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Wärme aus der Tiefe

Umbau eines Wasserturms zu Veranstaltungsräumen in Solingen
Wärme aus der Tiefe

Beim Umbau des Gräfrather Wasserturms zu multifunktionalen Veranstaltunfsräumen nach einer Konzeption von Jan Dinnebier lag der Fokus der Verantwortlichen nicht nur auf der architektonischen oder programmatischen Umsetzung. Die Idee, einen zukunftsweisenden Ort zu schaffen, schloss ebenso die Heiztechnik mit ein.

Martin Schellhorn | jo

Die Geschichte des Gräfrather Wasserturms ist die wechselvolle Vergangenheit eines Baudenkmals. Bis 1983 diente der Turm der regionalen Trinkwasserversorgung. Doch wie so häufig war auch diese Versorgungstechnik irgendwann überholt, und der inzwischen baufällig gewordene Turm verfiel zusehends.
Die Entscheidung, das Objekt unter Denkmalschutz zu stellen, löste nicht das Kernproblem: das einer sinnvollen Nutzung. Bis der Licht-Unternehmer Johannes Dinnebier die Vision einer Metamorphose hatte, die Vision eines elementaren Wandels des Wasserspeichers hin zu einer alles überstrahlenden Quelle von Licht.
Denkmalschutz aufgehoben
Vier Jahre dauerte der Umbau des Wasserturms zum „Lichtturm“. In enger Abstimmung mit den Behörden wurde dazu der Denkmalschutz aufgehoben, um den gemauerten Wasserbehälter durch eine transparente Kuppel aus Stahl und Glas mit umlaufender Balustrade ersetzen zu können. Bis zu 60 Personen fasst dieser Raum, der bislang schon für expressionistische Konzerte oder für Workshops zur Entwicklung von „Leuchtturmprojekten“ genutzt wurde. Auch Vortragsveranstaltungen, in denen sich beispielsweise namhafte Referenten mit dem Thema „Effizienter Energieeinsatz“ auseinandersetzen, stehen regelmäßig auf dem Programm.
Im ursprünglich komplett offenen Schaft des Turmes wurden außerdem vier Ebenen eingezogen. Über eine an der Außenwand geführte Wendeltreppe aus Stahl verbunden, finden darauf eine Bibliothek und ein Büro, eine kleine Küche und eine exklusive Lounge Platz – also die für ein Gebäude solcher Nutzung notwendige Infrastruktur.
Zukunftsweisender Ort
Die Idee, einen zukunftsweisenden Ort zu schaffen, beschränkte sich aber nicht nur auf die architektonische oder programmatische Umsetzung. Sie schloss vielmehr auch die Heiztechnik mit ein. Denn hier wird „Zukunft“, in Form begrenzter Ressourcen, ebenso fassbar wie nach Wasser und Licht eine weitere elementare Komponente des Seins, nämlich Wärme.
In fast schon beispielloser Symbolik zum Licht kontrastierend wurde diese Wärme in der Tiefe des bergischen Erdreichs gefunden: Drei bis zu knapp 80 m abgeteufte Erdsonden versorgen heute eine Geotherm Sole/Wasser-Wärmepumpe von Vaillant mit Energie. So können etwa 75 % der maximalen Heizleistung von 14 kW ressourcenschonend aus der Umwelt gewonnen werden. Dass lediglich 14 kW ausreichen, diesen vergleichsweise voluminösen Baukörper mit seinen 250 m² Grundfläche trotz der energetisch ungünstigen Lage auf einem windumtosten Berg zu beheizen, verwundert dabei nur auf den ersten Blick.
