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Fast wie wachgeküsst

Sanierung eines Kontorgebäudes in Lichtenstein bei Zwickau
Fast wie wachgeküsst

Schon heute macht Bauen im Bestand etwa 60 % der gesamten Tätigkeit von Architekten aus. Sanierungen, Um- und Ausbauten sind Herausforderungen für die Planer, die anstelle von Standardlösungen nach individuellen Antworten für jede neue Aufgabe suchen. So auch in Lichtenstein, einer Gemeinde zwischen Zwickau und Chemnitz, wo ein altes Gründerzeitgebäude nach den Plänen von Bauconzept revitalisiert wurde.

Dipl. Ing. Marc Nagel

Lichtenstein ist eine überschaubare Gemeinde mit etwa 13 000 Einwohnern in der Nähe von Zwickau und Chemnitz. Hier ist auch der Sitz der Planungsgesellschaft Bauconzept, die seit 1993 stetig wächst und so im Jahr 2007 zusätzlichen Raum für die gewachsene Zahl der Mitarbeiter benötigte. Da man am bisherigen Standort in der Altstadt und unweit des Lichtensteiner Schlosses bleiben wollte, schaute man sich in unmittelbarer Umgebung des Unternehmenssitzes an der Bachgasse nach Lösungsmöglichkeiten um.
So stieß man auf das direkt benachbarte alte Gebäude aus dem Jahr 1870, das allerdings leer stand und bereits durch verschiedene Rückbaumaßnahmen und Umbauten kaum an seine historische Vergangenheit erinnerte. Eigentlich eher ein Kandidat für den Abriss als für eine historische Sanierung. Doch nachdem der Geschäftsführer Christoph Rabe von Bauconzept auf alte Bilder und Pläne gestoßen war, entschloss man sich zur großen Lösung und ging den aufwendigen Weg der Sanierung und Revitalisierung des Gründerzeitbaus. Dies war vor allem auch städtebaulich ein wichtiger Schritt, da es sich beim sogenannten Kontorgebäude um eines der wenigen noch originalen Beispiele seiner Bauepoche in Lichtenstein handelt.
Rückbau und Umbau
Ab Oktober 2007 wurde mit den Umbauarbeiten begonnen, die in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalpflege erfolgten und letztlich, soviel sei bereits erwähnt, zum Denkmalschutz des typischen gründerzeitlichen Geschäfts- und Wohnhauses führten. Als Geschäfts- und Wohnhaus wurde das Eckhaus allerdings nicht durchweg genutzt. Um die Jahrhundertwende im Erdgeschoss als Gaststätte betrieben, übernahm es der Unternehmer Max Ludwig Wach als Wohn- und Verwaltungssitz für seine benachbarte Strickwarenfabrik, in der heute ebenfalls Bauconzept einen Teil ihrer Büros hat. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude allerdings architektonisch vernachlässigt und rein funktional genutzt. So entstand eine gesichtslose Lochfassade, die statt der mit spätklassizistischen Elementen geschmückten Außenhaut Verwendung fand. Zudem wurde die ehemals mit kleinen Gauben versehene Dachkonstruktion durch ein neues Dach ersetzt, dessen Hauptelement ein Mansarden-Geschoss war. So der Stand zu Beginn der Planungen.
Städtebauliche Bedeutung
Betrachtet man das Eckgebäude heute, dann fällt auf, dass es gemeinsam mit der ehemaligen Strickwarenfabrik sowie einem in dessen Folge befindlichen Neubau ein Ensemble und damit eine klare Straßenlinie bildet und die Bachgasse zum kanalisierten Bachbett hin klar definiert. Auch der Standort in der Altstadt Lichtensteins sowie die sichtbare Nähe zum Schloss auf dem Schlossberg zeigen, wie wertvoll die historische Rekonstruktion des Eckgebäudes ist. Auf diese Weise erhält der ansonsten wenig durch historische Bausubstanz aus der Gründerzeit geprägte Ort ein wenig geschichtliches Flair. In diesem Zusammenhang macht es auch Sinn, dass die Planer von Bauconzept den Weg der historisch möglichst nahen Rekonstruktion der Fassade gewählt haben. Ein Vorgehen, dass hier eher nachvollziehbar ist als die Neubauten in historischem Kleid am Dresdner Neumarkt.
