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Doppelt gekrümmt

Lufthansa Aviation Center in Frankfurt
Doppelt gekrümmt

Markus Hoeft

Derzeit entsteht am Flughafen von Frankfurt/Main als neue Hauptverwaltung der Fluggesellschaft das Lufthansa Aviation Center (LAC).
Der erste Bauabschnitt wird voraussichtlich Ende 2005 in Betrieb gehen und bietet den Mitarbeitern der Lufthansa rund 1 800 Arbeitsplätze mit einer flexiblen Büroorganisation sowie einem ausgefeilten Klima- und Energiekonzept, das auf natürlicher Beleuchtung und Belüftung basiert. Die Vorbeifahrenden auf der Autobahn A3 erleben die Architektur des LAC als markante und unverwechselbare Landmarke innerhalb der funktionalen Flughafenbebauung.
Scheinbar schwerelos schweben über der Glasfassade des Gebäudes die Stahlbetonschalen des Dachs, die mit ihrer doppelt gekrümmten Form eine schalungstechnische Herausforderung par excellence waren. Auch im Innern setzt sich der spannungsvolle Gegensatz der gläsernen Transparenz und der Gestaltungskraft des Betons fort: Rund 80 000 m² Sichtbetonoberflächen an Wänden, Stützen und Decken prägen den Raumeindruck.
Doppelkammartige Struktur
Das in einem späteren Namenswettbewerb von den Mitarbeitern Lufthansa Aviation Center getaufte Projekt ist das Ergebnis einer internationalen Ausschreibung, aus dem das Architekturbüro Ingenhoven + Partner aus Düsseldorf als Sieger hervorging. Gemeinsam mit dem Tragwerks-planer Werner Sobek (Werner Sobek Ingenieure) und dem Klimatechniker Klaus Daniels (HL-Technik) schufen sie einen Entwurf, der sich durch einen hohen Wiedererkennungswert und konzeptionelle Klarheit auszeichnet.
Herzstück des Gebäudes ist eine in der Mitte liegende und über die ganz Länge reichende Passage, an die zu beiden Seiten die Flügel mit den Büroräumen anbinden, die so genannten Gebäudefinger. Zwischen den Fingern befindet sich jeweils ein überdachtes Atrium, wodurch im Grundriss eine doppelkammartige Struktur entsteht. Die Glasfassade umschließt sowohl die Finger als auch die Atrien und fasst so den eigentlich stark strukturierten Baukörper in der Außenansicht zu einem kompakten Ganzen zusammen. Sieben Obergeschosse erheben sich über vier Tiefgeschossen.
Im endgültigen Bauzustand sind 29 Finger vorgesehen. Der demnächst fertig gestellte erste Bauabschnitt des LAC mit rund 180 m Länge und 90 m Breite beinhaltet zehn Finger – je fünf auf beiden Seiten. Die weiteren Bauabschnitte sind planerisch vorbereitet, werden aber erst bei künftigem Bedarf realisiert.
Das Dach des LAC greift mit seiner eleganten Ingenieurskonstruktion Inspirationen aus dem Flugzeugbau und der Konstruktion von Hangars auf. Die Finger und Atrien sind mit jeweils eigenständigen, in beiden Richtungen gewölbten Schalen überspannt.
Keine Dachschale gleicht der anderen
Die Schalen sind rund 42 m lang und laufen in der Breite nach außen von etwa 16 m auf etwa 12 m konisch zu. Wegen der vorhandenen leichten Neigung gleicht in Grundrissgeometrie und Wölbung keine Schale der anderen.
Über den Atrien wurde diese anspruchsvolle Gestaltung mit Stahlgittern ausgeführt, deren Zwischenräume mit betretbarem Wärmeschutzglas in Überkopfqualität verglast sind.
Die Atrien dienen als Schall- und Immissionspuffer und werden als Themengärten gestaltet, deren Vielfalt die weltweiten Verbindungen der Lufthansa symbolisieren soll. Über den Bürofingern bestehen die doppelt gekrümmten Dachflächen aus 28 cm dickem Stahlbeton. Dessen Schalung wurde in 38 unterschiedlich bogenförmig geneigte Elemente mit Längen von 6,50 bis 8,50 m und Breiten von 2,70 m aufgeteilt, von denen jedes wiederum aus fünf unterschiedlichen Nagelplatten-Bindern bestand.