Beim zweiten, genaueren Blick gerade auf den Baukörper wird aber deutlich, wie sehr die „alte“ Bauweise nach dem Intze-Prinzip* dabei hilft. Denn um die ursprünglich statisch mittragende, in die Turmwände abgeleitete Wasserlast nach dem Austausch des Behälters gegen eine filigrane Glas-Kuppel auszugleichen, wurde der Kuppelboden mit 200 m³ Beton ausgegossen – der jetzt als Speichermasse dient. Diese Funktion übernehmen ebenfalls die soliden Außenmauern. Zwischen 50 und 70 cm dick stehen sie für minimale Transmissionswärmeverluste, so dass im „Lichtturm“ ganzjährig ein angenehmes mittleres Temperaturniveau mit nur geringen, zudem langsam verlaufenden Schwankungen besteht.
Das für thermisches Wohlbefinden zugrunde liegende Prinzip „Einmal richtig aufheizen, dann mit vergleichsweise wenig Leistung die Temperatur halten“ wird dabei zusätzlich durch die weitere Nutzung der bereits bestehenden Flächenheizungen auf den Zwischenebenen unterstützt. Ihre gleichmäßige Wärmeabgabe bei gleichzeitig niedrigeren Vorlauftemperaturen – hier weniger als 40 °C – sorgt für deutlich höhere Effizienz, als dies bei konventionellen Radiatoren mit Konvektionswärme der Fall wäre.
Wie Energie sparend diese neue Wärmekombination im Vergleich zur ursprünglichen ist, zeigt anschaulich die Gegenüberstellung von zwei entscheidenden Eckdaten: Statt früher 45 kW „Kesselleistung“ sind es jetzt nur noch 14 kW, und statt der Vorlauftemperatur von heute #40 °C waren es ursprünglich bis zu 80 °C. Damit wurden zwar äußerst kurze Aufheizzeiten selbst beim völlig ausgekühlten Turm erzielt. Gleichzeitig lagen aber auch die Oberflächentemperaturen der Fußbodenheizungen deutlich jenseits jeglichen Komfortempfindens.
Mit der neuen Wärmetechnik hat das Komfortempfinden aber nicht nur in dieser Hinsicht gewonnen: Durch die Natural Cooling-Funktion kann die Erdwärmepumpe im Umkehrmodus über die Flächenheizungen auf den Ebenen die warme Raumluft zu den Erdsonden abführen. Ohne zusätzliche Klimaanlagen wird also der Aufheizeffekt der Glaskuppel abgefangen. Zudem regeneriert sich das Erdreich schneller; im Winter steht damit sogar mehr nutzbare Wärme zur Verfügung als bei rein natürlicher Wiederaufladung.
Der zum „Lichtturm“ avancierte Gräfrather Wasserturm ist damit zweifellos ein herausragendes Beispiel für das große Potenzial, das in solchen historischen architektonischen Landmarken steckt.
Architekten/Planung: Dipl. Ing. Architekt Fritz Figge, Wuppertal Jan Dinnebier, Berlin Tragwerksplanung: Stefan Polónyi, Köln
* Die Intze-Prinzipien: Professor Dr. Otto Intze (1843 – 1904) hat zwei wesentliche Bauprinzipien zur Verteilung drückender Lasten entwickelt, nach denen mehr als 40 Sperrmauern und unzählige Wassertürme errichtet wurden.
Ein nach dem Intze-Prinzip errichteter Wasserturm trägt den Wasserbehälter auf einem sich nach oben verjüngenden, aus Ziegeln gemauerten Turmschaft. Den konvexen Boden des Behälters umgibt ein Ringanker aus Stahl oder Eisen. So werden die Kräfte der gespeicherten Wassermengen ganz gleichmäßig vertikal auf die Schaftmauern abgeleitet. Stabilisierende Querverstrebungen zum Auffangen horizontaler Kräfte sind damit überflüssig.
Bei den meisten um 1900 im Bergischen Land sowie in Sauer- und Siegerland gebauten Talsperren kam ebenfalls ein Intze-Prinzip zum Tragen, und zwar das der speziell ausgeformten Gewichtsstaumauer. Sie haben einen nahezu dreieckigen Querschnitt, einen bogenförmigen Grundriss und wasserseitig eine keilförmige Anschüttung zur gleichmäßigen Verteilung der drückenden Lasten.
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