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Sakralbau in Weiß

Neubau einer Kirche in Neuhausen auf den Fildern
Sakralbau in Weiß

Das Nachdenken über Kirchenbauten ruft meist Erinnerungen an Basiliken oder Kathedralen auf den Plan. In der Nähe von Stuttgart gelang Architekt Stephan Pfäffle im Auftrag der Neuapostolischen Kirche ein neuer Sakralbau, der im Sinne moderner Baukultur nicht über Jahrhunderte, sondern innerhalb von 16 Monaten in weißem Sichtbeton entstanden ist.

Mit seiner klaren und präzisen Formgebung bringt der weiße Kirchenbau Ruhe in die heterogene Übergangszone zwischen Industriegebiet und loser, fast dörflich anmutender Wohnbebauung. Architekt Stephan Pfäffle versteht den Neubau in Neuhausen denn auch als Mittler zwischen den beiden Nutzungen. So fängt der bemerkenswerte Solitär mit dem auskragenden Vordach die unterschiedlichen Gebäudehöhen von Gewerbe und Wohnhäusern mit ihrer abgestuften Dachlandschaft auf. Das Gebäude dient als Kirche und Gemeindezentrum.

Vom Foyer aus erreicht man seitlich die Sakristei, Neben- und Funktionsräume. Unmittelbar geradeaus führt der Weg in den Kirchensaal. Er liegt im geschlossenen Betonsockel und löst sich ab einer Höhe von rund 4 m in eine Glasfassade auf; ein introvertierter Raum, der auf diese Weise den Innenraum mit dem Außenraum verbindet.
Der weiße Solitär aus Sichtbeton unterstreicht Präsenz und baukulturelle Bedeutung. „Das Gebäude thematisiert mit der Stütze eines der wichtigsten Bauteile der sakralen Baugeschichte“, beschreibt Architekt Pfäffle seinen Entwurfsgedanken, der neben der Ästhetik auch Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit im laufenden Unterhalt im Auge behält.
Wenige architektonische Kunstgriffe reichen, um Besucher schon beim Näherkommen die Präsenz des Sakralbaus spüren zu lassen. Während die Nachbargebäude einen gleichbleibenden Abstand zur Straße halten, schiebt sich die wie von schlanken Stützen getragene Kirche mit einem portalartigen Eingangsrahmen über diese imaginäre Linie leicht nach vorne und schafft eine Kommunikationszone zwischen Außen- und Innenraum, die den Besucher zur Einkehr einlädt. Zusätzlich fasst eine vorgelagerte weiße Betonbrücke wie ein moderner Torbogen den Bereich vor dem Kirchenbau und schafft einen halböffentlichen Bereich zwischen Straßenraum und Kirche.
Das gesamte Gebäude beruht durchgängig auf einem strengen Raster von 140 x 140 cm. Alle Bauteile, Öffnungen und Fugen richtete der Architekt auf dieses Grundmaß aus. Die durchgängig quadratischen, 25 mal 25 cm schlanken Stützen tragen nicht nur das Dach über dem von allen Himmelsrichtungen lichtdurchfluteten, stützenlosen Kirchensaal, sie dienen auch der natürlichen Verschattung des Saals zur Südseite hin. Die Betonstützen integrieren die Zuleitungen für Elektro, Blitzschutz und Entwässerung.
Durch die Stützen und die Lamellenverglasung der elektrisch zu öffnenden Fenster, die in einer Pfostenriegelkonstruktion aus lasierter Eiche sitzen, bewirkte der Architekt eine Lichtsituation im Innenraum, die im gleichen Maße die sakrale Wirkung des Gebäudes nach innen und außen verdeutlicht. Der weiße Sichtbeton für den gesamten kompakten Baukörper und den geschliffenen Fußboden wurde mit wenigen ausgesuchten Materialien wie gebürstetem Eichenholz für das Mobiliar, Glas und eloxiertem Aluminium ästhetisch kombiniert.
Betonbauweise für Nachhaltigkeit
