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Prämiert

Neubau eines Wohnhauses in Stuttgart
Prämiert

Bauwerke am Hang stellen Architekten vor besondere Heraus- forderungen. In Stuttgart platzierte das Architekturbüro w67 eine durchdachte Bauskulptur über den Talkessel. Mit der Konstruktion aus Stahlbeton und präzisen Betonfertigteilen gelang ein bemerkenswerter Bau auf einem als unbebaubar geltenden Grundstück.

Filetgrundstücke in zentraler Stadtlage stehen heute nur noch selten zur Verfügung. So war es verwunderlich, dass ausgerechnet an einem der begehrten Stuttgarter Hänge ein unbebautes Grundstück ein verwildertes Dasein fristete. Die Architekten stießen auf der Suche nach einem geeigneten Bauplatz für ihren Bauherrn auf dieses Areal.

Das städtische Gelände mit weitem Blick über das Tal hatte einen entscheidenden Pferdefuß, der frühere Interessenten vermutlich abgeschreckt hat: Ein 140 Jahre alter Mammutbaum ragt hier in den schwäbischen Himmel. Das Naturdenkmal der besonderen Art verteilt seit dem 19. Jahrhundert sein flaches Wurzelwerk auf dem Grundstück. Vermutlich entstammt es Samenkörnern, die auf Erlass König Wilhelms I. von Württemberg für die königliche Forstdirektion in Stuttgart gekauft wurden.
Einschneidende Fundamente oder gar ein großer Aushub kamen auf diesem Grundstück von vornherein nicht in Frage. Vielmehr mussten die Architekten die Stadt als Eigentümerin davon überzeugen, dass der geschützte Baum nicht nur die Bauarbeiten unbeschadet überdauern, sondern auch die Bebauung aushalten könnte. Nun zeugt ihr exponierter Entwurf an dem steilen Nordhang vom besonderen Verständnis und Respekt für den vorgefundenen Ort. Es war ausdrücklich untersagt worden, ein begrüntes Dach einzuplanen. Im Sinne einer umgekehrten Drainage muss das vom Flachdach abgeleitete Wasser gesammelt und wieder dem Erdboden unter dem Gebäude zugeführt werden.
So ist die ausreichende Wasserversorgung des Mammutbaumes auch weiterhin gewährleistet. Das Dach selbst ist als Terrasse mit fulminantem Ausblick begehbar dank einer bituminösen Abdichtung, einer Kiesschüttung und einem Betonplattenbelag.
Nach Art des Brückenbaus
Genau betrachtet, fließt unter dem Betonhaus der Hang nahezu unberührt durch. Bei einer Geschossfläche von 237 m² auf zwei Ebenen auf der Grundstücksfläche von 773 m² konzipierten die Architekten das Haus weitgehend eingeschossig; die Ebene für den Carport mit Abstellräumen liegt auf Grundstücksniveau. Zwischen zwei auskragenden Betondecken schwebt die Wohnetage, die oben von der flachen Dachebene begrenzt ist und umlaufend einen Balkon zeigt. Die Konstruktion dieser frei schwebenden Wohnebene ist durch einen wandartigen Träger gelöst, der hauptsächlich auf drei Schotten und einem monolithisch erstellten, freistehenden Aufzug aufliegt.
Bedingt durch das Gelände, auf Grund des Mammutbaumes und der vor dem Gebäude verlaufenden Stuttgarter Zahnradbahn war eine außergewöhnliche Baustelleneinrichtung nötig. Der nötige Aushub war nur mit einem Schreitbagger möglich. Außerdem musste der Kranauf- und -abbau nachts zwischen 21 und 5 Uhr morgens erfolgen. Um die Stahlbetondecken unter dem Wohngeschoss überhaupt herstellen zu können, erfolgte der Einbau eines Traggerüstes nach Art des Brückenbaus. Hier dienten die von unten sichtbar abschließenden Betonfertigteile als verlorene Schalung. Aufgrund der ungewöhnlichen Gebäudekonzeption tritt die Untersicht des Hauses als fünfte Fassade in Erscheinung. Aus diesem Grund wurde auch hier besonderer Wert auf die Ausführung des Betons gelegt.
