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Kreislauffähiger Wabenbau

Neubau einer Wohnanlage in Amsterdam
Kreislauffähiger Wabenbau

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Auf dem Amsterdamer Centrumeiland haben die beiden Architekturbüros RAU und SeARCH den großformatigen Wohnblock „Juf Nienke“ fertiggestellt. Der Neubau wurde mit vorgefertigten Holzbaumodulen umgesetzt und zählt zu den nachhaltigsten Wohnungsbauprojekten des Landes.

Anforderung:

Nachhaltig-zirkuläres Gebäude mit starker städtebaulicher Präsenz

Lösung:

Hauptsächlich biobasierte und recycelte Materialien wie vorgefertigte Holzmodule. Begrünung sowie Fernwärme mit PV.


Robert Uhde

Seit der Jahrtausendwende entsteht im ehemaligen Hafenquartier im Nordosten von Amsterdam der Stadtteil IJburg. Auf sechs neu aufgeschütteten Inseln sollen hier bis zum Jahr 2029 insgesamt 20.000 Wohnungen für rund 50.000 Bewohnerinnen und Bewohner fertiggestellt sein. Die Arbeiten auf Steigereiland, Haveneiland, Rieteilanden sind weitgehend abgeschlossen, aktuell werden die drei Inseln Centrumeiland, Strandeiland und Buiteneiland bebaut bzw. neu angelegt. Zu den spannendsten Projekten zählt dabei der im Süden des Centrumeilandes an der Kreuzung der beiden Haupterschließungsachsen Muiderlaan und Strandeilandlaan fertiggestellte Wohnblock „Juf Nienke“.

Der ungewöhnliche Neubau wurde nachhaltig mit vorgefertigten Holzmodulen umgesetzt und überzeugt dabei durch eine lebendige Fassadengestaltung mit überraschenden Rücksprüngen.

Auf drei bis fünf Ebenen mit einer Fläche von 6.150 m² stehen 61 individuell geschnittene Wohnungen mit Flächen zwischen 48 und 120 m², eine Tiefgarage, ein Kindergarten sowie verschiedene Gemeinschaftsfunktionen zur Verfügung. Die Hälfte der Wohnungen sind mit Mietpreisregulierung für Lehrer und andere öffentliche Bedienstete aus dem Bildungswesen, dem Gesundheitswesen und der Polizei vorgesehen, um so der hohen Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in der Stadt nachzukommen. Die andere Hälfte ist im freien Markt vermietet.

U-förmig mit zentralem Innenhof

Im Vorfeld des Projektes hatte die Stadt Amsterdam 2018 einen Wettbewerb mit Priorität auf Nachhaltigkeit ausgeschrieben. Diesen konnten schließlich die beiden Architekturbüros RAU und SeARCH gemeinsam mit dem Projektentwickler Dokvast für sich entscheiden.

Ausgehend von der prominenten und vielbefahrenen Grundstückslage in Sichtweite zum Wasser sowie in unmittelbarer Nähe zu den beiden Brücken zum Haveneiland sowie zum Festland haben die Planer den Neubau als U-förmigen Block mit zentralem Innenhof ausgebildet. Einem großformatigen Baukörper zur Muiderlaan nach Südwesten stehen dabei ein kleinerer Riegel nach Nordwesten sowie ein niedrigerer Teil nach Südosten zur Strandeilandlaan gegenüber. Beide ermöglichen einen fließenden Anschluss an die kleinmaßstäblichere Bebauung im Umfeld. Als gemeinsame Basis der drei Holzbau-Volumen fungiert ein doppelgeschossiger Sockel aus Beton, der neben dem Kindergarten und kleineren Läden auch eine Tiefgarage beherbergt. Zusätzlich stehen hier auch Gemeinschaftsarbeitsplätze, ein Raum zur Hausaufgabenbetreuung, Werkstatträume sowie eine Paketsammelstelle zur Verfügung.

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Bild: Stijn Poelstra

Gestapelte Holzwaben

Um den vielfältigen Anforderungen der Bewohnerinnen und Bewohner gerecht zu werden, haben die Planer den Neubau als eine Art Wabenbau realisiert – zusammengesetzt aus containerartig übereinander gestapelten Holzbau-Modulen mit variablen Tiefen und mit unterschiedlich platzierten Fensteröffnungen. Im kontrastreichen Zusammenspiel der dunklen Thermoholz-Fassaden mit hellen Holz-Fensterrahmen sowie durch den Wechsel von geschlossenen Elementen, zurückspringenden Loggien und weitgehend verglastem Sockelbereich ist unbenommen des strengen Fassadenrasters ein lebendiges tektonisches Spiel entstanden. Trotz modularer Bauweise konnte dabei eine große Vielfalt an Wohnungstypologien umgesetzt werden.