Saniert und angepasst
Dabei wurde das Eck- oder Kontorgebäude so rekonstruiert, dass es nahe am Original liegt, trotzdem aber modernen Ansprüchen genügt. Vor allem die Fassadenöffnungen im Obergeschoss sowie die kleine Attika am Eck des Gebäudes wurden mit Ornamenten geschmückt und erhalten so ihr ursprünglich spätklassizistisches Bild zurück. Diese heute nicht mehr alltäglichen Aufgaben wurden an Stuckhaus Scherf und Ritter vergeben.
Das Erdgeschoss dagegen erhielt eine horizontale Kannelierung, was dem Bau insgesamt gut tut. Hier weichen die Planer vom historischen Original ebenso ab wie beim Dach. Dieses wurde aus praktischen Gründen der Belichtung nicht mit den kleinen Gauben aus dem Vorbild rekonstruiert, sondern mit großen Gauben versehen, die aber zum Gesamtbild des Gebäudes passen. Eingedeckt wurde das Dach von Kempt & Schneider mit Naturschiefer nach altdeutscher Deckung. Die in der Nachkriegszeit angebrachte Dachkonstruktion wurde dabei völlig entfernt.
Sehr behutsam ging man bei den Fassadenöffnungen vor. Diese wurden im Erdgeschoss wie im Original mit Stichbogen ausgeführt und erhielten Sandsteingewände. Auch die Farbgebung mit einem sandig-schlammigen Farbton wurde historisch rekonstruiert und mit dem Denkmalamt abgeklärt.
Aus Gründen der Funktionalität und um die Zusammengehörigkeit der beiden historischen Gebäude zu unterstreichen, wurde zwischen dem Kontorgebäude und der ehemaligen Fabrik eine Glasbrücke gespannt. Diese stellt allerdings den im Außenbild einzigen Wermutstropfen dar. Zwar ist die Brücke an sich recht elegant und gefällig, doch ihre Position stört das Gesamtbild des Ensembles. Im Bereich der Fabrik beginnt sie auf Höhe des ersten Obergeschosses und schiebt sich dann aber in die Fassade des Kontorgebäudes unpassend hinein. Dass es sich dabei um eine funktionale Lösung handelt, sieht man auch an der an dieser Stelle vorgenommen Anpassung des Daches. Es weicht an dieser Stelle vom historischen Vorbild ab und bildet eine kleine Extra-Gaube für den Zugang der Brücke. Von außen betrachtet scheint die Glasbrücke so auf mittlerer Höhe des Obergeschosses anzukommen. Ein Eindruck, der tatsächlich nicht täuscht, innen jedoch elegant mit einer Holztreppe gelöst wurde.
Konstruktiv
Trotz der gestalterischen Kritik ist die gläserne Brücke jedoch ein besonderes Element. Mit einer Spannweite von 7,65 m ermöglicht sie die einfache und witterungssichere Verbindung zwischen den beiden Bürogebäuden von Bauconzept. Weil sie komplett verglast ist, wirkt sie zudem recht filigran und bietet ein besonderes Erlebnis beim Übergang von einem zum anderen Bau. Rechtlich bedurfte es zum Bau der Brücke einer Zustimmung im Einzelfall, da es sich um eine Spezialanfertigung handelt. Ausgeführt wurde die Glasbrücke dabei von Metallbau Malitz aus Gersdorf, die bei diesem Projekt eng mit der Universität Dresden und GSK (Glas Statik Konstruktion) zusammen arbeiteten.
