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Anforderung:
Standortangepasste, energetisch sinnvolle Architektur mit pädagogischer Vorbildfunktion
Lösung:
Containerarchitektur mit großer Solarfassade sowie LCD-Monitoren mit Stromverbrauchsangabe für Schüler
Bei der Debatte um Bildung dreht es sich meist um einheitliche Lehrpläne, um maximale Schülerzahlen oder um die Anzahl der Schuljahre bis zum Abitur. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Rolle der Architektur bei der Vermittlung von kognitiven und sozialen Kompetenzen. Wichtige Impulse kommen hier vor allem aus Skandinavien, wo Schulen neben herkömmlichen Klassenzimmern auch Lernlabore, Medienräume und Mensen, aber auch Ruheräume sowie Spiel- und Bewegungsflächen im Innen- und Außenraum bieten.
Zu den führenden Büros in diesem Bereich zählen C.F. Møller Architects aus Aarhus, die zuletzt auch den Maersk Tower für die Universität Kopenhagen fertiggestellt haben (siehe bba 12|2018). Ebenfalls in der dänischen Hauptstadt realisierten die Planer Anfang 2017 den Neubau der 1963 gegründeten – und bislang im Stadtteil Hellerup ansässigen – Copenhagen International School als weiteren spektakulären Bildungsbau. Unter einem Dach (BGF: 25 000 m²) werden hier insgesamt rund 1 200 Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 19 Jahren unterrichtet.
Containerarchitektur im Hafen
Als Standort für den insgesamt rund 67 Millionen Euro teuren Neubau hatte die Stiftung der Schule ein brach liegendes Grundstück inmitten des Containerhafens Nordhavn ausgewählt, wo in den kommenden Jahren und Jahrzehnten im Rahmen des größten Stadterweiterungsprojektes in Skandinavien ein komplett neues Wohn- und Dienstleistungsquartier entstehen soll. Ausgehend von der attraktiven Grundstückslage am Wasser des Øresund und inspiriert durch alt Lagerhäuser und Kräne entwickelten die Architekten einen modular erweiterbaren Bau aus vor- und zurückspringenden Kuben, die in vier fünf- bis siebengeschossigen „Türmen“ über einem gemeinsamen zweigeschossigen Sockel emporsteigen und dabei sinnfällig den Charakter der nebenan verladenen Hafencontainer aufgreifen.
„Jeder der vier Bereiche ist räumlich einer bestimmten Altersgruppe zugeordnet und speziell an deren spezifische Anforderungen angepasst“, erklärt Projektarchitekt Mads Mandrup Hansen, „angefangen vom Gymnasium im Westen über die Sekundarschule und den Kindergarten bis zur Grundschule im Osten.“ Im gemeinsam genutzten EG integrierten die Planer außerdem eine als Aula und als Bibliothek nutzbare große Empfangshalle, drei Sporthallen, eine Kantine und einen Theaterraum, die alle auch den Bewohnern des Quartiers zur Verfügung stehen, um so einen lebendigen Dialog zum Umfeld und zwischen den Generationen zu ermöglichen.
Im Zusammenspiel der verschiedenen Elemente ist eine offene und kommunikationsfördernde Lernlandschaft mit hoher Flexibilität entstanden, die sich für unterschiedliche pädagogische Konzepte nutzen lässt – von Projektarbeit über klassischen Frontalunterricht bis hin zu Gruppen- oder Einzelarbeit und Einzelförderung. Die verschiedenen Pausenhöfe wurden dabei nicht ebenerdig, sondern zur Vermeidung von Unfällen als umfasste Dachterrassen angelegt. In den oberen Geschossen des Neubaus stehen außerdem mehrere Gewächshäuser als gemeinschaftlich nutzbare Räume zur Verfügung.
Ein charakteristisches Element des hybridartig aus Stahlbeton und Stahl errichteten Neubaus (140 m lang und 40 m tief) ist die je nach Sonneneinstrahlung und Blickwinkel türkisgrün bis tiefblau schimmernde Solarfassade.
Schillernde Solarfassade
Die ungewöhnliche Hülle macht den Neubau zu einem der größten gebäudeintegrierten Solarkraftwerke Dänemarks. Sie setzt sich zusammen aus insgesamt 12 000 Photovoltaik-Modulen mit einer Größe von je 70 x 70 cm, die sich aus einiger Entfernung zum pixelartigen Gesamtgefüge addieren.
Um das effektvolle Spiel von Lichtreflexen und Dynamik optisch noch zu forcieren, kamen hocheffiziente kristalline Silizium-Module mit einem neuartigen Solarglas zum Einsatz. Die an der EPFL in Lausanne entwickelten und durch das in Dubai ansässige Unternehmen Emirates Insolaire hergestellten „Kromatix“-Solargläser sind in acht Farben erhältlich; die Farbwirkung ändert sich je nach Blickwinkel leich. Die Metallkassetten wurden mithilfe von Stahlprofilen auf der Stahlbetonhülle montiert. Die dabei integrierten, bis zu 25 cm dicken Sandwichpaneele mit IPN-Dämmkern sorgen gleichzeitig für einen minimierten Wärmebedarf des Gebäudes (Fassadenpaneele KS1150 TL von Kingspan).
Die ungewöhnliche Solarfassade erfüllt nicht nur energetische und architektonische Ansprüche, sondern übernimmt auch eine wichtige pädagogische Vorbildfunktion: „Denn über mehrere LCD-Monitore haben die Schüler jederzeit einen genauen Überblick über die Stromerzeugung der Photovoltaikmodule“, erklärt Mads Mandrup Hansen. „Und natürlich werden die Module gleichzeitig auch im Physik- und Mathematikunterricht thematisiert. Aus erster Hand erlernen die Schülerinnen und Schüler so wichtiges Basiswissen zum Thema Nachhaltige Energien und Klimawandel.“ Komplettiert wird das gebäudetechnische Konzept durch Kühldecken, durch eine zugfreie Belüftung, durch hochdämmende Fensterprofile (passivhauszertifiziertes Fenstersystem Wicline 95 von Wicona) sowie durch eine flexibel steuerbare LED-Beleuchtung. Lichtintensität und Lichtfarbe lassen sich dabei flexibel an unterschiedliche Aktivitäten wie Lernen, Lesen oder Entspannen anpassen – ein weiterer sinnvoller Beitrag zur Unterstützung des Lernerfolges.
Bauherr: Property Foundation Copenhagen International School (ECIS) (DK)
Objekt: Copenhagen International School
Standort: Nordhavn, Kopenhagen (DK)
Planung: C.F. Møller Architects, Aarhus (DK)
www.www.cfmoller.com
Statik: Niras, Allerød Kommune (DK)
Bruttogeschossfläche: 25 000 m²
Kosten: 67 Millionen Euro
Fertigstellung: Januar 2017
Mads Mandrup Hansen: „Mit einem Jahresertrag von rund 300 Megawattstunden deckt die 6 000 m² große Solarhaut etwa die Hälfte des vor Ort fälligen Strombedarfs.“
Robert Uhde
Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de