs Einzeleinheiten je Etage ermöglichen.

Brettsperrholz und Holzmodule

Die Umsetzung des Gebäudes erfolgte in enger Kooperation mit dem erfahrenen Schweizer Ingenieurbüro Pirmin Jung und dem Holzbaulieferanten Derix aus Niederkrüchten. Neben der Hauptkonstruktion aus insgesamt 770 m³ Brettsperrholz kamen dabei auch vorgefertigte Holzskelettbauelemente für die Fassade zum Einsatz. Die CLT-Module waren ab Werk bereits mit dreifach verglasten Holzrahmenfenstern (U-Wert 0,6 W/m2K), mit einer 30 cm dicken Wärmedämmung aus Steinwolle sowie mit einer außenseitigen Dampfschutzverkleidung ausgestattet worden. Vor Ort wurde zusätzlich eine außenseitige Wetterschutzverkleidung aus vorvergrauten, hydrothermisch modifizierten und feuerbeständig imprägnierten Fichtenholzlatten ergänzt.

„Die Böden bestehen ebenfalls aus CLT-Platten, die in den darunter liegenden Geschossen als Holzdecken freigelegt sind und mit einer Schalldämmung aus Schaumbeton kombiniert wurden“, erklärt Olaf Gipser. Die Wände der einzelnen Einheiten sind für eine optimierte Akustik mit feuer- und schalldämmenden Gipskartonplatten verkleidet.

Zusätzlich optimiert wird die Ökobilanz des Wohnturms durch dreifachverglaste Fenster, durch Fernwärme sowie durch eine große Photovoltaikanlage mit 450 Kollektoren auf dem Dach des Gebäudes, die insgesamt 85 000 kWh Energie jährlich liefert. Im Zusammenspiel ist ein nachahmenswertes Projekt gelungen, das nicht nur architektonisch überzeugt, sondern das gleichzeitig auch eine hervorragende Energiebilanz bietet und außerdem ein hohes Maß an Partizipation und eine veränderte Form des Zusammenlebens möglich macht.


Projekt: „Stories“, Wohnhochhaus in Holzhybridbauweise

Standort: Amsterdam,
Johan van Hasseltkade 328

Bauherr: Bouwgroep BSH20A, Amsterdam

Planung: Olaf Gipser Architects, Amsterdam
Team: Erik Feenstra, Olaf Gipser, Monique Hutschemakers, Jacoba Istel, Simona Puglisi, Jean-Marc Saurer, Jan-Dirk
Valewink, Abdullah Zakrat
www.olafgipser.com

Bauunternehmen: Heutink Groep

Statik: Alferink van Schieveen (Hauptkonstruktion), Pirmin Jung (Holzbau), Adviesbureau Van Geuijen (Holzbau)

Bauphysik: Pirmin Jung (Holzbau), Nieman Raadgevende Ingenieurs (Schallschutz)

Brandschutz: Bureau Veldweg

Bruttogeschossfläche: 5 500 m²

Bauzeit: 2016 – 2021


Architekt Olaf Gipser über das Modulkonzept: „Entsprechend dem ‚Open Building‘-Gedanken von John Habraken ist damit auch ein späterer Umbau des Gebäudes für geänderte Nutzungswünsche denkbar.“


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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