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Dezentrale Lüftungsanlagen für nutzerunabhängigen Luftaustausch

Mindestluftwechsel sicherstellen
Dezentrale Lüftungsanlagen für nutzerunabhängigen Luftaustausch

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Lüftungseinrichtungen müssen einfach und intuitiv zu bedienen sein oder sogar nutzerunabhängig funktionieren. Für Wohnungen und Nichtwohngebäude gelten dabei unterschiedliche Randbedingungen, wie sich speziell am Beispiel der Lüftung in Schulen zeigen lässt.

Anforderung:

CO2-Reduktion und Abtransport von Aerosolen/Feuchtigkeitsabfuhr in Räumen mit dauerhaft vielen Personen

Lösung:

Dezentrale, automatische Lüftung oder alternativ: Hybrides Lüften mit der Möglichkeit der manuellen Stoß-Lüftung


Markus Hoeft

Frühere Baumeister hätten mit dem Begriff der Luftqualität in Innenräumen vermutlich wenig anfangen können. Ihre Gebäude waren an Fenstern, Türen und anderen Bauteilen mit Fugen nicht vollständig dicht, sodass ein kontinuierlicher und – wie wir das heute nennen – vom Nutzerverhalten unabhängiger Luftaustausch gegeben war. Wenn doch einmal eine zu hohe Luftfeuchtigkeit oder schlechte Gerüche auftraten, wurde einfach das Fenster geöffnet. Nach modernen Begriffen war dies ein hybrides Lüftungskonzept aus schwächerer Dauer- und bedarfsabhängiger Stoßlüftung, das für die Gebäudenutzer sehr einfach zu bedienen war und keiner besonderen Planung bedurfte.

Um diese Einfachheit könnte man die Bauverantwortlichen von damals fast beneiden, sollte aber die Vergangenheit auch nicht verklären: Die undichte Gebäudehülle führte zu einem hohen Heizenergiebedarf und nicht selten zu einem zugig-kalten Gefühl in den Räumen. Heutige Gebäudehüllen müssen luftdicht ausgeführt werden, damit die Heizenergie nicht mit der warmen Innenraumluft unkontrolliert nach außen strömen kann. Gleichzeitig enthalten unsere Innenräume heute meist mehr Schadstoffe, weil mit den Einrichtungsgegenständen eine Vielzahl von Kunststoffen, Lösungsmitteln und ähnlichen Substanzen in die Innenräume gebracht werden. Sie können ohne ausreichende Lüftung unerwünschte Gerüche erzeugen und die Gesundheit beeinträchtigen.

Die Rahmenbedingungen der Gebäudelüftung sind also anders als in früheren Zeiten. Trotzdem hat das kleine Gedankenspiel vom Anfang des Textes seinen Sinn, weil es aufzeigt, was eine moderne Lüftung leisten sollte: Sie muss intuitiv zu nutzen sein, in einer Grundlüftungsstufe unabhängig von den Gebäudenutzern funktionieren und dabei gleichzeitig eine verstärkte (Stoß-)Lüftung zulassen, die unabhängig von der Gebäudeautomatik jederzeit aktiviert werden kann.

Lüftungskonzept und Lüftungsplanung

Feuchtigkeitsabfuhr in Wohnungen

Zeitgemäße Lüftungsregeln für den Wohnungsbau beschreibt DIN 1946–6 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen. Danach muss der Gebäudeplaner ein Lüftungskonzept erstellen, das den zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderlichen Mindestluftwechsel nutzerunabhängig sicherstellt. Der einfache Verweis darauf, dass die Nutzer ausreichend häufig über die geöffneten Fenster (stoß-)lüften müssen, wird dafür nicht mehr als ausreichend angesehen, da Bewohner bei längerer Abwesenheit nicht lüften können.

Die Norm definiert vier unterschiedliche Lüftungsstufen, von denen die Lüftung zum Feuchteschutz sowie die reduzierte Lüftung für hygienische Mindeststandards sowie den Schutz der Baukonstruktion unabhängig vom Nutzerverhalten sichergestellt sein müssen bzw. sollen. Für die Nenn- und Intensivlüftung kann hingegen von einer aktiven Fensteröffnung ausgegangen werden.

