Startseite » Fassaden »

Optimal zur Sonne ausgerichtet

Neubau eines Bürogebäudes in Bad Rappenau-Bonfeld
Optimal zur Sonne ausgerichtet

Firmen im Artikel
In der Nähe von Heilbronn entstand für 40 Mitarbeiter ein Bürogebäude. Der Zweigeschosser erhielt eine Verkleidung mit eigens entwickelten dreidimensionalen Fassadenelementen. Für die gefaltete Metallfassade kam ein Sandwichmaterial aus äußerst biegsamen Aluminiumverbundplatten zum Einsatz, bestückt mit Solarzellen. Die „parametrisch optimierte Fassade als Energiequelle“ zeigt, dass eine PV-Anwendung auf der Fassade sinnvoll und ästhetisch sein kann.

Anforderung:

Fassade mit ertragsoptimierter Solaranlage bei verbesserter Optik

Lösung:

PV-Module auf 3D-Aluminiumverbundplatten: 50% besserer Wirkungsgrad als bei konventionellen Anlagen


Kay Rosansky

Ich kenne niemanden, der Photovoltaik – wie anderen Techniken der regenerativen Energiegewinnung – grundsätzlich kritisch oder ablehnend gegenübersteht. Die Vorstellung, Sonne, Wind, Erdwärme & Co. für das Heizen und Kühlen, die Mobilität, den Betrieb von Maschinen und Geräten nutzen zu können, ist unmittelbar faszinierend und sehr sympathisch.

Technische und wirtschaftliche Barrieren überwinden die „neuen“ Techniken mit großem Tempo. Lediglich auf dem Gebiet der Akzeptanz, der Befürwortung des konkreten Projektes, erhebt sich immer wieder Protest. Die jahrzehntealte Diskussion über Mindestabstände von Windrädern zu Wohngebäuden (wobei der Abstand ohne die Berücksichtigung von Topografie und Himmelsrichtung eine ziemlich abstrakte und wenig aussagekräftige Zahl ist) mag dieses Problem ebenso verdeutlichen wie der Satz, den ein Architekt vor einigen Jahren im Gespräch fallen ließ: „Ich finde PV toll, aber nicht auf meinen Dächern!“

Schuld an dieser, zum Teil gut nachvollziehbaren Haltung sind oft Planungs- und Bausünden der vergangenen Jahrzehnte, von denen wohl jeder einige kennt. Gebäude sind für Architekten eben keine Maschinen, sondern gebaute Gestaltung und der Ausdruck von Persönlichkeit, welcher über einen langen Zeitraum erlebbar bleibt.

Energiequelle Fassade

Für PV auf der Fassade galten mögliche Vorbehalte auch aus einem technischen Grund; der Wirkungsgrad ist bei vertikalen Flächen deutlich niedriger. Zumal in urbanen Strukturen kamen für die photovoltaische Nutzung deshalb bislang vor allem Dächer infrage. Doch denen werden inzwischen auch ganz andere Aufgaben übertragen, als da sind Begrünung, Retention, Garten-, Erholungsflächen etc. Um also die Fassade für PV-Anwendungen nutzen zu können, gilt es, den Output zu steigern und die Optik zu verbessern. Und beide Ansprüche sind nicht ganz trivial.

Am Architektur-Institut der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) widmeten sich unter der Projektleitung von Prof. Frank Hülsmeier die Forscherinnen Sarah Knechtges und Jana Reise mit ihren Kollegen Adrian Heller und Stefan Huth genau dieser Fragestellung und entwickelten eine „parametrisch optimierte Fassade als Energiequelle“.

Inzwischen wurde diese als Prototyp an einem Gewerbebau installiert und evaluiert – mit äußerst erfreulichen Ergebnissen, technisch wie optisch.

Entwurf mit AAD und CNC

Als Iteration bezeichnet man unter anderem die Wiederholung gleicher oder ähnlicher Schritte zur Annäherung an ein Ziel. Bei der Planung einer optimierten Fassade kann dieser Prozess sehr mühsam sein, selbst in Zeiten, in denen der „Modellbau“ größtenteils im Computer stattfindet. Die Forscherinnen und Forscher bedienten sich deshalb der Methodik des parametrisch-generativen Entwerfens oder AAD (Algorithms Aided Design). Als Basis hierfür dient das CAD (Computer Aided Design), welches Modelle auf der Grundlage von Parametern und Algorithmen (Rechenvorgang, der nach einem ständig gleichen Schema abläuft) erstellt.

Durch eine Erweiterung der CAD ist es möglich, dass weitere Algorithmen optimierend in den Entwurfsprozess eingreifen, sodass dieser den Zustand des statischen Modellierens verlässt und sehr komplexe Berechnungen gestattet. Diese Arbeitsweise ermöglicht das Arbeiten mit dynamischen Parametern und ist in der Lage, in einem vergleichbar kleinen Zeitrahmen eine sehr große Zahl von Varianten zu liefern. Simulationsgeometrien nehmen deren sofortige Bewertung vor, wodurch wiederum sehr schnell Einfluss auf die Parameter genommen werden kann.

