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Erste Wiener Grünfassade zum Naturdenkmal erhoben

Historische Gebäudebegrünung
Erste Wiener Grünfassade zum Naturdenkmal erklärt

In Wien ist erstmals eine Grünfassade zum Naturdenkmal erklärt worden. Sie besteht aus einem einzigen Weinstock, der seit über 100 Jahren an der Fassade der Bildhauerateliers in der Wiener Kurzbauergasse emporrankt.

Das Bildhauereigebäude der Akademie der bildenden Künste Wien wurde zwischen 1884 und 1918 vom Architekten Eduard Zotter an der Kreuzung Kurzbauergasse und Böcklinstraße unweit des Wiener Praters errichtet.

„Die Grünfassade ist ganz bewusst bereits im Zuge der Errichtung des Gebäudes durch den Architekten eingeplant worden“, erklärt Franz David Eschner, in der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) zuständig für die Auswahl von Naturdenkmälern. „Darauf weisen die auf dem Gehsteig vorhandenen, halbrunden, mit Ziegeln versehenen Aussparungen für Wurzelstöcke hin – eine Besonderheit in diesem Kontext. Und ein Vorbild für zukünftige Planerinnen und Planer.“

Bildhauereiatelier an der Akademie der bildenden Künste Wien
Bild: eSeL_Joa-0449

Kulturhistorischer plus Naturschutzwert

Schon 2001 stellte die Behörde den dreiflügeligen Komplex mit den vielen Erkern, Vorsprüngen und außergewöhnlichen Fenstern unter Denkmalschutz. Nun wurde dieser Schutz nochmals ausgeweitet und die Grünfassade in den Status eines Naturdenkmals erhoben. „Voraussetzung für diesen Status ist, dass ein Objekt sowohl einen Naturschutzwert als auch einen kulturhistorischen Wert hat“, so Eschner. 

Der kulturhistorische Wert ergibt sich im Fall der Kurzbauergasse 9 aus der außergewöhnlichen architektonischen Verbindung von Pflanze und Fassade. „Außerdem spiegeln viele Naturdenkmale – auch die Fassade in der Kurzbauergasse – den Zeitgeist der jeweiligen Epoche wieder und wurden und werden als Treffpunkte der Bevölkerung genutzt“, erklärt Eschner. „Somit ist die Aussage zulässig, dass ein Naturdenkmal gleichzeitig auch ein Kulturdenkmal ist.“

Aufgrund seines Alters und beeindruckenden Stamms sowie der Tatsache, dass eine so große Kletterpflanze in einem Innenstadtbereich wächst, ist der Weinstock darüber hinaus für den Naturschutz von Bedeutung. „Nicht zuletzt ist die begrünte Fassade als wertvoller Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung im bebauten Raum zu sehen und sorgt für ein angenehmes Mikroklima am Standort“, so Eschner.

Naturdenkmal: Grünfassade aus wildem Wein am Bildhauereigebäude der Akademie der bildenden Künste in Wien
Bild: Christian Fischer

Erste geschützte Fassadenbegrünung Wiens

Die Idee, historische Grünfassaden als Naturdenkmäler unter Schutz zu stellen, ist nicht neu. Es gibt dafür vereinzelte Beispiele auch aus anderen österreichischen Bundesländern – z.B. der Efeustock am Turm der Pfarrkirche von Ried im Traunkreis in Oberösterreich oder auch der Efeubewuchs an Kirche und Friedhofsmauer im niederösterreichischen Pöggstall. 

„Für das Wiener Stadtgebiet ist das Thema jedoch Neuland – in rechtlicher und naturschutzfachlicher Hinsicht“, so Franz David Eschner. Es gibt in Wien zwar mehr als 400 Naturdenkmäler – bei den meisten handelt es sich jedoch um Bäume oder Baumgruppen. Eine Fassadenbegrünung stand in Wien bislang nicht auf der Liste der Naturdenkmäler.

Grundsätzlich gibt es im Wiener Naturschutzgesetz keine Möglichkeit, Anträge zu stellen, um neue Naturdenkmäler zu schaffen. Die Bürgerinnen und Bürger können jedoch Vorschläge machen. „Für die Fassade in der Kurzbauergasse gab es explizit einen Vorschlag durch Wienerinnen und Wiener, den ich gerne aufgegriffen habe“, erzählt Franz David Eschner.

Naturdenkmal: Grünfassade aus wildem Wein am Bildhauereigebäude der Akademie der bildenden Künste in Wien
Bild: Christian Fischer

Nur kleinere Eingriffe erlaubt

Analog zu denkmalgeschützten Gebäuden dürfen auch Naturdenkmäler nicht verändert werden. Allerdings kann die Behörde kleinere Eingriff erlauben – beispielsweise das Stutzen von Trieben, um die Fenster freizuhalten. Voraussetzung ist jedoch, dass durch den Eingriff weder Bestand noch Erscheinungsbild gefährdet werden. Wer geben die Regeln verstößt, riskiert eine Verwaltungsstrafe.

Übrigens gelten diese Vorgaben ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Unterschutzstellung geprüft wird – und nicht erst dann, wenn der Bescheid zum Schutz des Naturdenkmals vorliegt. Dies soll verhindern, dass sich Betroffene den Vorgaben entziehen und das Naturdenkmal quasi „über Nacht“ entfernen.

„Eine Unterschutzstellung soll allerdings nicht zur Enteignung der Eigentümer führen“, so Eschner. „Ein Naturdenkmal bedarf nämlich nicht nur eines rechtlichen Schutzes, sondern ist aufgrund der hohen Erhaltungskosten in großem Maße von der freiwilligen und freundlichen Bereitschaft der Eigentümer abhängig, das Denkmal zu erhalten, zu pflegen und zu schützen.“ 

Naturdenkmal: Grünfassade aus wildem Wein am Bildhauereigebäude der Akademie der bildenden Künste in Wien
Bild: Christian Fischer

Von historischen Grünfassaden lernen?

Eschner zufolge gibt es bereits Pläne, weitere Fassadenbegrünungen in Wien zu Naturdenkmälern erklären zu lassen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei primär auf Grünfassaden historischer Gebäude. Momentan arbeitet der Historiker und studierte Landschaftsarchäologe daran, die Grünfassade eines gründerzeitlichen Kirchenanbaus unter Schutz zu stellen. 

Moderne Fassadenbegrünungen mit ihren ausgeklügelten Befestigungs- und Bewässerungssystemen sind den historischen Grünfassaden technisch weit überlegen. Aber können wir heute etwas von den alten, „einfachen“ Grünfassaden lernen?

„Durch technische Innovationen sind natürlich immer Verbesserungen möglich. Unter Einsatz aufwendiger Systeme können heute bessere Ergebnisse erzielt werden“, sagt Franz David Eschner. „Dennoch sieht man am Beispiel der Kurzbauergasse eindrucksvoll, dass Natur sich mit unendlicher Geduld und Beharrlichkeit vertikalen Raum schafft, wo es horizontal aufgrund baulicher Voraussetzungen nicht möglich ist. Und das ganz ohne zusätzliche Systeme.“


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