Ergibt sich aus dem Lüftungskonzept, dass der erforderliche Luftwechsel speziell für die ersten beiden Lüftungsstufen nicht erreicht wird, müssen lüftungstechnische Maßnahmen vorgesehen werden. Sofern der erforderliche Luftvolumenstrom nicht allzu hoch ausfällt, können Fensterfalzlüfter und/oder Außenluftdurchlässe in der Wand bzw. neben oder über dem Fenster für einen kontinuierlichen nutzerunabhängigen Luftaustausch ausreichend sein. Anderenfalls sind zentrale oder dezentrale ventilatorgestützte Lüftungen zu prüfen.

Das Lüftungskonzept verursacht zusätzlichen Aufwand in der Planung und verteuert leider auch den Wohnungsbau. Dafür verhindert es bei fachgerechter Auslegung jedoch die Feuchtigkeitsanreicherung und Schimmelbildung in Innenräumen, die gesundheitsgefährdend sein kann, auf lange Sicht sogar die Bausubstanz schädigt und nicht zuletzt Anlass für eine Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Planer, Bauherr und Mieter ist.

Dezentrale Lüftung mit Außenluftdurchlässen

Zielgröße CO2 im Nichtwohnbau

Die Festlegungen der DIN 1946–6 gelten ausdrücklich für den Wohnungsbau und haben vor allem die Reduzierung der Feuchtigkeit zum Ziel. Etwas anders ist die Situation im Nichtwohnbau, die hier beispielhaft anhand von Schulen und Klassenräumen diskutiert werden soll. Die Überlegungen lassen sich teilweise jedoch auf nutzungsverwandte Gebäude wie Kindergärten, Büros, Vereinsheime oder Hoch- und Berufsschulen übertragen.

Zentrales Qualitätskriterium für die Lüftung in Schulgebäuden ist der CO2-Gehalt der Raumluft. Zu hohe Konzentrationen des bei der Atmung entstehenden Gases führen zu Müdigkeit, Konzentrationsschwäche oder sogar Unwohlsein. Der Prozess schreitet allmählich und dadurch unmerklich voran. Selbst bei vorhandenen und zu öffnenden Fenstern kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Schüler und Lehrer jederzeit korrekt und ausreichend manuell lüften.

Den Grenzwert stellt die sogenannte Pettenkofer-Zahl von 1.000 ppm CO2 in der Raumluft dar, die als unbedenklich gilt. Werte bis 2.000 ppm sind auffällig und darüber inakzeptabel. Untersuchungen haben gezeigt, dass in einem vollbesetzten Klassenraum ohne Lüftung bereits nach 20 Minuten Unterricht CO2-Konzentrationen von 1.000 ppm erreicht werden. Es müsste also in diesem Moment sowie zusätzlich in jeder Pause zwischen den Unterrichtsstunden mit weit geöffneten Fenstern stoßgelüftet werden, was zu Zugerscheinungen und im Winter zu erheblichen Energieverlusten führt – ganz abgesehen davon, ob es sich in der Praxis überhaupt durchhalten lässt.

Wegen dieser Unzulänglichkeiten sollten neue oder grundlegend modernisierte Schulen nicht mehr ausschließlich mit manueller Fensterlüftung geplant werden. Zentrale Lüftungsanlagen mit ihrem umfangreichen Leitungssystem verursachen jedoch erhebliche Investitionen und einen erhöhten Platzbedarf, der speziell bei Bestandsbauten oft nicht realisiert werden kann.

Bewährt haben sich deshalb dezentrale Lüftungsanlagen für die einzelnen Unterrichtsräume. Wirtschaftlich günstig ist die Integration in ein hybrides Lüftungskonzept, bei dem die Lüftungsanlagen die kontinuierliche Grundlüftung sicherstellen, bei besonders hohen Belastungen jedoch die Fenster geöffnet werden.