Als Ergebnis lagen bei dieser Anwendung die erwähnten „parametrisch optimierten Fassaden“ vor. Das Team um Prof. Hülsmeier entwickelte solche für gefaltete Metallfassaden, kiemenförmige und Fassaden aus Ziegelmauerwerk.

Dreidimensionale Metallelemente

Als Tim Friedrich, studierter Produktionstechniker und Geschäftsführer der Firma Aluform in Bad Rappenau-Bonfeld, von diesen Forschungen erfuhr, stand einer Anwendung der Ergebnisse nichts mehr im Wege. Die Firma, gegründet von Friedrichs Vater, einem Architekten, der von den Möglichkeiten des Sandwichmaterials ‚Alucobond‘ überzeugt war, ist seit Jahrzehnten auf die Errichtung von Fassaden aus Aluminiumverbundplatten spezialisiert.

Es entstand, gemeinsam mit dem Architektur-Institut und dem Hersteller 3A Composites, die Idee, den eigenen Neubau mit den entwickelten dreidimensionalen Fassadenelementen zu bekleiden. Das zweigeschossige Verwaltungsgebäude schließt an Lager- und Fertigungshallen an. Damit sollte der Beweis angetreten werden, dass eine PV-Anwendung auf der Fassade sinnvoll ist – sowie in der Lage, mit tradierten Ressentiments aufzuräumen.

PV auf Süd- und Westfassaden

Bei dem Bürogebäude für 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt es sich um eine Stahlkonstruktion, die mittels mineralwollgedämmter Trapezblechkassetten geschlossen wurde. Der Bau erfüllt den Standard KfW 55 und wird mit Hilfe einer Luftwärmepumpe beheizt und gekühlt.

Bei der Fassade kam es insbesondere darauf an, jeweils die bestmögliche Ausrichtung zum Sonnenverlauf zu berücksichtigen und die Eigenverschattung zu minimieren. Aus diesem Grund unterscheiden sich die hier betrachteten Süd- und Westfassaden technisch wie optisch deutlich voneinander. Auf beiden wurden jeweils über 90 m² der gezeigten Fassade montiert, der Belegungsanteil der aktiven Zellen liegt bei 45% (S), bzw. 18% (W), und zwar mit Leistungen von 7,37 kWp, bzw. 2,84 kWp. Die jährliche Nettostromproduktion war insgesamt mit 6.870 kWh/a veranschlagt, das Monitoring ergab allerdings 8.845 kWh/a.

Für das erfreuliche Ergebnis zeichnen auf der Südfassade 201 Module und auf der Westfassade 153 Module verantwortlich. Deren Befestigung auf den Fassadenelementen erfolgte auf der Südfassade mittels beidseitig längsseits montierten, passend farbig eloxierten Aluminiumprofilen. Auf der Westseite durften die Module verklebt werden. Das war möglich, nachdem die Landesstelle für Bautechnik im Regierungspräsidium Tübingen eine ZiE (Zustimmung im Einzelfall), kombiniert mit einer vBG (vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung) erteilt hatte. Diese war erforderlich, da es sich bei den Solarmodulen nicht um „Bauprodukte“, sondern um „Elektroprodukte“ handelt.

Unter dem Strich ist es Forschern, Planern, Fassadenbauern und dem Hersteller in Singen gelungen, eine funktionierende und äußerst ansprechende Solarfassade zu errichten, deren Wirkungsgrad um ca. 50% gegenüber konventionellen Anlagen gesteigert werden konnte. Nachahmung ist deshalb ausdrücklich erwünscht.


Projekt: Verwaltungsgebäude mit PV-Fassade

Standort: Obere Mühle 23 – 27, 74906 Bad Rappenau-Bonfeld

Bauherr: Tim Friedrich, Aluform GmbH, Bad Rappenau-Bonfeld

Architekt (Gebäude): Ingo Dietewich Architektur, Stuttgart

Planung Fassade: ai:L Architektur-Institut der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK)

Projektleitung Prof. Dipl-Ing. Frank Hülsmeier, Team: Adrian Heller, Stefan Huth, Sarah Knechtges, Jana Reise
www.ail.htwk-leipzig.de

Fachplanung Fassade: Aluform GmbH, Bad Rappenau-Bonfeld


Prof. Dipl-Ing. Frank Hülsmeier: „Im Gegensatz zu gängigen Produkten setzt die parametrisch optimierte Solarfassade Solarshell auf kleinförmige PV-Module, die sich maßstäblich flexibel in Fassaden integrieren lassen.“


Lesen Sie hier weiter zum Thema

  • Metall an Fassade und Dach als Dossier (bba-online)

www.bba-online.de/bba-dossiers/#3371

Firmen im Artikel
Unsere Top-3-Projekte des Monats
MeistgelesenNeueste Artikel

Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der bba-Infoservice? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum bba-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des bba-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de