Forschende der TU Berlin haben ein Simulationsmodell entwickelt, das es Architekten und Stadtplanern ermöglicht, geplante Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Mit diesem praxistauglichen Werkzeug können Städte und Gebäude klimaresilienter gemacht werden.
Das Simulationsmodell »PALM-4U« ist im Rahmen des sechsjährigen Forschungsprojekts »Stadtklima im Wandel« entstanden, das von Prof. Dr. Dieter Scherer, dem Leiter des Fachgebiets Klimatologie an der TU Berlin, koordiniert wird. Eines der Ziele des Projekts war die Entwicklung eines praxistauglichen Werkzeugs für die klimaresiliente Stadtplanung.
„Dieses Ziel wurde erreicht und PALM-4U – die Abkürzung steht für PArallel Large-Eddy-Simulation Model for Urban Applications – ist ein weltweit führendes digitales Stadtklimamodell, mit dem Stadtplanerinnen und Stadtplaner, Architektinnen und Architekten bereits im Planungsprozess am Computer sehen, wie sich ihre geplanten Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen – also zum Beispiel Dach- und Fassadenbegrünungen, die Anlage von Grün- und Wasserflächen, die Höhe und Stellung von Gebäuden und das verwendete Baumaterial – auf das Mikroklima in dem jeweiligen Stadtviertel auswirken“, sagt Dr. Katharina Scherber, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt »Stadtklima im Wandel« am TU-Fachgebiet Klimatologie.
Dachbegrünung hat positive Wirkungen
In Solingen wurde mithilfe von »PALM-4U« beispielsweise die Wirkung von Dachbegrünungen auf die thermische Belastung in Bodennähe untersucht. Im Fokus standen dabei zwei Bebauungsplangebiete in der Innenstadt.
„Die Ergebnisse zeigen, dass extensive Dachbegrünung als Anpassungsmaßnahme in Bezug auf die Lufttemperatur in zwei Metern Höhe am Tag keine sichtbaren Auswirkungen zeigt, da die begrünten Gebäude sehr hoch sind“, so Dr. Katharina Scherber. „Zwischen den extensiv begrünten und den nicht begrünten Dachflächen zeigen sich jedoch deutliche Oberflächentemperaturunterschiede. Die Vorteile der Dachbegrünung liegen in der Wärmeisolationswirkung des oberen Geschosses, in der Regenrückhaltung, den Synergieeffekten mit Solaranlagen sowie ihren positiven Auswirkungen auf die Biodiversität und in der Einsparung von Heiz- und Kühlenergie.“ Nachts könnten begrünte Dachflächen Kaltluft produzieren und somit einen Beitrag zur nächtlichen Abkühlung der Stadtatmosphäre leisten. „Das muss aber noch genauer erforscht werden“, so Scherber.
Effekt des Tempelhofer Felds in Berlin
Auch Städte wie Berlin, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart setzen »PALM-4U« bereits in der Stadtplanung ein, um Klimaanpassungs- und Luftreinigungsmaßnahmen zu implementieren.
„Simulationen mit PALM-4U können wir zum Beispiel dafür nutzen, um zu untersuchen, ob die gesamte Freilassung des Tempelhofer Feldes für das gesamtstädtische Klima in Berlin sinnvoll ist“, so Prof. Dr. Dieter Scherer. „Damit zu argumentieren, dass die Nichtbebauung des Tempelhofer Feldes gut für das städtische Klima sei, weil damit eine große Grünfläche erhalten bliebe, ist nicht die ganze Wahrheit. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass, wenn Teile des Tempelhofer Feldes nicht mit Wohnungen bebaut werden, sich der Druck auf noch brachliegende oder Vegetationsflächen in anderen Quartieren erhöhen würde. Denn aufgrund des Wohnungsmangels wird weiter gebaut werden.“
Dadurch würden jedoch genau die kleinteiligen Vegetationsflächen in der Stadt verschwinden, die das Mikroklima verbessern und nachts Kaltluft produzieren, was in Zeiten von zunehmendem Hitzestress besonders wichtig ist. Eine hochaufgelöste Simulation für das Berliner Tempelhofer Feld sowie den angrenzenden Schillerkiez hatte nämlich gezeigt, dass von baumbestandenen Innenhöfen und baumgesäumten Straßen an warmen Tagen und Nächten eine kühlende Wirkung ausgeht.
„Das bedeutet, dass ein innerstädtisches kleinräumiges Mosaik aus Bebauung und Vegetation das Stadtklima deutlich verbessert. Also jeder Baum zählt“, so Scherer.
Die Kühlleistung großer Vegetationsflächen allein reicht nicht aus
„Damit Städte wie Berlin besser als bisher gegen Hitzewellen gewappnet sind, ist eine kleinräumige Abwechslung von Bebauung und Vegetation im Abstand von 150 Metern vonnöten – so die Schlussfolgerung aus der Simulation des Tempelhofer Feldes und dem angrenzenden Schillerkiez mit PALM-4U“, resümiert Prof. Dr. Dieter Scherer. „Betrachtet man das städtische Klima insgesamt, reicht die Kühlleistung großer Vegetationsflächen wie des Tiergartens oder eben des Tempelhofer Feldes allein nicht aus. Denn nur die unmittelbar anliegenden Gebäude profitieren davon; weiter entfernt liegende Quartiere zum Beispiel im Wedding oder Prenzlauer Berg nicht.“
Unter dem Aspekt der Hitzeresilienz sei deshalb eine teilweise Bebauung des Tempelhofer Feldes durchaus sinnvoll, wenn dadurch kleinere Grünflächen erhalten werden können.
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