Die Betonbauweise kommt den architektonischen Vorgaben in mehrfacher Hinsicht entgegen. Filigrane, tragende Stützen und weit auskragende Elemente lassen sich ebenso leicht planen wie die gleichzeitige Nutzung der massiven Bauteile zur energetischen Bauteilaktivierung. In Neuhausen wurde das Kirchengebäude auf einer Betonbodenplatte als massive Konstruktion in Stahlbeton mit zweischaligem Fassadenaufbau konzipiert, der ein dauerhaftes und langlebiges Fassadenbild ermöglicht. Außen komplett in weißem Sichtbeton ausgeführt, setzen sich im Innern die weißen Flächen an verputzten Kalksandsteinflächen und dem weißen Betonboden fort. Als Dämmung wählte der Architekt effiziente und ökologisch unbedenkliche Schaumglasplatten, die ohne Hinterlüftung zwischen der 25 cm dicken Sichtbetonschale und der Innenwand liegen.
Die Wirtschaftlichkeit des Entwurfes sicherte Architekt Pfäffle durch die Kompaktheit des Baukörpers und somit das gute Verhältnis von Hüllfläche zu Volumen. Ausreichend Speichermasse für ein ausgewogenes Klima im Gebäudeinneren bietet die massive Konstruktion. Dabei eignen sich die massiven Sockelwände zur Bauteilaktivierung und erhielten Wandheizungen. Der für die öffentliche Nutzung strapazierfähige, fugenlos verlegte weiße Betonfußboden im Kirchensaal erhielt eine effiziente Fußbodenheizung, die mittels Wärmetauscher Geothermie vom angrenzenden Parkplatz aus bis zu 120 m Bohrtiefe nutzt.
Sichtbeton vom Feinsten
Der Architekt hatte das genaue Fugenbild, die Spann- und Ankerstellen exakt vorherbestimmt. Vor Ort hatten die Betonbauer im Vorfeld Musterplatten mit verschiedenen Rezepturen gemacht, die mit dem Architekten abgestimmt wurden. Die gezeigte Güte des weißen Sichtbetons für die Außenbauteile erforderte vom ausführenden Bauunternehmen, der Gottlob Brodbeck GmbH aus Metzingen, äußerste Sorgfalt beim Betonieren.
Ausgeschrieben war Sichtbetonqualität SB 3; erreicht haben die Rohbauer ein so ebenmäßiges Ergebnis, das andernorts als SB 4 durchgeht und oft nur durch abschließende Lasur und Vereinheitlichung der Oberfläche erreicht wird.
„Da haben alle Faktoren zusammengespielt“, meint Bauleiterin Meißnest. Hilfreich war sicher die perfekte Rezeptur, Weißzement CEM I 52,5 N mit weißen Zuschlagstoffen und Splitt bis zum Größtkorn 16 sowie der Beimischung von 3 % vom Zementgewicht Titandioxid. Vor Ort ermahnte die Bauleiterin die Kolonne, entsprechend sorgsam zu arbeiten um Verschmutzungen zu vermeiden. Unabdingbar war, dass das Betonlieferwerk ein Silo nur für die Lagerung von weißem Zement bereit hielt und die Mischfahrzeuge entsprechend gesäubert und auf diesen Einsatz ausgerichtet waren.
Auf der Baustelle wurde der Polier auf die hohe Qualität des Sichtbetons eingeschworen und gab dies entsprechend weiter. So konnte die aufgedoppelte glatte Schalhaut nur zweimal verwendet werden. Im Sichtbereich außen wurde teilweise mit verzinktem Stahl bewehrt, um Rostflecken zu vermeiden, abschließend wurden die glatten Oberflächen zum Schutz hydrophobiert. „Der Bau ist etwas Besonderes“, resümiert Silke Meißnest das gute Sichtbeton-Ergebnis.
Seit seiner Fertigstellung hebt sich der Kirchenbau in strahlendem Sichtbeton als Sonderbauform von der profanen Umgebung ab und erfüllt auch hier die historische Aufgabe von Sakralbauten, städtebauliche Orientierung zu geben.
Entwurf und Planung: Architekt Stephan Pfäffle, Abteilung Bau/Unterhalt, Neuapostolische Kirche Süddeutschland K.d.ö.R. Tragwerksplanung: tragwerkeplus Ingenieurgesellschaft mbH & Co.KG, Reutlingen
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