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Heitere Partitur

Wohnprojekt in Berlin Mitte
Heitere Partitur

Jan R. Krause

Die Spandauer Vorstadt in Berlin Mitte gehört als Flächendenkmal zu den geschützten Quartieren in der Hauptstadt.
Das kulturell bedeutsame Stadtviertel repräsentiert auf dem Stadtgrundriss des 18. Jahrhunderts fast 300 Jahre kontinuierliche Bauentwicklung. Im Nebeneinander von Wohn- und Gewerbebauten ist das Gebiet bis heute dicht und kleinteilig bebaut.
Hier in der schmalen Steinstraße, nahe dem belebten Hackeschen Markt realisierten die Berliner Architekten Carpaneto Schöningh 22 Wohnungen und sechs Gewerbeeinheiten.
Für die ökologisch ausgerichtete Baugemeinschaft fügten sie einen großzügigen Neubau in das von historischen Altbauten geprägte Stadtbild ein. Als Kerngehäuse dieses Baus konzipierten die Architekten einen Riegel, der die südliche Straßenflucht ergänzt und in Tiefe und Höhe dem anschließenden Bestand entspricht.
Im Blockinneren bildet der Baukörper mit dem angrenzenden Altbauwinkel einen Gartenhof. Zur Straßenseite deuten die unterschiedlichen horizontalen Elemente der steinernen Fassade mit Fensterlaibungen und Eingangsbereichen bewusst auf die ehemalige Parzellierung.
Im Blockinneren dagegen spiegelt die plastische Fassade mit der Komposition aus hellen, roten und grauen Faserzementtafeln die ganze Individualität einer heterogenen Bauherrengemeinschaft wider.
Flexible Gebäudestrukturen
Die Bauherren wünschten sich eine innerstädtische Wohnqualität in lichter und transparenter Architektur bei vergleichsweise niedrigen Kosten. Für ihre Vorstellung einer nachbarschaftlichen Gemeinschaft erwarteten sie flexible Gebäudestrukturen. Frei gestaltbare Wohnungsgrundrisse in unterschiedlichen Größen gehörten ebenso zum Anforderungsprofil wie ein Garten als Bestandteil für familiengerechtes und Generationen übergreifendes Wohnen.
So entstanden in der Konzeptionsphase modulare Teilflächen von jeweils 30 und 50 Quadratmetern, die sich vertikal und horizontal koppeln und nach Süden zum Garten um Erker, Terrassen und Balkone ergänzen ließen. Aus all den Begehrlichkeiten entwickelten die Planer, entsprechend den Nutzungsanforderungen und finanziellen Möglichkeiten der zukünftigen Bewohner, das räumliche Gefüge.
Die technischen, konstruktiven und ästhetischen Vorgaben, bestimmt durch Raster, Gebäudeform und Erschließung, fügten sich mit den Vorstellungen der Gruppe und dem Gestaltungswillen der Architekten zu einem dreidimensionalen „Puzzle“ zusammen. Entstanden sind gänzlich unterschiedliche Wohneinheiten unter einem Dach.
Konstruktion mit Raumqualität
Eine klare innere Struktur bildet das Grundgerüst für das kostengünstige Bauwerk in der Steinstraße. Allerdings stellten die Planer der Sparsamkeit der Konstruktion die spürbare Großzügigkeit in Bezug auf Flächen und Raumvolumen gegenüber. Als Tragwerk des Projektes wählten sie Stahlbeton und KSV-Mauerwerk. Gemauerte und betonierte Wandscheiben bilden die aussteifenden Erschließungskerne und zwei weitere Stützreihen. Wie in Fabriketagen gewährt die Stützenkonstruktion mit Plandecken größtmögliche Freiheit bei der individuellen Grundrissgestaltung.
Voraussetzung für das freie Spiel beim „Puzzeln“ war die im Abstand von 2,50 Meter mögliche freie Anordnung massiver gemauerter Wohnungstrennwände. So erstrecken sich die Wohn- und Gewerbeflächen in der Regel mit einer Raumhöhe von 2,70 Meter von der Straße bis zum Hofgarten.
Im Neubau hinter den Treppenhäusern wurden nach Süden orientierte Lufträume mit zweifacher Geschosshöhe von den Bewohnern individuell ausgebaut.
Die neue Fassade zum Hof und die Dachgeschosse wurden komplett in Holztafelbauweise vorgefertigt und mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade ausgeführt. Alle Dacheinheiten mit einer Raumhöhe bis 2,65 Meter bestehen aus zwei Ebenen und haben großzügige Dachterrassen zwischen den Dachhäusern.
Lebendige Fassadenpartitur
Keine der über zwanzig Wohnungen entspricht in Größe, Ausstattung und Grundrissorganisation einer anderen.
Gleichwohl folgen die einzelnen Einheiten der vorgegebenen Gliederung. Die dazugehörigen Fassadenausschnitte verdeutlichen dieses Prinzip. Nur vier unterschiedliche Maße für die Breite von Fassadentafeln und Fenstern erlaubten den Architekten eine sehr variantenreiche Komposition der vorgehängten hinterlüfteten Fassade.
Die gewählten Maße tauchen auch bei Fenster- und Geländerteilungen sowie den Stahlträgern der Balkone wieder auf.
Für die Bekleidung wählten die Architekten durchgefärbte Faserzementtafeln in vier verschiedenen Farben.
Bis auf die schmalen Gesimsbänder sind die hellen, grauen und roten Faserzementtafeln vertikal angeordnet und wechseln mit französischen Fenstern aus lasierter Lärche ab, die flächenbündig in die Fassade integriert sind. In den Vorbauten und im Dachgeschoss lassen sich die Fenster als großformatige Schiebetüren öffnen. Die großen, roten Erker betonen die heitere „Fassadenpartitur“. In ihr gleicht kein Fassadenausschnitt dem andern. So spiegelt gerade die Faserzementfassade zum Hof die Identität des Wohnprojektes in Berlin-Mitte wider.
In dem an Le Corbusier angelehnten, kostengünstigen Raster konnten sich die verschiedenen Beteiligten mit ihren Wohnvorstellungen im scheinbar freien Spiel entfalten. Die individuellen Ausbauten führten zu hellen und transparenten Etagen.
Mitten in der Innenstadt entstand so eine beispielhafte Anlage für familiengerechtes und generationenübergreifendes Wohnen und Arbeiten.
Weitere Informationen
Durchgefärbte Faserzementtafeln bba 516
Architekten: carpaneto.schöningh architekten, Berlin
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