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Zirkulär gebautes Museum von Rapp Architekten aus Basel

Strommasten zu Laubengängen
Zirkulär gebautes Museum

Rapp Architekten aus Basel haben das Elektrizitätsmuseum im schweizerischen Münchenstein saniert und um einen Neubau erweitert. Im Science- und Erlebniscenter »Primeo Energie Kosmos« können sich Interessierte interaktiv mit den Themen Klima und Energiewende auseinandersetzen. Klimaneutral sollte deshalb auch der Neubau sein: Er wurde weitgehend in zirkulärer Bauweise errichtet.

Anforderung:

Möglichst klimaneutraler Neubau für ein Museum rund um die Themen Klima und Energie

Lösung:

Zirkuläre Bauweise mit Bauteilen, die wiederverwendet, recycelt oder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurden und/oder selbst wieder rezyklierbar sind


In früheren Zeiten war es eine durchaus übliche Praxis, Baumaterialien von Ruinen und Abbruchhäusern für Neubauten einzusetzen. Erst mit fortschreitender Technisierung haben wir verlernt, mit Baustoffen sparsam und ökologisch umzugehen.

Inzwischen befinden wir uns allerdings erneut in einer Umbruchphase: Angesichts des Klimawandels und des hohen CO2-Ausstoßes, an dem nicht zuletzt die Bauwirtschaft wesentlich beteiligt ist, findet eine Umbesinnung statt. Einige Architekturbüros befassen sich bereits intensiv mit Recycling und Re-Use von Bauteilen und haben auf ihrem Weg »zurück in die Zukunft« erste Erfahrungen gesammelt – so auch die Architekten der Rapp AG.

Zirkulär gebauter Erweiterungsbau für den Primeo Energie Kosmos von Rapp Architekten
Beim Erweiterungsbau wurden möglichst viele rezyklierte Bauteile und ökologisch verträgliche Baustoffe eingesetzt. Bild: Beat Ernst, Basel

Erlebnisshow und Experimentierstationen

Für den Schweizer Energielieferanten »Primeo Energie« haben Rapp Architekten den »Primeo Energie Kosmos« errichtet: ein Science- und Erlebniscenter, in dem sich Interessierte interaktiv mit den Themen Klima und Energie auseinandersetzen können. Anlässlich des 125-jährigen-Jubiläums der EBM (Genossenschaft Elektra Birseck Münchenstein) wurde dafür das bereits bestehende Elektrizitätsmuseum saniert und durch einen Neubau ergänzt – und der gesamte Komplex im Oktober 2022 eröffnet.

Sowohl im sanierten und modernisierten Altbau als auch im Neubau ist erlebbar, was der Klimawandel bedeutet und wie die Energiewende geschafft werden kann. Neben einer rund 45-minütigen Erlebnisshow im ehemaligen Elektrizitätsmuseum stehen im Neubau auf zwei Stockwerken ausgewählte Experimentierstationen rund um Phänomene zu Klima- und Energiethemen zur Verfügung.

Erklärtes Ziel »Rezyklierbarkeit«

Auch das Gebäude selbst macht die Themen Klimaschutz, Energie und Nachhaltigkeit erlebbar: Mehr als zwei Drittel seiner Bauteile sind wiederverwendet, recycelt oder aus nachwachsenden Rohstoffen und stammen, wann immer möglich, aus der Region, um graue Energie zu vermeiden.

Wenn Re-Use aus statischen, juristischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich war, so sollte das neue Material selbst wiederverwertbar sein, damit es in der Zukunft dem Kreislauf zugeführt werden kann – also hochwertig und von dauerhafter Qualität, sortenrein und unbehandelt. Ein rezykliertes Gebäude, das selbst wieder rezyklierbar sein wird, war das erklärte Ziel.

Wendeltreppe im Primeo Energie Kosmos
Spindeltreppe im 1. Obergeschoss. Bild: Beat Ernst, Basel

Zweites Leben für Baustoffe

Das dreigeschossige Hauptvolumen ist ein reiner Holz-Skelettbau mit großen Spannweiten von rund sieben Metern. Die Konstruktion des roh belassenen und unverkleideten Massivholzes aus der Region ist im Innern sichtbar.

Im zweigeschossigen Luftraum ragt eine Spindeltreppe aus Stahl empor. Für den Treppenbelag wurde das Holz wiederverwendet, das von der eigenen provisorischen Bautreppe übrig war. Die Holzdielen in den Obergeschossen stammen zur Hälfte aus einem Bootshaus von 1911 in Kaiseraugst.

