Knallgelbe Außentreppe mit Panoramablick aufs Tempelhofer Feld

In Berlin-Tempelhof haben MVRDV ein veraltetes Bürohaus aus den 1990er Jahren in ein auffälliges Entrée-Gebäude für den neuen »Impact Campus Atelier Gardens« verwandelt. Das nun leuchtend gelbe »HAUS 1« wurde durch ein begehbares Gründach, einen nachhaltigen Holzpavillon sowie eine Dachterrasse ergänzt, die über eine große Außentreppe zugänglich sind.

Am südlichen Rand des Berliner Flughafens Tempelhof wird das Gelände der Berliner Union Film Ateliers (BUFA) gerade in einen gemischt genutzten Campus umgestaltet. Der Masterplan für das 23.800 Quadratmeter große Gelände stammt von MVRDV und wurde Anfang des Jahres mit dem MIPIM Award für die beste Stadterneuerung ausgezeichnet. Vorgesehen sind eine Reihe nachhaltiger Umgestaltungen, welche die bestehenden Strukturen nutzen und revitalisieren, anstatt sie abzureißen. Ergänzt werden die Revitalisierungsmaßnahmen durch eine ökologisch ausgerichtete Landschaftsgestaltung.

Vision des Masterplans ist es, den Nutzerkreis des Geländes über Filmemacher hinaus auf alle Formen von »Change Makern« zu erweitern – einschließlich Impact-Organisationen und Einzelpersonen mit Fokus auf Klima-Aktivismus und soziale Gerechtigkeit.

Auftraggeber für den neuen »Impact Campus Atelier Gardens« ist der Londoner Investor und Entwickler Fabrix. Die architektonischen Entwürfe wurden von MVRDV in Zusammenarbeit mit Hirschmüller Schindele Architekten aus Berlin entwickelt, während Harris Bugg Studio aus London für die Landschaftsgestaltung verantwortlich zeichnet.

Mutiger Ansatz

»HAUS 1« ist das zweite Projekt, das MVRDV im Rahmen von Atelier Gardens realisiert hat, nachdem im vergangenen Jahr das »TON 1«, ein historisches Filmstudio aus den 1920er Jahren, wiedereröffnet wurde. Während das erste Projekt »TON 1« eine sensible Renovierung erforderte, verlangte »HAUS 1« nach einem mutigeren Ansatz.

Das ursprünglich 1997 errichtete Bürogebäude trug wenig zum Charakter des Campus bei. Aufgrund seiner Lage direkt neben dem Campus-Eingang und seiner Höhe, die es vom ehemaligen Flugfeld Tempelhof aus sichtbar macht, fiel der Entschluss, dem Gebäude eine ikonische Präsenz zu verleihen und in ein emblematisches Symbol für die Umgestaltung des BUFA-Campus zu verwandeln.

„Das neu umgestaltete HAUS 1 ist mehr als ein Tor zu diesem einzigartigen Campus“, sagt Jacob van Rijs, Gründungspartner von MVRDV. „Es repräsentiert die Gemeinschaft der Atelier Gardens und ihr Engagement, eine andere Vision der Gesellschaft zu entwerfen – eine optimistische, aber radikale und innovative Vision. Mit diesem zweiten Projekt unseres Masterplans schließen wir uns dieser Mission an und laden weitere Menschen ein, ihr zu folgen.“

Knallgelbe Außentreppe

Das augenfälligste Zeichen für diese Veränderung ist die Farbe des Gebäudes. Einst schlicht weiß, ist das Gebäude nun durchgängig sonnengelb und zieht die Aufmerksamkeit von nah und fern auf sich. Betritt der Besucher den Campus, stößt er sofort auf ein weiteres Zeichen der Veränderung: Vom zentralen Platz der »Atelier Gardens« aus führt eine gelbe zickzackförmige Treppenanlage in großem Bogen direkt auf das Dach von »HAUS 1«. 

Die Treppe ist gespickt mit Sitzgelegenheiten und Aussichtsplattformen, die Besuchern einen spektakulären Panoramablick auf das Tempelhofer Feld und die Berliner Skyline ermöglichen. Zusätzlich dient die Treppe als Fluchtweg für den neuen Dachpavillon. Ursprünglich als Brandschutzmaßnahme geplant, eröffnet die Außentreppe somit eine neue Dimension, um  den Campus mit seiner über 100-jährigen Filmtradition aus einer einzigartigen Perspektive zu erleben.

