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Nachwachsende Rohstoffe - High-Tech-Brücke mit Flachs gebaut

Nachwachsende Rohstoffe
High-Tech-Brücke mit Flachs gebaut

Eine alte Kulturpflanze wird gerade neu entdeckt: Flachs. Kombiniert mit einem speziellen Bioharz entsteht aus Flachs ein leichter und hochstabiler Werkstoff, der mit Aluminium oder Stahl vergleichbar ist. Im niederländischen Almere wurde gerade eine High-Tech-Brücke aus dem vielversprechenden Bioverbundstoff gebaut – zwei weitere sollen folgen.

Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung werden in der Bauindustrie immer wichtiger. Insbesondere Tragwerke bieten hier ein großes Potenzial – vor allem, wenn sie auf erneuerbaren, nicht-fossilen Materialien basieren. Im Rahmen eines EU-Projekts wird deshalb gerade ein neuartiger Bioverbundstoff aus Flachs und Bioharz für den Brückenbau erprobt. Die Naturfasern sorgen für Steifigkeit und Festigkeit; das Bioharz verbindet die Fasern miteinander, wodurch ein starkes und leichtes Material entsteht. Der Bioverbundwerkstoff bietet eine große Formfreiheit und ermöglicht strukturoptimierte, ressourceneffiziente und gleichzeitig elegante Konstruktionen. 

Insgesamt drei Brücken für Fußgänger und Radfahrer sind aus dem neuartigen Material geplant. Die erste »Smart Circular Bridge« mit einer Spannweite von 15 Metern ist Teil der internationalen Gartenbauausstellung Floriade Expo im niederländischen Almere. Realisiert wurde sie von einem interdisziplinären Konsortium aus 15 Partnern unter Führung der Technischen Universität Eindhoven. Zwei weitere Brücken entstehen in Ulm (Deutschland, 2022) und Bergen op Zoom (Niederlande, 2023). 

Neben den zu 100 Prozent natürlichen Flachsfasern stammt auch das Harz für den neuartigen Bioverbundwerkstoff soweit wie möglich aus nicht-fossilen Quellen. Der Anteil des Bioharzes beträgt beim ersten Bauwerk 25 Prozent, doch schon bei der nächsten Brücke soll er auf 60 Prozent steigen – durch den Einsatz von Abfall-Produkten aus der Bio-Diesel-Herstellung sowie chemisch recycelten PET-Flaschen.

Beschleunigung der Materialforschung mit KI

Bioverbundwerkstoffe sind für die Baubranche eine große Chance – doch noch ist eine intensive Forschungsarbeit nötig. Deshalb kommt bei den drei Brücken  ein ausgeklügeltes Überwachungssystem zum Einsatz. Knapp 100 Sensoren liefern Daten zum Materialverhalten im Alltag: Wie verhält sich das Bauwerk, wenn 200 Menschen zeitgleich darüber laufen? Was geschieht zu verschiedenen Jahreszeiten, bei Sturm, Hagel und Schnee? Wie verläuft der Alterungsprozess des Materials im Detail?

Das sogenannte »Structural Health Monitoring«-System erkennt strukturelle Veränderungen und mögliche Materialverschlechterungen wie Ermüdung. Es kann eine frühzeitige Warnung ausgeben, wenn vorgegebene Grenzwerte erreicht werden. Die vor Ort gesammelten Daten werden mit umfangreichen Forschungs- und Labortestdaten (mit beschleunigten Bewitterungs- und Kriechverformungstests) verglichen. Das Überwachungssystem sammelt Informationen über das mechanische Verhalten, Maßänderungen sowie Umwelteinflüsse wie Temperatur und Feuchtigkeit. Die Auswertung der Daten erfolgt mithilfe von künstlicher Intelligenz, um Muster im Materialverhalten zu erkennen. Diese Daten können in einem Dashboard auf einer öffentlichen Website eingesehen werden.

Durch die Kombination der Labortests mit den ständigen Überwachungsdaten vor Ort wird ein Höchstmaß an Sicherheit für die Nutzung gewährleistet; zudem werden auch umfangreiche wertvolle Informationen für die Planung und Optimierung weiterer Brücken und anderer Bauwerke gesammelt. „Die aktuellen Ergebnisse stimmen optimistisch: Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft Brücken mit deutlich größeren Spannweiten und höheren Belastungen bauen werden“, so Professor Dr. Patrick Teuffel von der TU Eindhoven.

Aktuell forschen Teams zudem an Stützen und Fassaden-Elementen. Denkbar sind auch Rotorblätter von Windkrafträdern.

Die Stadt von morgen als Biotop

»End of Life« von Anfang an im Blick

Wichtiger Teil der Forschung ist auch die Frage nach der Kreislauffähigkeit des Materials. Was passiert mit dem Werkstoff, wenn die Brücken nach vielen Jahrzehnten das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht haben? Derzeit sind drei Möglichkeiten denkbar: mechanisches, chemisches oder sogar biologisches Recycling mit Pilzen. 

In den nächsten Jahren müssen in Europa Zehntausende Brücken ersetzt werden – deshalb lohnt es sich, hier über alternative Werkstoffe nachzudenken. Das EU-Projekt »Smart Circular Bridge« zeigt jedoch weit mehr als Brücken-Konstruktionen. Es nutzt nachwachsende Rohstoffe auf innovative Art und Weise und demonstriert über den Brückenbau hinaus, welches Potenzial eine klimafreundliche Bioökonomie für die Bauwirtschaft hat. 


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