Innen angekommen
Im Inneren des Kontorgebäudes angekommen, fallen die insgesamt für ein historisches Gebäude nicht übliche Großzügigkeit sowie die Helligkeit auf. Dies wurde dadurch erreicht, dass man alle nicht tragenden Wände entfernte und so die kleinteilige Raumstruktur aufbrach. Zudem trägt weiß als Grundton von Decken und Wänden dazu bei, dass das Licht auch bis in entlegene Ecken reflektiert wird. Als Hauptverbindung zwischen dem Obergeschoss und dem Dachbereich dient eine dem Original nachempfundene massive Holztreppe aus Eiche mit weißen Sprossen. Sie beginnt gegenüber der bereits erwähnten Holztreppe, die den Höhenversprung zwischen ankommender Glasbrücke und Geschossboden ausgleicht. Auch sie ist mit Eichenholz belegt, das sich zudem auf den Böden im gesamten Erschließungsbereich findet. Hierbei wurde ein vollflächig geklebter Parkettboden mit Hartwachsöl verlegt.
Moderne Arbeitsatmosphäre
In den Arbeitsräumen herrscht im Gegensatz zur Fassade eine sehr moderne und nüchterne Stimmung vor. Mit Büromöbeln von USM Haller ausgestattet und einem grauen Nadelvlies-Belag, Textimex Sanyl GT impuls, sowie vielen weißen Flächen, wirken die Zimmer sehr klar und strukturiert aber auch großzügig. Beleuchtet werden die Arbeitsplätze mit Deckenflutern Trilux Athenik, die nicht nur ein angenehmes Licht spenden, sondern auch die individuelle und damit energiesparende Beleuchtung eines Arbeitsplatzes zulassen. So kann nur der Platz ausgeleuchtet werden, der auch genutzt wird.
Geht man über die Glasbrücke vom Kontorgebäude zum anderen Bürobereich in der ehemaligen Strickwarenfabrik, dann gelangt man in einen im Zuge von Sanierung und Umbau ebenfalls neu gestalteten Bereich. Um diese eigentliche Transferzone nutzbar zu machen wurde der Vorraum zum Glasübergang als Kommunikations- und Besprechungstreffpunkt sowie als Internet-Café ausgebaut. So findet sich hier ein Tresen als Besprechungstisch, der ebenso wie die Platte der Küche aus LG Hi-Macs besteht, geliefert von Rosskopf & Partner. Zudem wurden Einbauschränke von Wohnidee aus Gersdorf eingebaut, die die üblichen Utensilien aufnehmen. Zusammen mit einer Kaffee-Maschine, zwei Internet-Terminals sowie den Barhockern LEM von LaPalma ergeben diese Elemente eine angenehme Kommunikationsatmosphäre für geschäftliche Besprechungen oder das private Gespräch unter Kollegen. Als Kontrast zu den weißen Möbeln dient dabei ein dunkler Parkettboden in Stäbchenoptik aus gerauchter Eiche. Zudem wird der Besprechungstresen von Pendelleuchten (Gun von Targetti Esedra) in Szene gesetzt.
Fazit
Bedenkt man die Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Sanierung und wie in diesem Fall sogar Revitalisierung eines Gebäudes mit historischer Bausubstanz, dann darf man das Bürogebäude von Bauconzept in Lichtenstein durchaus als gelungen bezeichnen. Ein Urteil, das trotz Schönheitsfehler wie dem Brückenübergang von ehemaliger Fabrik zum Kontorgebäude bestehen bleibt. Hier hätte es bestimmt auch eine andere Lösung gegeben, da es sich aber um die historische Rekonstruktion eines eigentlich abbruchreifen Hauses handelt, ist ein Lob für die Rettung der in Lichtenstein nur selten vorhandenen Gründerzeitarchitektur einer allzu harschen Kritik an Mängeln vorzuziehen. Denn was bleibt, ist ein Gewinn für die Stadt und das Unternehmen Bauconzept.
Christoph Rabe, Geschäftsführer Bauconzept: „Mir liegt die Revitalisierung historischer Gebäude außerordentlich am Herzen. Als eines der wenigen original erhaltenen Bauwerke der Gründerzeit in Lichtenstein ist das Kontorgebäude etwas ganz Besonderes. Durch die Eckformation ist es auch städtebaulich von herausragender Bedeutung.“
Architekten: Bauconzept Planungsgesellschaft mbH, Lichtenstein
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