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Erste doppelgekrümmte Textilbeton-Fassade realisiert

Größtmöglicher Entwurfsspielraum für Architekten
Erste doppelgekrümmte Textilbeton-Fassade realisiert

Erste doppelgekrümmte Textilbeton-Fassade realisiert
Das doppelgekrümmte Textilbeton-Fassadenelement wiegt rund 200 Kilogramm weniger als ein entsprechendes Stahlbeton-Pendant. Bild: Stanecker GmbH

Mit diesem Baustoff lassen sich spektakuläre Fassaden einfach und effizient gestalten: In Zusammenarbeit mit dem Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen und der Stanecker Betonfertigteilwerk GmbH hat Penn Textile Solutions aus Paderborn die weltweit erste doppelgekrümmte Textilbeton-Fassade realisiert. Architekten verfügen damit über deutlich mehr Gestaltungsfreiheit bei der Entwicklung von Betonfassaden – bei gleichzeitig wirtschaftlicherer Umsetzung.

In der Entwurfsphase von Gebäuden sind doppelgekrümmte Flächen häufig Teil des Konzepts. Realisiert werden sie jedoch selten – meist aus Kostengründen. Eine Tatsache, die nicht nur dem Entwurfswillen der Architekten widerspricht, sondern auch dafür sorgt, dass bereits vorproduzierte Materialien und Elemente das städtebauliche Bild bis heute prägen. Seit vielen Jahren wird deshalb an der Entwicklung von Bausystemen gefeilt, die individuelle Gestaltung sowie wirtschaftliche Umsetzung vereinen.

Ein Material, das die Gestaltungmöglichkeiten von Fassaden zukünftig revolutionieren soll, hat das UnternehmenPenn Textile Solutions nun in Zusammenarbeit mit dem Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University und der Stanecker Betonfertigteilwerk GmbH entwickelt. Im Rahmen des Forschungsprojektes „CurveTex – Entwicklung einer drapierfähigen Textilbewehrung zur Herstellung doppelgekrümmter Textilbeton-Elemente“ konnte die weltweit erste doppelgekrümmte Textilbeton-Fassade realisiert werden.

„Mit dieser Neuentwicklung vereinen wir alle Vorteile des Textilbetons und ermöglichen die Drapierung von Beton ohne Faltenwurf. Möglich ist künftig eine flexible, nachhaltige und wirtschaftliche Gestaltung anspruchsvoller Fassaden mit Beton“, sagt Markus Regenstein, Geschäftsführer Penn Textile Solutions. Freie Formen sowie wellenförmige oder kreisrunde Strukturen lassen sich damit problemlos umsetzen, der Formenvielfalt sind kaum Grenzen gesetzt.

Baustoff der Zukunft

Textilbeton ist ein Verbundwerkstoff, der aus einer Betonmatrix und Hochleistungsfaserstoffen wie zum Beispiel Carbon besteht. Zur Herstellung der textilen Bewehrung werden aus unzähligen Endlos-Filamenten zunächst Faserstränge und schließlich textile Gelege mit einem Gitter in der gewünschten Maschenweite erzeugt. Die textile Bewehrung wird mittels unterschiedlicher Verfahren schließlich in einen Feinbeton eingebettet.

Seit Mitte der 1990er Jahre wird der Werkstoff an den Universitäten in Dresden und Aachen erforscht und weiterentwickelt. „Das korrosionsbeständige Material kommt mit einer sehr geringen Betondeckung aus, bietet dabei eine extrem hohe Tragfähigkeit und eine lange Lebensdauer. Aufgrund der Wandstärken von nur wenigen Zentimetern ermöglicht Textilbeton die Herstellung extrem leichter und schlanker Bauteile“, erklärt Gözdem Dittel, wissenschaftliche Mitarbeiterin des ITA der RWTH Aachen University.

Neue Entwurfsspielräume

Die Idee des Textilbetons an sich ist nicht neu. Allerdings konnten Textilbeton-Elemente bisher nur als flache Platten, flache Sandwichstrukturen oder einfach gekrümmte Baustrukturen hergestellt und eingesetzt werden. Die Formbarkeit und Drapierfähigkeit der bisher genutzten Standardtextilien war aufgrund der nicht-elastischen, textilen Gitterstruktur begrenzt.