Ebenso ungewöhnlich präsentiert sich auch die Erschließung. Wichtigster Baustein des Konzeptes ist die innerhalb der Frontfassade gebäudehoch und über die gesamte Gebäudetiefe als Öffnung ausgesparte Fuge. Die hier integrierte Treppe bietet Zugang zu den verschiedenen Wohnebenen und den dort anschließenden Laubengängen für die drei Blöcke und soll so auch die nachbarschaftliche Kommunikation fördern. Und ebenso erschließt die Öffnung gemeinsam mit zwei seitlichen Zugängen auch den deutlich erhöhten Innenhofgarten, den die Planer oberhalb der Tiefgarage angelegt haben.

Modular und kreislauffähig

Um die ehrgeizigen Umweltstandards bei der Bebauung des Centrumeilandes umsetzen zu können, haben die Planer „Juf Nienke“ als kreislauffähiges, modulares Gebäude mit nachhaltigen Materialien und mit minimiertem Energieverbrauch entwickelt.

Oberhalb des Sockels aus recyceltem Beton wurde der Bau dazu durchgehend mit insgesamt 105 jeweils 4 m breiten, aber unterschiedlich tiefen Fertigbaumodulen aus Holz errichtet. Sämtliche Module wurden durch Barli BV in Holzrahmenbauweise mit Decken- und Wandelementen aus SLS- und CLT-Fichtenholz vorgefertigt und auch bereits mit sämtlichen Anschlüssen ausgestattet. Als äußere Fassadenverkleidung kam feuerhemmendes Holz in verschiedenen Farbkombinationen zum Einsatz. Nach Fertigstellung waren die Module vom Werk in Uden nach Amsterdam ausgeliefert worden, wo sie dann lediglich noch mit einem Kran am richtigen Ort übereinandergestapelt wurden.

„Durch den hohen Grad an Vorfertigung haben wir die Bauzeit vor Ort minimieren können“, berichtet Bjarne Mastenbroek, Gründer von SeARCH. „Und da alle Module zerlegbar sind, lässt sich das Gebäude gleichzeitig auch flexibel an künftige Nutzungs-, Technologie- oder Standortänderungen anpassen.“ Und ebenso ließe sich der Bau auch ohne größere Umbauten erweitern oder komplett zurückzubauen: „Im Ergebnis ist ‚Juf Nienke‘ damit ein wirklich zirkuläres Gebäude“, so der Architekt weiter. Hinzu kommt: „Durch die Umsetzung des Gebäudes in Holzrahmenbauweise speichern wir mehr als 580.000 kg CO2 gegenüber einem herkömmlich errichteten Wohnungsbau, womit wir aktiv auf die Herausforderung des Klimawandels reagieren und zu einem gesunden Wohnumfeld beitragen.“

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Bild: Stijn Poelstra

Mit Begrünung und Nistplätzen

Einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit des Gebäudes leisten auch die Begrünung der Flachdachflächen sowie die Bepflanzung des Innenhofgartens sowie einer im 4. OG gelegenen Gemeinschaftsterrasse. Zusätzlich haben die Planer ein „Fledermaus-Hotel“ hoch über der Eingangstreppe sowie Nistplätze für Mauersegler in der Fassade vorgesehen.

Komplettiert wird das Konzept durch den Anschluss an das Fernwärmenetz sowie durch die Integration einer dachintegrierten Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 140 kWp. Im optimierten Zusammenspiel der verschiedenen Maßnahmen zählt „Juf Nienke“ damit zu den nachhaltigsten Wohnungsbauprojekten in den Niederlanden.


Projekt: Wohnungsbau „Juf Nienke“

Standort: Strandeilandlaan, 1087 GJ Amsterdam, NL

Bauherr: Dokvast B.V., Oisterwijk, NL

Planung: RAU Architecten und SeARCH bv, NL
www.anewdawn.rau.eu
www.www.search.nl

Bauunternehmen: Barli bouwsystemen, Uden (NL); Hazenberg TBI, Vught (NL)

Fertigstellung: 2023


Bjarne Mastenbroek, Gründer von SeARCH: „Und da alle Module zerlegbar sind, lässt sich das Gebäude gleichzeitig auch flexibel an künftige Nutzungs-, Technologie- oder Standortänderungen anpassen.“


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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