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Zedernholz als Lamellenfassade ermöglicht Tageslichteinfall

Neubau eines Doppelwohnhauses in Amsterdam
Reminiszenz an Piratenschiff

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Ein Haus? Ein Schiff? Eine hölzerne Skulptur? Auf einer künstlich angelegten Insel im östlichen Amsterdamer Hafengebiet ist vor kurzem das Doppelwohnhaus „Freebooter“ (Freibeuter) an Land gegangen. Der ungewöhnliche Entwurf vom Studio GG-loop überzeugt vor allem durch seine experimentell geschwungene Lamellenfassade aus Zedernholz.

Anforderung:

Wohnhaus auf Insel mit maritimen Bezügen und Tageslichtnutzung

Lösung:

Holzfassade als Schiffs-Silhouette: Unterschiedlich angeordnete Zedernholz-Latten für Lichteinfall, Verschattung und Privatheit


Robert Uhde

Der italienische Planer und Designer Giacomo Garziano (Jahrgang 1981) zählt zu den interessantesten jüngeren Architekten seines Landes. Nach einer Mitarbeit u. a. bei Ben van Berkel (UNStudio) sowie bei Maurice Nio (Nio Architects) hat er 2014 sein Amsterdamer Studio GG-loop gegründet und in den Folgejahren zunächst verschiedene experimentelle Entwürfe in den Bereichen Möbeldesign, Interior und Ausstellungsdesign vorgestellt. Große Aufmerksamkeit erregte außerdem die kristallin mit roten Facetten umgesetzte Fassadenneugestaltung seines Elternhauses im apulischen Altamura.

Maritimer Standort

Jüngstes Projekt des Büros ist das komplett in Eigenregie entwickelte und anschließend an zwei experimentierfreudige Bewohnerfamilien verkaufte Projekt „Freebooter“, gelegen auf dem Zeeburgereiland im Osten von Amsterdam. Die dreiecksförmige, im Übergang zwischen dem Fluss IJ und dem IJsselmeer gelegene Insel wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Standort der niederländischen Marine künstlich angelegt, später entstand hier eine Kläranlage. Seit einigen Jahren wird das Eiland jetzt sukzessive zu Wohnzwecken umgenutzt.

Zu den ersten hier fertiggestellten Bauten zählt das Anfang 2019 abgeschlossene Projekt „Freebooter“. Das nach historischen Piraten oder Freibeutern benannte Doppelwohnhaus bietet auf vier Ebenen zwei doppelgeschossig übereinander geschichtete Wohnungen mit einer Bruttogeschossfläche von insgesamt 257 m². Inspiriert von dem maritimen Umfeld entwickelten die Architekten vom Studio GG-loop einen organisch-luftigen Neubau mit transparenter Lamellenfassade aus Zedernholz, der sich trotz seiner ungewöhnlichen Formgebung harmonisch in die durchgehend mit individuellen Entwürfen gestaltete Reihenhauszeile entlang der John Blankensteinstraat einfügt. Die exponierte räumliche Lage des Grundstücks am Ende der Zeile hat dabei gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Kopfbau ein markantes Tor in Richtung Wasser entstehen lassen.

Außen transparent – innen luftig hinter Zedernholz

„Als ich das erste Mal hier war, habe ich sofort das Potenzial des Ortes erkannt“, blickt Giacomo Garziano zurück: „Der Bezug zum Wasser, die Offenheit, die Nähe zur Innenstadt! Schnell hatten wir deshalb die Idee, das Gebäude mit deutlichen Bezügen zum Schiffsbau umzusetzen und damit in der maritimen Historie der Stadt Amsterdam zu verankern.” Wichtigstes Element dazu ist die doppelte Fassadenstruktur aus geschosshoch umlaufenden Glasflächen und jeweils um rund 1 m vorgesetzten Holzlamellen, die das Gebäude oberhalb des leicht zurückspringenden und straßenseitig eher geschlossenen Erdgeschosses umgibt.

