Anforderung:
Bürogebäude, das fehlende urbane Grünflächen kompensiert und einen Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung leistet
Lösung:
Sechsstöckiges Haus mit üppiger Grünfassade aus Zier- und Nutzpflanzen
Mit knapp neun Millionen Einwohnern ist Ho-Chi-Minh-Stadt die größte Stadt Vietnams. Die Metropole liegt etwas nördlich des Mekong-Deltas und gilt als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Landes. Eine große Vielfalt unterschiedlicher Architekturstile prägt das Gesicht der Stadt – von französischer Kolonialarchitektur über traditionelle vietnamesische Gebäude bis hin zu modernen Wolkenkratzern.
Die Durchschnittstemperaturen in Ho-Chi-Minh-Stadt liegen ganzjährig zwischen 26 bis 30 °C bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit. Die wenigen vorhandenen Parks können den Mangel an urbanen Grünräumen nicht wettmachen, weshalb die Stadt unter dem sogenannten Hitzeinsel-Effekt leidet. Auch die Luftverschmutzung ist groß – dafür sorgt u.a. der dichte Straßenverkehr mit seinen zahlreichen Motorrädern.
Zudem macht der Klimawandel dem südostasiatischen Land zu schaffen: Dürreperioden, Überschwemmungen und die Versalzung von Böden und Gewässern bedrohen zunehmend die Versorgung der vietnamesischen Bevölkerung mit Lebensmitteln sowie den Lebensmittelexport.
Urbane Landwirtschaft an der Fassade
„Das »Urban Farming Office« ist ein Versuch, diese Situation zu ändern“, so VTN. Auf einem 300 m² großen Eckgrundstück im Ta Hien-Viertel haben die Architekten ein kompaktes sechsgeschossiges Volumen mit annähernd quadratischen Grundriss entworfen, dessen Fassade üppig begrünt ist.
Die Konstruktionsweise der Grünfassade ist einfach und unkompliziert. Sie besteht aus einer Betonstruktur mit Stahlträgern, an denen modularisierte Pflanzkästen aufgehängt werden. Die Kästen sind austauschbar, um eine flexible Anordnung entsprechend der Höhe und den Ansprüchen der Vegetation zu ermöglichen. Dies gewährleistet, dass jede Pflanze ausreichend Sonnenlicht erhält. Die Bewässerung erfolgt mithilfe von gespeichertem Regenwasser.
Das Besondere an der begrünten Fassade: Sie ist nicht nur mit lokalen Zierpflanzen bestückt – hier wachsen auch Gemüse, Obst und einheimische Kräuter heran. Durch den Einsatz von biodynamischen Anbaumethoden wird eine jährliche Ernte von 1,1 Tonnen erzielt.
Angenehmes Mikroklima
Die Grünfassade schafft ein angenehmes Mikroklima im gesamten Gebäude. In Kombination mit dem Dachgarten und den Außenflächen sorgt das System für einen Grünanteil von bis zu 190 % der Grundstücksfläche. Die Vegetation wirkt als schützender Filter für das einfallende Sonnenlicht und reinigt gleichzeitig die Luft. Die Verdunstung des Wassers trägt zur Luftkühlung bei.
Die Nordwand wurde relativ massiv gestaltet, um zukünftige Erweiterungen zu ermöglichen. Sie besteht aus zweischaligem Ziegelmauerwerk mit einer Luftschicht im Inneren zur verbesserten Isolierung. Durch die gezielt gesetzten kleinen Öffnungen wird eine Querlüftung ermöglicht. All diese Maßnahmen dienen dazu, den Einsatz von Klimaanlagen zu reduzieren und dennoch ein kühles und angenehmes Raumklima zu gewährleisten.
Nutzung als Architekturbüro
VTN Architekten nutzen das Gebäude als Hauptgeschäftsstelle für ihr Architekturbüro.
Im Kellergeschoss sind eine Tiefgarage, Technikräume und Regenwasser-Klärbehälter untergebracht. Das Erdgeschoss beherbergt Arbeitsräume, eine Küche und ein WC; in einem kleinen Seitengebäude befindet sich zudem eine separate Wohnung. Das erste Obergeschoss bietet einen großzügigen Versammlungsraum inklusive Toiletten und einem Waschraum. Im zweiten und dritten Obergeschoss stehen Gruppentische und Einzelschreibtische entlang der Außenwand zur Verfügung. Die Flächen im vierten und fünften Obergeschoss sind vielfältig nutzbar, und das Flachdach bietet Raum für Begegnungen und Besprechungen zwischen grüner Vegetation.
Klösterliche Atmosphäre
Im Kontrast zur üppig begrünten Fassade herrscht im Inneren des Gebäudes eine fast klösterliche Atmosphäre. Das dichte Blattwerk vor der raumhohen Verglasung dämpft Lichteinfall und Geräusche. Die massive Betonkonstruktion wurde sichtbar gelassen und erinnert an brutalistische Architektur der Nachkriegsmoderne. Kaum Verzierungen, Ornamente, Texturvariationen oder Farbakzente durchbrechen die strenge geometrische Formensprache. Auch die Holzmöbel und Schreibtische sind schlicht und minimalistisch gestaltet.
Das gesamte Gebäudeinnere wirkt wie ein einziges großes Atrium – mit Zwischengeschossen und Terrassen entlang seiner Peripherie. An einigen Stellen sind die Deckenplatten großflächig ausgespart, sodass der Blick von den unteren Geschossen in den fast wandlosen, von Stützen getragenen Raum möglich ist. Großzügige Oberlichter sorgen zudem für ausreichend natürliches Licht im Gebäudeinneren.
Projekt: Urban Farming Office
Standort: 39A Ta Hien, Viertel 1, Thanh My Loi Ward, Thu Duc Stadt, Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam
Bauherr & Architekten: VTN Architekten (Vo Trong Nghia Architekten), Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam
www.vtnarchitects.net
Leitender Architekt: Vo Trong Nghia
Entwurfsteam: Nobuhiro Inudo, Tran Vo Kien, Le Viet Minh Quoc, Nguyen Tat Dat
Grundstücksfläche: 300 m²
BGF: 1.386 m²