Die Treppe wie auch die perforierte Balustrade sind aus zerlegbarem Stahl gefertigt. Im Bereich der Sitzgelegenheiten zeigt die Perforierung einen Verlauf von kleinen zu größeren Öffnungen. „Dies ermöglicht mehr Transparenz für den Blick nach außen“, so MVRDV.

Energieeffizient und klimaresistent

Auf dem Dach wurde ein Studio-Pavillon aus vorgefertigten Holz-Modulen hinzugefügt, bei dem überwiegend biobasierte Materialien und wohngesunde Oberflächen wie beispielsweise Lehmdecken zum Einsatz kamen. „Vom Dach aus kann man die gesamte Skyline der Berliner Stadtlandschaft mit dem Tempelhofer Feld als Vorgarten betrachten“, so van Rijs.

Ein Gründach aus einheimischen Pflanzen vervollständigt die neu zugängliche Dachfläche, die gleichzeitig zum Sammeln von Regenwasser dient und in einen umfassenden Wasserrückhalteplan auf dem Gelände einfließt. Harris Bugg Studio ließen auf dem Gelände großflächig wasserundurchlässige Pflasterungen entfernen, der Fahrzeugverkehr wurde reduziert und die Wasserdurchlässigkeit sowie die biologische Vielfalt erheblich verbessert.

Die Begrünung, die neue Dachisolierung und der Sonnenschutz an den beiden Glasfassaden des Gebäudes verringern den Wärmeeintrag im Sommer und verbessern die Klimaresistenz des Gebäudes, während eine Niedertemperatur-Fußbodenheizung das Raumklima in den kalten Monaten mildert. Die gesamte Beleuchtung wurde auf energieeffiziente LED-Systeme umgestellt, und die sanitären Anlagen sind allesamt wassersparend, einschließlich WCs mit geringem Wasserverbrauch, die mit recyceltem Regenwasser aus der nächsten Phase des Regenwassersammelsystems des Campus gespült werden.

Langlebig und wiederverwertbar

Im Inneren beherbergt »HAUS 1« auf vier Etagen flexible Arbeits- und Begegnungsräume, darunter den Hauptsitz von »Atelier Gardens« sowie ein Co-Working-Café im Erdgeschoss. Die Bürogeschosse wurden entkernt und zu offenen und flexiblen Grundrissen umgestaltet, um die Flexibilität des Gebäudes zu maximieren, künftige Nutzungsänderungen zu vereinfachen und so die Lebensdauer des Gebäudes zu verlängern. 

Durch die Wiederverwendung eines möglichst großen Teils der Bestandsstruktur und die Bevorzugung langlebiger, wiederverwertbarer Materialien mit geringem ökologischen Fußabdruck zeigt HAUS 1«, wie man bei der Umgestaltung von Gebäuden mit weniger mehr erreichen kann.

Widerstandsfähiges Zukunftsmodell

„Atelier Gardens dient als Modell, um Zweckmäßigkeit und langfristig stabilen Ertrag in Einklang zu bringen“, erläutert Clive Nichol, geschäftsführender Gesellschafter von Fabrix. „Innerhalb weniger Jahre haben wir den Nutzerkreis des Campus‘ erfolgreich erweitert – von der Film- und Medienbranche hin zu einer vielfältigen Gemeinschaft progressiver Organisationen. Diese Transformation hat nicht nur das Einkommensprofil diversifiziert, sondern auch dem Campus ein dauerhaftes Leben verliehen – im Gegensatz zum ständigen Wechsel von Filmproduktionen und den damit verbundenen technologischen Risiken. Durch bedarfsgerechte Mietkonditionen kann qualitativ hochwertiger Raum kostengünstiger für Start-ups, Aktivistengruppen und Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig sind etablierte Unternehmen, die von den gemeinsamen Ressourcen und dem Fachwissen eines solchen Standorts profitieren möchten, bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Dieses widerstandsfähige Modell setzt unserer Ansicht nach einen neuen Standard für die Zukunft gemischt genutzter Campusgebäude.“