Die charakteristisch geschwungene und mit gezielten Ausschnitten umgesetzte Außenhülle prägt das Gebäude innen wie außen und erinnert dabei auf den ersten Blick an den Aufbau alter Segelschiffe. Hinter dem ebenso transparenten wie winddurchlässigen Vorhang steht den Bewohnern ein überaus heller und luftiger Innenraum mit freiem Blick auf die Umgebung zur Verfügung. Als Fortführung und als gelungener Kontrapunkt zur spektakulären Außenansicht entstand ein futuristisches, fast durchgehend mit Decken und Innenwänden aus Kiefernholz (Brettsperrholz von Binderholz) ausgeführtes Interieur, das insbesondere durch seine überraschenden Übergänge zwischen offenen und eher geschlossenen, dabei spontan an Schiffskabinen erinnernden Räumen geprägt ist. Charakteristisch ist außerdem der fließende Wechsel von runden und kantigen Formen in Verbindung mit dem auffälligen Materialkontrast von Holz, Stahl, Glas und hellen Epoxidharzböden. Verstärkt wird der Bezug zwischen innen und außen durch die im Zwischenraum zur Lamellenfassade aus Zedernholz auf sämtlichen Ebenen umlaufenden, mit Lärchenholz beplankten Außengalerien: „Überall haben die Bewohner so das Gefühl, sich an Bord eines Schiffes aufzuhalten, ohne dabei auf ausreichend Sicht- und Sonnenschutz verzichten zu müssen“, erklärt Giacomo Garziano.

Hybrid aus Brettsperrholz und Stahl

Eine Besonderheit des Projekts war die weitgehende Vorfertigung: „Durch die Umsetzung des Gebäudes als Stahlkonstruktion mit Hea-Diagonal- und Vertikalstützen und einem verbindenden HSS-Träger, mit daran montierten Stahlbalkonen sowie mit 161 mm dicken Wänden und 240 mm dicken, ebenfalls vorgefertigten Bodenelementen aus PEFC-zertifiziertem Brettsperrholz war es uns möglich, den Gebäudekern in nur drei Wochen fertigzustellen“, berichtet Giacomo Garziano. „Das gesamte Projekt inklusive Innenausbau konnten wir damit in sechs Monaten abschließen.“

Für die Holzfenster wurde TPAC-zertifiziertes Iroko-Holz verwendet, für die Lamellenfassade kamen vertikal montierte, jeweils 25 mm dicke und je nach Ausrichtung 40 bis 220 mm breite, PEFC-zertifizierte Zedernholz-Latten zum Einsatz.

Neben ästhetischen Gesichtspunkten stand dabei vor allem eine optimierte Verbindung von Tageslichtnutzung, Verschattung und Privatheit im Vordergrund: „Ausgehend von einer exakten Analyse des Sonnenstandes über das Jahr hinweg haben wir die unterschiedlich langen Zedernholzlatten deshalb je nach Ausrichtung in unterschiedlicher Breite integriert und zusätzlich an verschiedenen Stellen gezielt gesetzte Öffnungen ausgespart“, berichtet Giacomo Garziano. Im Ergebnis entstand eine vielschichtig bewegte Außenhülle, die sich trotz ihrer extravaganten Formgebung harmonisch in das maritime Setting einfügt.


Objekt: Doppelwohnhaus „Freebooter“, John Blankensteinstraat, Amsterdam (NL)

Planung/Projektentwicklung: GG-loop, Amsterdam (NL)

Planungsteam: Giacomo Garziano, Robbie Nijzen, Simone Peluso, Daniele Colombati, Jan-Willem Terlouw, Piergiorgio Angius, Luis Cascales, Krzysztof Zinger

www.gg-loop.com

Bauunternehmen: Kolthof, Stiens (NL)

Konstruktion: Pieters Bouwtechniek, Amsterdam (NL)

Beratung: Mabutec, Snelrewaard (NL)

Gebäudetechnik: JF Totaaltechniek, Hilversum (NL)

Bruttogeschossfläche: 257 m2

Fertigstellung: 2019


Architekt Giacomo Garziano: „Ausgangspunkt war die Frage, wie wir den Bewohnern in einem Eckgebäude in dichter städtischer Umgebung optimale Lichtverhältnisse mit maximalem Bezug zu den natürlichen Elementen Wasser und Wind und gleichzeitig ausreichend Privatsphäre bieten können. Die Struktur aus Holzlamellen kombiniert mit einer vollverglasten Fassade und umlaufenden Balkonen schien uns dazu die optimale Lösung zu sein.“


Durch die Hybrid-Konstruktion aus Stahlstützen und -träger zusammen mit Holzelementen konnte das gesamte Projekt inklusive Innenausbau in nur sechs Monaten fertig gestellt werden.


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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