Lüftung in Schulen

Dezentrale Geräte im Klassenraum

Mit dezentralen Geräten lassen sich sowohl der technische Aufwand als auch die ästhetische Beeinträchtigung minimieren, die bei der Verlegung sichtbarer Lüftungsleitungen auftreten. Bei einer Montage direkt an der Außenwand werden lediglich zwei Kernbohrungen für die Zu- und Abführung der Luft benötigt. Sie lassen sich bei auf dem Boden stehenden Geräten meist unproblematisch unter der Fensterbank anordnen (Brüstungsgeräte). Auch der Einbau in einen Schrank kann u.U. gestalterisch überzeugen. Für Unterrichtsräume mit abgehängten Decken sollte eine Positionierung mitten im Raum an der Decke geprüft werden, weil von dort die Luft gleichmäßig im Raum verteilt wird. Die Lüftungskanäle verlaufen dann nicht sichtbar im Deckenhohlraum.

Wichtigstes technisches Auswahlkriterium für das Gerät ist der erforderliche Luftvolumenstrom, der wegen der hohen Personenzahl im Raum vergleichsweise groß sein kann (Größenordnungen bis knapp 1.000 m³/h sind technisch möglich). Im Sinne der Energieeffizienz sollten nur Zu- und Abluftsysteme mit Wärmerückgewinnung verwendet werden. Zum Schutz vor Überhitzung im Sommer benötigt der Wärmetauscher in jedem Fall einen Sommerbypass.

Neben der Wärme- sollte auch eine Feuchterückgewinnung geprüft werden, um eine zu niedrige Luftfeuchtigkeit in der kalten Jahreszeit zu vermeiden. Je nach Raumsituation und Sonneneinstrahlung kann außerdem eine doppelte Auslegung für Lüftung und Kühlung sinnvoll sein.

Die Geräte müssen sich störungs- und behinderungsfrei in die Einrichtung der Unterrichtsräume einfügen. Das gilt zum Beispiel für die Geräuschbelästigung, die vom Gerät während des Betriebs ausgeht. Richtwerte für den Auslegungsschalldruckpegel liegen für Unterrichts-, Fach-, Mehrzweckräume und Lehrerzimmer bei maximal 35 dB(A), bei Sporthallen bei maximal 40 dB(A). Das Gerät dürfte dann immer noch zu hören sein, jedoch wird ein Unterricht mit geschlossenen Fenstern möglich. Äußere Lärmquellen wirken dadurch weniger störend, was speziell für Schulen in verkehrsreicher Lage ein Gewinn sein kann.

Raumklima-Sensor AirBird – Inspiriert von Kanarienvögeln

Als Alternative zu dezentralen Lüftungsgeräten lässt sich eine nutzerunabhängige Lüftung über elektrisch angetriebene Fenster bzw. Oberlichter prüfen. Sie können über eine Zeitsteuerung oder mit Hilfe von CO2-Sensoren ihre Steuerbefehle erhalten. Auch eine Kombination mit für die Schüler ablesbaren CO2-Ampeln ist denkbar, sodass die verschiedenen Aspekte der Lüftung und des CO2-Haushalts zu einem Teil des Unterrichts werden können. Die automatische Steuerung der Fenster muss in jedem Fall von den Gebäudenutzern übersteuerbar sein, damit kein Gefühl von Fremdbestimmung entsteht. Angetriebene Fenster lösen jedoch nicht die Probleme des Außenlärms und des Wärmeverlustes durch die Lüftung. Eventuell werden sie deshalb nur ergänzend eingesetzt, zum Beispiel in den Schulfluren.

Dezentrale Lüftungsgeräte für Schulräume haben insbesondere in der Coronapandemie verstärkt Aufmerksamkeit bekommen, weil eine fachgerechte Lüftung die Aerosollast in der Raumluft reduzieren, wenn auch nicht völlig beseitigen kann. Auftraggeber sollten darauf hingewiesen werden, dass Lüftungsgeräte die Luft lediglich austauschen, aber nicht reinigen. Dafür wird eine andere Anlagentechnik benutzt, die Viren mittels Filtern, UV-Strahlung oder Ionisations- und Plasmatechnologien entfernt bzw. inaktiviert.


Markus Hoeft

Freier Bau-Fachjournalist u. a. für bba, DAB, db, dds und BBB in Fredersdorf bei Berlin.


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