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In farbige Transparenz aufgelöst

Restaurant-Sanierung in Winterthur
In farbige Transparenz aufgelöst

Jörg Pfäffinger

Das Restaurant „National” ist heute eine erste gastronomische Adresse in Winterthur. Direkt gegenüber dem Hauptbahnhof gelegen, strahlt es Noblesse und italienisches Flair aus. An die restaurierte Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes schließt eine neu erstellte zweigeschossige Glasfront an, die das Platzangebot des Restaurants um eine Wintergarten-Atmosphäre erweitert.
Die aufwändige Sanierung des unter anderem ehemaligen Gründungssitzes der Winterthur-Versicherung, der in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach umgenutzt wurde, oblag dem Architekten Arnold Amsler, Investor war die Credit Suisse.
„Das Haus National wurde 1855 als erstes Haus der nördlichen Stadthausstraßen-Zeile vor der Erstellung des Bahnhofes (1857) und des Postgebäudes (1895) gebaut. Heute zielt die kleinmaßstäbliche Front mit der südlich anmutenden Loggia am nachmaligen, eigentlichen Bahnhofplatz vorbei und versucht das Gespräch mit der dominanten weißen Struktur, dem sogenannten Stadttor.
Die aussichtslose Lage für das National im stadträumlichen Zusammenhang mit seinem deplatziert erscheinenden kleinen Maßstab und dem Ausdruck einer italienischen Landvilla gibt dem Haus die Aura einer putzigen Preziosität. Das Spiel mit dieser Maßstabsverschiebung war ein Thema für unsere baulichen Eingriffe an diesem von der Denkmalpflege geschützten Haus.
Die Gebäudehülle wurde sorgfältig restauriert. Die meisten Fenster- und Türöffnungen des Erdgeschosses waren der Zeit zum Opfer gefallen und mussten rekonstruiert werden. Der ursprüngliche, klare Baukörper wurde von den nordseitigen Anbauten befreit und dadurch wieder rundum sichtbar gemacht.
Das neu erbaute fragile Glashaus ist eine städtebauliche Zwischenzone zum nachbarlichen Postgebäude. Die transparente Auflösung des Bauvolumens ermöglicht eine sinnvolle Nutzung in diesem Bereich, ohne das geschützte Gebäude in seiner Präsenz einzuschränken”, erläuterte Architekt Arnold Amsler bei der Eröffnung des Restaurants.
Wiederhergestellt und kreativ entkernt
Das Objekt bestand aus dem älterem Gebäude mit der Loggia und einem um wenige Jahre jüngeren Anbau -, beide zweigeschossig – und einem nachträglich angefügten Küchentrakt im Erdgeschoss, da es schon Nutzungen als Restaurant gegeben hatte.
Wichtigste Maßnahme der Sanierung war, wie Arnold Amsler sagt, die Wiederherstellung der zweigeschossigen Loggia zum heutigen Haupteingang sowie die Entkernung und Öffnung des ältesten Baukörpers, dessen beide Geschosse in den vergangen Jahrzehnten kleinzellig verbaut und durch ein enges Treppenhaus miteinander verbunden waren. Zusätzlich wurden Kellerräume erstellt.
Zur Innenraumgestaltung sagte Amsler: „Der Eintretende wird im Innern von einer unerwarteten Farbigkeit und Größe überrascht. Das ganze Haus präsentiert sich als zusammenhängender Raum, der in der Mitte über zwei Geschosse geöffnet ist. Dadurch entsteht im Kontrast zum äußeren kleinmaßstäblichen Bild ein großzügiges Innenleben und ein Gastraum von ungewöhnlicher Dimension.
Die Vorstellung einer hohen Halle wird durch die Materialisierung verstärkt. Boden und Wände sind im Eingangsgeschoss bis zur Decke und darüber hinaus im Obergeschoss bis zu einem Täferhorizont mit großflächigen Holzplatten verkleidet. Die durchgehende Einfassung mit demselben Material betont den Eindruck eines großen Gefäßes. Die Decke des Eingangsgeschosses wird durch die Belegung mit Blattgold durchlässig schimmernd, während die Decke des Obergeschosses als sonnengelb schirmende Haube mit den Wandfeldern zusammengestrichen ist.
Die Reduktion der eingesetzten Elemente gibt dem Raum eine Kraft, welche die Konzentration auf dessen Zentrum zum Ereignis werden lässt.
Die offene Mitte ist eingefasst mit rundumlaufenden, durchscheinenden Scobalit-Platten aus GFK, die das Licht in Spektralfarben brechen. Dadurch entsteht eine immer wieder wechselnde Farbigkeit des Materials, ohne sich selbst als Farbe aufzudrängen. Der Himmel in dieser Lichtlaterne leuchtet Rubinrot und ist als Überhöhung des roten Porticus der stärkste Farbakzent im ganzen Haus.”
Außergewöhnliches Material
Nicht nur vom Anmutungscharakter her hat der Architekt mit der Gestaltung des Restaurants, das er der Züricher „Kronenhalle” nachempfand, Ungewöhnliches geschaffen – auch bei der Materialwahl ging er neue Wege. Boden und Innenwände bestehen aus dunkel-braunrotem Festholz, einem aus zwölf dünnen Buchenholzfurnieren auf 5 mm Stärke gepresstem Produkt mit extrem hoher Festigkeit.
Dieses „Festholz” wurde bisher in öffentlichen Bereichen ebenso wenig eingesetzt, wie die von Amsler favorisierten Vollkern-Kunstschieferplatten. Auch diese hochfest gepressten Platten sind bisher im Bau wenig bekannt, im National bestehen die Tische, sowie alle Einbauten und die schwarzen Durchgänge vom älteren zum „jüngeren” Gebäudeteil aus diesem Spezialprodukt.
Dazu Amsler: „Im Innenbereich verwendeten wir ausschließlich Scobalit, Vollkern- und Festholzplatten. Vollkern ist durch und durch robust, man kann es abschleifen und es weist eine innere Materialkongruenz auf.”
Festholz-Platten haben einen ähnlichen Charakter: Hochfest und dauerhaft. Im „National” unterstütze das Material mit seinem Braunrot das Durchbrechen der zwei Geschosse und bilde einen Raum wie ein Gefäß, so der Architekt. Das Festholz wirke nicht wie eine Holzstube, sondern es sei ein hochtechnologisches Material.
Die Decken im EG dieses Bereiches sind mit Blattgold verkleidet. Diese Ausführung sei nicht teurer gewesen, als eine hochglanz-gestrichene Decke. „Blattgold erscheint mit verschiedenen Spiegelungen je nach Lichteinfall wie transparent. Es wirkt nicht pompös, sondern subtil”, erläutert Amsler seine außergewöhnliche Entscheidung.
Zum Gesamteindruck des Gastraumes käme weiterhin die Farbigkeit der GFK-Platten, die beispielsweise an der Brüstung im OG mit ihrem Lichtspiel nicht das Gefühl einer Abgeschlossenheit vermittelten.
Ästhetischer und konstruktiver Höhepunkt des „National” ist jedoch die Freitreppe, deren Tritte aus 15 mm dünnen Vollkernplatten bestehen, Holz müsste hier 4 bis 5 cm dick sein. Die Treppe scheint zu schweben, denn die tragenden Wangen mit ihrer Länge von 8 m bestehen aus 9,5 mm starken und durchscheinenden Scobalit-Platten.
Weitere Informationen
Scobalit-Platten bba 508
Architekten: Vrendli und Arnold Amsler, Winterthur
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