Im Innern erfolgte ein wärmegedämmter Fußbodenaufbau mit integrierter Heizung und einem schwarzen Fußboden-Estrich, der leicht angeschliffen und mit einem Expoxidharz versiegelt ist. Ein Fugenbild im großen Maßstab von 2,25 m unterstreicht die elegante Anmutung des Betonbodens. Nach Vorstellung der Architekten hätte sich das Projekt mit der weit auskragenden Bodenplatte ohne Stützen realisieren lassen. Allerdings wären dann wie beim Brückenbau leichte Schwingungen im Gebäude wahrgenommen worden. Daher zog der Bauherr eine zentral angeordnete Betonstütze vor, die ihm statische Sicherheit vor Beben im Wohnraum bietet.
Fassade und eleganter Ausbau
Der Wohntrakt liegt auf 9 m Höhe und bietet, da nahezu rundum verglast, einen überwältigenden Blick ins Tal. Über den massiven Aufzugsturm wird das Haus von unten erschlossen. Im Innern befindet sich hangseitig der Essplatz, welcher in einer vorgelagerten Terrasse seine Erweiterung findet. Man kann also auch über eine seitliche Betontreppe in den Garten aufsteigen und über die obere Gartenebene direkt in den Küchenbereich eintreten. Insgesamt entwickelt sich ein System von differenzierten Außenräumen rund um das Gebäude, unter und auf dem Wohngeschoss. So führt von der Küche aus auch eine Treppe hinauf in einen Atelierraum, der sich zur Dachterrasse auf dem Flachdach hin öffnet.
Die wenigen geschlossenen Außenwände des Einfamilienhauses wurden zweischalig konzipiert, wobei der Rohbauer die tragenden Wände in Ortbeton ausgeführt hat. Einbetonierte Edelstahlanker tragen die Betonfertigteile für die markante Fassade in Sichtbetonqualität. Die Oberfläche dieser Betonfertigteile sind mehrfach gesäuert und dann hydrophobiert worden. Die Säuerung wurde in Handarbeit durchgeführt. Dadurch wirkt die Oberfläche sehr lebendig, als hätte sie schon einen natürlichen Alterungsprozess hinter sich. Zwischen den Schalen sorgt Steinwolle für die nötige Dämmung. Nach Architektenvorgabe wurde das Fugenbild auf die Dimensionen und Ausschnitte des Hauses abgestimmt. Untergelegtes schwarzes Fugenband deckt dabei die Fugen zwischen den präzise verlegten Fertigteilen ab.
An der rechten Gebäudeecke wirkt der Aufzugsturm mit der von einer kräftigen Rauspundschalung strukturierten Betonfassade wie eine haushohe Skulptur. Auch beim Innenausbau ist Sichtbeton in Kombination mit wenigen edlen Werkstoffen der bestimmende Faktor. Der nahezu stützenfreie Raum liegt zwischen dem schwarz durchgefärbten Fußboden und der weiten Betondecke. Alle nichttragenden Wände bestehen aus leichten Abtrennungen mit Holzkern und eleganten Holzeinbaumöbeln. Bad und Ankleide verbergen sich hinter diesen Wandeinbauten nach Art eingeschobener Kuben. Die Wände stehen mit Abstand zur Betondecke und unterstreichen durch Oberlichtbänder den großzügigen Raumeindruck, den die weit gespannte Decke erzeugt.
Geschosshohe Aluminiumfenster (Schüco Royal S) mit schmalen dunklen Rahmen, pulverbeschichtete Flachstahlträger für die Brüstungen der umlaufenden Balkone und Edelstahl für die Handläufe ergänzen das Bild. Die Reduktion auf wenige prägende Materialien führt insgesamt zu einer großen Harmonie der Gestaltung.
Das Betonhaus erhielt beim Architekturpreis Zukunft Wohnen 2007 eine Lobende Erwähnung und wurde von der Landesarchitektenkammer Baden-Württemberg mit dem Prädikat Beispielhafte Architektur ausgezeichnet.
bba-Infoservice Betonfertigteile 518 Sichtbeton 519 www.architekturpreis-zukunft-wohnen.de
Architekten: w67 Architekten, Stuttgart Statiker: Weischede Hermann + Partner, Stuttgart
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