Die computergestützt berechnete und passgenau für jeden Finger einzeln erstellte Sonderform kam vormontiert auf die Baustelle. Dort wurde eine Dreischichtschalhaut aufgebracht und schließlich betoniert. Weil angesichts der komplizierten Geometrie und Schalungsbauweise kein optisch gerader Fugenverlauf möglich war, entschied man sich dafür, die sichtbare Unterseite mit einer Spachtelschicht zu verputzen.
Blickfang über der Abdichtung
Auf der Oberseite der Dachschalen wurde zunächst ein Voranstrich ausgeführt und eine bituminöse Dampfsperre verlegt.
Der Zwischenraum zwischen den hier vorhandenen Überzügen ist mit einem weichen, also nicht trittfesten Mineralfaserdämmstoff gefüllt. Anschließend erhielt die nunmehr auf einem Niveau befindliche Dachfläche eine Trapezblechlage, die als stabiler Untergrund für eine weitere Lage, diesmal trittfester Mineralwolle sowie die anschließende Dachabdichtung mit einer mechanisch befestigten Dachbahn Rhenofol CV von FDT dient.
Damit wäre bei den meisten anderen Bauvorhaben das Dach vollendet, denn die Bahn aus PVC weich ist eine vollwertige freibewitterbare einlagige Abdichtung.
Beim LAC entschlossen sich die Planer jedoch, über der Abdichtung eine weitere Ebene mit aufgeständerten Platten aus Alucobond einzubauen. Die mit offenen Fugen verlegten Elemente wirken als Blickfang und verstärken mit ihrer Metalloberfläche die architektonischen Assoziationen an den Flugzeugbau. Sie bieten außerdem zusätzlichen Schutz vor mechanischen Belastungen und der UV-Einstrahlung. Gegenüber Vollaluminium hat der Verbundwerkstoff Alucobond den Vorteil einer geringeren Flächenlast. Mit 5,1 kg/m² ist er rund ein Drittel leichter als vergleichbare Aluminiumverkleidungen, dabei aber trotzdem begehbar und von hoher Planhaftigkeit (keine Neigung zum Beulen).
Vorab Musterflächen betoniert
Die doppelt gewölbten Stahlbetonschalen des Daches waren wohl die spannendste, aber bei weitem nicht die einzige betontechnische Herausforderung.
Insgesamt wurden rund 15 300 Tonnen Betonstahl, ca. 65 000 m3 Beton bis B 55 sowie ca. 1 000 m3 Hochleistungsbeton B 85 eingebaut.
In den Obergeschossen sind ca. 30 000 m2 Sichtbeton für Wände und Stützen sowie 50 000 m2 horizontale Deckenuntersichten verbaut. Zur Festlegung der Betonqualitäten wurden im Vorfeld Musterflächen im Maßstab 1:1 (mock ups) gebaut, an denen die Sichtgüte der Flächen probiert, diskutiert und schließlich festgelegt wurde.
Die Planer wollten möglichst durchgängig helle und unbehandelte Sichtbetonoberflächen, was überwiegend, aber nicht immer gelang. Auf Teilflächen, z.B. des dunkleren Betons B 85, mussten die Oberflächen nachträglich angepasst werden.
Schlanke Stützen als Fertigteile
Bei der Erstellung der Sichtbetonflächen im Bereich der Treppenhäuser, Flure und sichtbaren Kernwände sowie bei den Unterzügen im Dachbereich wurden 4 500 m2 der Großflächen-Schalungsplatte Betoplan Plus eingesetzt. Die Furniersperrholzplatten aus Hartholzfurnieren nach DIN 68792 mit einer abriebfesten Filmbeschichtung von 300 g/m2 je Seite eignen sich für alle glatten, fugenarmen Betonoberflächen mit erhöhten Anforderungen.
Der Schalungsbauer konfektionierte die 2 000 mm x 5 200 mm großen und 21 mm starken Platten entsprechend den baulichen Vorgaben. Auch nach mehrmaligem Einsatz wurde eine einwandfreie Sichtbetonqualität festgestellt.
Ein weiteres betontechnisches Highlight bilden in den Atrien die filigranen, rund 26 m hohen Schleuderbetonstützen, die nach Herstellerangaben einmalig in Lastaufnahme und Schlankheit sind. Sie kamen in einem Stück als Fertigteile auf die Baustelle und wurden dort aufgerichtet. Ihr hochfester B 105 Beton trägt im Abschlussbereich des Daches die Last der Glas-Stahl-Schalen.
Weitere Informationen:
PVC-Dachbahn bba 525
Alucobond bba 526
Schalungsplatte Betoplan Plus bba 527
Architekt: Ingenhoven + Partner, Düsseldorf Tragwerksplaner: Werner Sobek Ingenieure
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