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Hochwasserschutz - TU Berlin: Bebauungsverbote dürfen kein Tabu sein

Hochwasserschutz
TU Berlin: Bebauungsverbote dürfen kein Tabu sein

TU Berlin: Bebauungsverbote dürfen kein Tabu sein
Ein wirksamer Schutz vor Sturzfluten wird nicht ohne millionenschwere Investitionen und harte Maßnahmen möglich sein, meint Prof. Dr. Hinkelmann von der TU Berlin. Bild: Gina Sanders/stock.adobe.com

Dr. Reinhard Hinkelmann ist Professor für Wasserwirtschaft und Hydrosystemmodellierung an der TU Berlin. Er fordert Konsequenzen aus den Sturzflutereignissen in Deutschland. Für einen besseren Hochwasserschutz dürften auch Bebauungsverbote kein Tabu sein.

„Derzeit gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Regelungen, die den Überflutungsschutz vor Sturzfluten, sogenannten »Flash floods«, in kleinen Einzugsgebieten regeln. Deshalb sind in den nun überfluteten Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bislang auch keine oder kaum Überflutungsschutzmaßnahmen durchgeführt worden. Das wird sich ändern müssen. Der umfangreiche, sehr gute Hochwasserschutz in Deutschland ist bislang auf Flusshochwasser ausgelegt“, so Prof. Dr. Hinkelmann.

Der Unterschied zwischen Flusshochwassern – wie beispielsweise 2002 und 2013 an der Elbe – und den jetzt stattgefundenen Sturzfluten ist, dass diese aus Extremniederschlägen in kleinen Einzugsgebieten hervorgegangen sind. Sie sind gekennzeichnet durch sehr schnelle Abflussprozesse von Bergen und Hängen über Bäche, die schließlich zu Strömen werden –  und haben im Vergleich zu den Hochwassern großer Flüsse sehr kurze Vorwarnzeiten. „Dadurch sind untere und mittlere Hanglagen sowie Tallagen nahe von Bächen besonders gefährdet“, so Hinkelmann.

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Drastische Veränderungen, hohe Investitionen

Ein wirksamer Schutz vor solchen Sturzfluten werde nicht ohne kostenintensive, millionenschwere Investitionen und harte Maßnahmen möglich sein, so Hinkelmann. Dazu gehörten z.B. der Bau großer Ableitsysteme vor Siedlungen, in die Landschaft eingepasste Dämme sowie versenkbare Mauern und Geschiebesperren im Ober- und Mittellauf der Bäche – wie sie aus dem alpinen Raum bekannt sind –, um Bäume und Geröllmassen zurückzuhalten.

Wichtig werde sein, die Schutzmaßnahmen den lokalen Gegebenheiten anzupassen. Aber auch Veränderungen in der Siedlungs- und Landschaftsplanung wie weitere Bebauungsverbote in überflutungsgefährdeten Bereichen dürften kein Tabu sein. „Wir müssen über Maßnahmen nachdenken, die über das Existierende hinausgehen, und damit meine ich auch, dass wohl überlegt werden muss, ob die jetzt weggerissenen Gebäude an ihren ursprünglichen Stellen wiedererrichtet werden sollten.“

Noch extremere Wetterereignisse als Bemessungsgrundlage

Eine weitere Konsequenz aus den Extremwettereignissen der letzten Tage sei, die Bemessungsgrundlage für die Hochwasserschutz-Maßnahmen zu ändern. „Zurzeit werden die meisten Hochwasserschutz-Maßnahmen für ein Flusshochwasser ausgelegt, das statistisch einmal in 100 Jahren auftritt. Hier ist über erhöhte Bemessungsereignisse nachzudenken, also sich an noch extremeren Wetterereignissen zu orientieren, wie sie zum Beispiel alle 200 Jahre auftreten könnten“, so Reinhard Hinkelmann.

Die Hochwasserschutz-Anlage in der sächsischen Kleinstadt Grimma, die nach der Flutkatastrophe von 2002 an der Elbe gebaut wurde, ist Reinhard Hinkelmann sehr gelungen – wenngleich sie keine Blaupause für all die jetzt betroffenen Kommunen sein kann, da in Grimma der Denkmalschutz eine gewichtige Rolle spielte. „Zudem dauerte die Umsetzung der Hochwasserschutz-Maßnahmen 17 Jahre. Für die Maßnahmen, die jetzt nötig sind, um die Siedlungen an den Ober- und Mittelläufen der Bäche und in Tallagen zu schützen, sollten wir nicht weitere 17 Jahre brauchen“, so Hinkelmann.

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Druck auf die Politik

Die Extremniederschläge resultieren seiner Einschätzung nach aus den Folgen des Klimawandels. Das bedeute für den Hochwasserschutz, dass die Auswirkungen des Klimawandels seitens der Politik intensiver angegangen werden müssten. „Auch zukünftig werden wir keinen 100-prozentigen Hochwasserschutz haben, das Schutzniveau wird voraussichtlich auch nach dem Umsetzen vieler weiterer Maßnahmen sinken, das Leben wird riskanter. Das wird den Druck auf die Politik weiter erhöhen“, urteilt Reinhard Hinkelmann.


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