Andere alte Bauteile im Innenausbau kommen aus der Bauteilbörse in Klybeck (Basel), darunter eine komplette Küche. Alle Nasszellen sind fast ausschließlich mit ausrangierten Elementen wie Waschbecken, Trennwänden oder Armaturen eingerichtet, und die gefliesten Oberflächen stammen aus Restposten bzw. aus aussortierten Produktionen.

Das gesamte Beleuchtungskonzept basiert auf Leuchten aus Abrissobjekten. Dafür wurden die Leuchten teilweise repariert und mit modernen LED-Leuchtmitteln bestückt.

Auch bei der Fassadenverkleidung des Holzbaus konnten Rapp Architekten auf Restmaterial einer anderen Baustelle – einer großen Wohnsiedlung im Raum Luzern – zurückgreifen. Der günstige Verschnitt aus Kompaktlaminat bestand aus unterschiedlich kleinen Teilen, was einen Mehraufwand bei der Planung und Montage sowie ästhetische Kompromisse erforderte.

Zirkulär gebauter Erweiterungsbau für den Primeo Energie Kosmos von Rapp Architekten
Ansicht von Norden. Bild: Beat Ernst, Basel

Hochspannungsgittermasten für Laubengänge

Eine zentrale Rolle spielen die 60 Jahre alten Hochspannungs-Gittermasten, die als Schrottmaterial dem Netzbetreiber Swissgrid abgekauft wurden. Anstatt eingeschmolzen zu werden, ummanteln sie jetzt die Laubengänge, die eine ebenfalls stählerne Gitterstruktur rund um den hölzernen Kubus bilden.

Ursprünglich sollten die gebrauchten Masten tragend eingesetzt werden, doch da die außenliegenden Gänge auch als Fluchtweg dienen, ließen die Baubestimmungen dies nicht zu. So bilden die ehemaligen Strommasten jetzt ein Rankgerüst für Kletterpflanzen, was wiederum der Verschattung und damit dem (Raum-)Klima dient. Zudem sind die Laubengänge eine nicht zu beheizende Erschließungszone, sodass das Innenvolumen reduziert werden kann.

Innen kehrt das Masten-Motiv an den Brüstungen wieder.

Blick vom Erdgeschoss in den Galeriebereich mit sichtbarer Holzkonstruktion
Blick vom Erdgeschoss in den Galeriebereich. Bild: Beat Ernst, Basel

Planen der Zukunft als Prozess

Um all die vielen unterschiedlichen Bauteile und Materialien koordinieren zu können und bei Bedarf zu variieren, arbeiteten auch die Architekten der Partner-Baustellen mit detailliert ausgearbeiteten digitalen Modellen, sodass die Mengen und Geometrien des Restmaterials wie etwa der Fassadenplatten frühzeitig planbar waren. Denn der Planungsprozess wird bei dieser Bauweise gewissermaßen umgekehrt: Er musste sich an den vorhandenen Bauteilen orientieren und sich entsprechend anpassen.

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass das Planen und Bauen der Zukunft als Prozess verstanden werden muss – denn es verlangt von allen Akteuren viel Flexibilität sowie die Bereitschaft zum Umdenken und zu Kompromissen. Die Mehrkosten für die Planung und die notwendige qualifizierte handwerkliche Arbeit werden durch die geringeren Materialkosten wieder ausgeglichen.

Es findet also – obwohl die Baukosten unter dem Strich mit einem konventionellen Neubau vergleichbar sind – eine Verlagerung der Wertschöpfung statt: Hin zum Handwerk und zu einer neuen Rolle des Architekten – und hin zur Digitalisierung. Denn das eigentlich traditionelle zirkuläre Bauen kann durch digitale Prozesse einfacher und effizienter werden. So können möglichst viele Teile im Kreislauf bleiben, und der Heraklit zugeschriebene Gedanke, dass »Alles fließt«, findet hier seine architektonische Entsprechung.


Projekt: Sanierung Elektrizitätsmuseum und Neubau Science- und Erlebniscenter »Primeo Energie Kosmos«

Standort: Weidenstrasse 8, 4142 Münchenstein, Schweiz

Bauherr: Primeo Energie

Architekten: Rapp AG, Basel
www.rapp.ch


Info: Das Bauprojekt ist Teil einer Studie des Schweizer Bundesamts für Energie (BFE). Dieses analysiert, wie groß die wirtschaftlichen und nachhaltigen Auswirkungen einer Kreislaufwirtschaft auf den gesamten Lebenszyklus von Bauprojekten tatsächlich sind.


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