Marktplatz in Posen mit ETFE-Folienkissen überdacht

Als die polnische Stadt Posen sich 2020 entschloss, ihren Łazarski-Marktplatz neuzugestalten, hatte sie sicherlich nicht mit den Schätzen gerechnet, den er offenbaren würde. Rund fünfhundert Artefakte grub man dort im Laufe der Baumaßnahme aus, darunter Jugendstilfliesen, Gewichte und Manschettenknöpfe. Die Gegenstände sind über 100 Jahre alt und zeugen davon, dass auf dem Lazarusmarkt, so der deutsche Name, schon früher ein reges Markttreiben geherrscht hatte.

Dieser lebhafte Alltag ist auch heute wieder Realität. Denn ein großes kreisrundes Kissendach schützt seit 2021 Markttreibende vor Witterung und lädt Passanten zum Einkaufen und Verweilen ein. Zudem verleiht die Konstruktion dem Ort eine neue Identität – eine Identität, die jahrelang verloren schien, da die Marktstände unter einem Zelt versteckt waren und so mit dem Platz nur wenig zu tun hatten.

Riesiges ETFE-Kissenelement

Das gebaute Ergebnis geht auf den Entwurf des ortsansässigen Architekten Jacek Bułat und des Breslauer Tragwerksplaners Andrzej Kowal zurück. Sie entwarfen ein helles und offenes, gleichzeitig witterungsgeschütztes Areal mit einer überdachten Fläche von rund 2.400 m². Der Durchmesser der neuen Konstruktion beträgt 55 m. 

Die Überdachung besteht aus nur zwei ETFE-Folienkissen: einem kreisförmigen inneren und einem ringförmigen äußeren Kissen. Allein das äußere ETFE-Folien-Großkissen ist aktuell mit 1.780 m² eines der größten Ein-Kammer-Kissenelemente der Welt.

Getragen wird das Kissendach von einem rund 6,3 m hohen Stahl-Trägerrost, in das ein äußerer, ein mittlerer und einen innerer Ring eingebettet sind. Der Rost selbst wird gebildet aus orthogonal verlaufenden Kastenprofilen mit biegesteifen Anschlüssen an Rundrohr-Stützen. An den drei Ringen schließen mittig die pneumatischen, zweilagigen ETFE-Folienkissen an. Die Tragwerks- und Werkstattplanung dieser transparenten Bauteile sowie der Schnittstellendetails verantwortete das Büro formTL.

Verfahrbare Membranhülle aus ETFE

Ausgeklügelte Konstruktion

Das äußere umlaufende Kissen hat eine Spannweite von rund 13,5 m, das innere Kissen wiederum hat eine maximale Spannweite von etwa 17 m. Das Besondere an diesem Kissen ist, dass es sich wegen der außerzentrischen Anordnung des inneren Rings an zwei Enden auf weniger als 1 m verjüngt.

Weil ETFE-Folien nur eine gewisse Spannweite zulassen, werden Großkissen durch sogenannte Seilscharen aus Edelstahl gestützt. Dadurch lassen sich die äußeren Lasten sicher in die Randträger ableiten. In der Überdachung am Rynek Łazarski haben die Seile einen Durchmesser von 12 mm sowie untereinander einen Mindestabstand von ca. 1,8 m im äußeren und 77 cm im inneren Kissenring. Radial angeordnet, vergrößert sich dieser Abstand auf maximal 3,5 m an dessen jeweiligem äußeren Rand. 

Das äußere Kissen besteht aus vier mit Klemmprofilen gestoßenen Einzelfeldern; die Folien selbst sind, parallel zu den Folienseilen, radial zugeschnitten. Weil die Stützen des Trägerrosts die Kissenunterseiten durchdringen, wurden die Folien an diesen Stellen ausgespart. Drei Gebläsestationen versorgen die Kissen mit einem Gesamtvolumen von 5.150 m³ mit Stützluft. Die Luftleitung verläuft innerhalb eines Trägers und durch die Stege des mittleren Rings.

Schwebend überdacht

Freier Blick, ausreichende Verschattung

Dank der guten Abstimmung zwischen Planungs- und Baubeteiligten verlief die Fertigung und Montage der Folien-Großkissen einwandfrei. Die an einem Mockup getestete Bedruckung auf der unteren Kissenlage sorgt in dem fertigen Dach für eine ausreichende Verschattung. Gleichzeitig ist der Blick in den Himmel frei und ermöglicht den Menschen auf dem Rynek Łazarski einen angenehmen Aufenthalt. 

Update 24.11.

Die Gesellschaft Polnischer Stadtplaner hat zum sechzehnten Mal die besten öffentlichen Plätze des Landes ausgewählt. Die Jury vergab insgesamt 9 Preise und 11 Auszeichnungen in sechs Wettbewerbskategorien. Den ersten Preis in der Kategorie »Revitalisierter öffentlicher Stadtraum« gewann die Neugestaltung des Posener Marktplatzes  von Jacek Bułat. Der Sanierungsentwurf wurde 2016 in einem Architekturwettbewerb ausgewählt. Es war der erste Wettbewerb in Polen, der auf der Grundlage der sogenannten flämischen Formel durchgeführt wurde.