Zur Herstellung doppelgekrümmter Elemente waren diese Textilien nicht geeignet, da sich entweder unerwünschte Falten bildeten oder die Fasern durchtrennt werden mussten. In beiden Fällen konnte die Bewehrung die unter Belastung auftretenden Kräfte nicht aufnehmen. Penn Textile Solutions setzt mit dem jüngst entwickelten drapierfähigen Bewehrungstextil somit neue Impulse und die Entwicklung doppelgekrümmter Textilbetonelemente ohne Faltenbildung.

„Die Mischung des Geleges ermöglicht die Verformbarkeit der textilen Bewehrung“, erklärt Regenstein. Penn Textile Solutions bringt Glasfasern in die elastische Ware ein und erhöht so die Flexibilität des Geleges. Im Rahmen des Forschungsprojekts hat das ITA Materialprüfungen, Auswertungen und Beschichtungsversuche an den von Penn Textile Solutions zur Verfügung gestellten textilen Flächen durchgeführt.

„Die kraftaufnehmende Faser des Geleges lag dabei stets fadengerade im Bogen. Unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich damit nicht“, erläutert Gözdem Dittel die Herausforderung während der Materialprüfungen.

Um Kräfte in beide Richtungen aufnehmen zu können, wurden zwei Gelege in unterschiedlichen Richtungen übereinander gelegt. Anschließend wurden die Gelege verharzt und in Beton gegossen. Das Projektergebnis stellt eine Demonstratorfassade aus zwölf filigranen Textilbeton-Fassadenelementen dar.

Die Fassade mit den Maßen 4,83 Meter x 2,42 Meter x 0,03 Meter wiegt rund 200 Kilogramm weniger als ein entsprechendes Stahlbetonpendant und ist im Betonteilfertigwerk des Unternehmens Stanecker, das unter anderem an der Realisierung des Elbphilharmonie-Daches beteiligt war, ausgestellt. Die Betonspezialisten zeichnen für die Entwicklung des dazugehörigen Produktionsprozesses verantwortlich. „Durch die schlanke Konstruktion verringert sich das Gewicht, so dass sich nicht nur die gestalterischen Möglichkeiten erhöhen, sondern sich auch der Bauablauf effizienter gestalten lässt. Bauzeiten können dadurch erheblich verringert werden“, erläutert Regenstein die weiteren Vorteile der Neuentwicklung.

Wirtschaftlich, nachhaltig und drapierfähig

Die neu entwickelte Textilbetonfassade ist auch deshalb substanziell, weil Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit im Bauwesen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Textilbeton ermöglicht eine nachhaltige Bauweise. Weil im Inneren der Betonteile kein Stahl mehr verbaut wird, das mittels viel Beton vor Korrosion geschützt werden muss, wird weniger Baustoff benötigt.

„Rund 70 bis 80 Prozent Beton können auf diese Weise eingespart werden. Das schont die Umwelt“, erklärt Regenstein. Denn die Herstellung von Beton bzw. Zement verursacht hohe CO2-Emissionen. Aufgrund des geringen Gewichts der Textilbetonbauteile verringern sich auch die Emissionen beim Transport. Zudem ermöglichen die schlankeren Textilbetonbauteile mehr Nutzfläche in den Gebäuden.

Neben den gesetzlichen Regeln zur Energieeinsparung schränken mehrschalige Wandsysteme mit aufwändigen Konstruktionen von Zwischen- oder Innendämmung den Architekten bei seinen Entwürfen ein. Für den Trend hin zu einer monolithischen Bauweise mit einem einzigen Material, das sowohl Lastabtrag als auch Wärmedämmung übernimmt, bietet Textilbeton ebenfalls neue Möglichkeiten. „Mit der zusätzlichen Möglichkeit, diese Elemente frei zu drapieren, ließe sich zukünftig Architekturgeschichte schreiben“, sagt Regenstein.


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