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Faktencheck Wärmepumpe - ein Interview mit Prof. Dr. Michael Schaub

Interview mit Prof. Dr. Michael Schaub
»Die Effizienz ist bei Wärmepumpen enorm«

Statt mit Emotionen und Vermutungen arbeitet Prof. Dr. Michael Schaub beim Thema Wärmepumpe mit Zahlen und Fakten – dabei räumt der Wissenschaftler der Hochschule Coburg mit allerlei Vorurteilen und Fehlinformationen auf.


Natalie Schalk

Ein Viertel der Energie in Deutschland wird im Haushalt verbraucht – Gebäudetechnik spielt also eine große Rolle. Prof. Dr. Michael Schaub forscht und lehrt an der Hochschule Coburg als Professor für energieeffiziente Gebäudetechnik. Aus einem Interview, das er vor einiger Zeit zum Thema gegeben hat, ist jetzt ein aktueller Podcast des Anbieters Lekker geworden, in dem Schaub die häufigsten und wichtigsten Fragen beantwortet.

Hier eine Zusammenfassung – den Rest des Gesprächs finden Sie zum Nachhören im Podcast »Aufgeladen«.


Um eine Wärmepumpe zu betreiben, braucht es Strom – wie effizient und klimafreundlich ist das?

Prof. Dr. Michael Schaub: Wir können aus einer Kilowattstunde Strom drei bis vier Kilowattstunden nutzbare Wärme gewinnen – die Effizienz ist bei Wärmepumpen enorm. Drei Anteile Umweltwärme werden genau an dem Ort, an dem ich es brauche, und zu dem Zeitpunkt, zu dem ich es brauche, eingekoppelt. Diese drei Anteile Energie müssen nicht transportiert und gespeichert werden, wodurch die Stromnetze weniger belastet werden.

Auch hinsichtlich der CO2-Emmissionen ist die Wärmepumpe eindeutig eine Verbesserung: im Vergleich zur Öl- und Gasheizung um 40 bis 60 Prozent – und das bereits mit dem heutigen Strommix.

Die Wärmepumpen-Strategie, die in ganz Europa sehr stark forciert wird, ist nicht aus der Luft gegriffen. Es gibt zahlreiche Studien zur Transformation des Energiesystems. Dabei wurden verschiedenste Rahmenbedingungen wissenschaftlich betrachtet: Einzelne Bundesländer, ganz Deutschland oder Europa, mal ein Fokus auf betriebswirtschaftliche, mal auf volkswirtschaftliche Aspekte und auch unterschiedliche Szenarien wie der Elektropfad, der Wasserstoffpfad und der Biomassepfad wurden untersucht.

Trotz der unterschiedlichen Schwerpunkte sind die Ergebnisse im Kern relativ gleich. Die Studien sagen ziemlich einheitlich voraus, dass irgendetwas zwischen 60 und 80 Prozent der Wärme durch Wärmepumpen gedeckt werden wird. Der Rest durch Wärmenetze und sonstige Energieträger.

In der Diskussion wird oft auch gefordert, die Wärmewende technologieoffen anzugehen. Welche Alternativen gibt es zur Wärmepumpe?

Prof. Dr. Michael Schaub: Viel kommt nicht in Frage. Etwa zehn Prozent des Bedarfs werden derzeit durch Fernwärme gedeckt. Anders als heute sollte diese künftig aus erneuerbarer Energie gewonnen werden, aber ansonsten sind Wärmenetze sehr zweckmäßig – immer dort, wo es vor Ort möglich ist.

Bei der erneuerbaren Wärme gibt es aktuell einen Spitzenreiter: Biomasse macht zwei Drittel aus. Aber das Potenzial ist begrenzt. Maximal etwa zehn Prozent des gesamten Wärmebedarfs könnten damit gedeckt werden. Und effizient wäre das auch nicht: Wenn wir eine Fläche beispielsweise für Wind und Photovoltaik statt für Biomasse nutzen, erzielen wir etwa zehn Mal so viel Energie.

Sinnvoller ist es, beispielsweise Holz – statt es zu verbrennen – als Baustoff zu nutzen und Biogas für Prozesse, die wirklich hohe Temperaturen erfordern oder beispielsweise für Kraftwärmekopplung.

Den Einsatz von Wasserstoff sehe ich vor allem als Lösung für Prozesse, bei denen fossile Energien nicht anders ersetzt werden können – nicht fürs Heizen. Denn da lassen sich Öl und Gas sehr gut durch die Wärmepumpe ersetzen.

Bei gut isolierten Neubauten ist das nachvollziehbar – aber was ist mit Bestandsimmobilien?

Prof. Dr. Michael Schaub: Für Wärmepumpen in Bestandsgebäuden gab es in den vergangenen zwei Jahren eine enorme Entwicklung: Durch das natürliche Kältemittel Propan schaffen wir es, bei Minus zehn Grad Außentemperatur 70 Grad warmes Wasser zu liefern und dieses reicht aus für die allermeisten Bestandsgebäude – auch mit Heizkörpern.

An ganz kalten Tagen ist die Wärmepumpe nicht besonders effizient. Aber solche Minustemperaturen kommen auch nicht so häufig vor. Zwei Drittel der Heizwärme werden bei Außentemperaturen von über Null Grad erzeugt. Im Jahresdurchschnitt liefert die Wärmepumpe damit auch im Bestandsgebäude sehr effiziente Werte.

Diese Technologien bringen vor allem Zeit. Wir können eine Wärmepumpe einbauen. Wir müssen nicht gleichzeitig sanieren. Das können wir im nächsten Schritt nachholen.

Und wie soll das alles finanziert werden?

Prof. Dr. Michael Schaub: Es geht nicht darum, auf einen Schlag alle Heizungen auszutauschen. Es geht nur darum, dass Geräte, die jetzt defekt sind, durch eine andere Technologie ersetzt werden. Da sind auch die Hersteller gefragt, beispielsweise durch Geräte, die sich einfach montieren lassen. Ich erwarte, dass die Preise sinken, weil Hersteller weltweit gerade in das Thema investieren. Insbesondere bei der Technologie mit Propan für Bestandsgebäude ist Europa technologisch zur Zeit führend – volkswirtschaftlich ein Vorteil.

Wie Hausbesitzer den Wandel zu einem effizienten Gebäude umsetzen und finanzieren können? Die Antwort lautet: Man muss einen Plan erstellen. Und man muss anfangen!

Sinnvoll ist es, erst einmal mit »low hanging fruits« zu starten, beispielsweise mit der Dämmung der Kellerdecke oder der obersten Geschossdecke. Als nächstes kann  man dann Themen wie eine kontrollierte Wohnungslüftung angehen – ein oft unterschätztes Problem: Bis zu einem Drittel der Wärmeverluste im Bestandsgebäude werden durch das hygienisch notwendige Lüften verursacht.

Zuletzt sollten die investitionsintensiveren Maßnahmen auf die Agenda. Das muss individuell für jedes Gebäude differenziert werden: Sind die Fenster vielleicht sowieso demnächst fällig oder muss die Heizung ausgetauscht werden? Ist vielleicht ein Außenanstrich geplant, der sich mit einer Dämm-Maßnahme kombinieren lässt? Das wichtigste ist, einen Plan zu erstellen und nach und nach umsetzten. Damit man nicht irgendwann alles auf einmal finanzieren muss.


Den Rest des Gesprächs finden Sie zum Nachhören im Podcast »Aufgeladen«.

Informationen zum Studiengang »Bauingenieurwesen – Energieeffizientes Gebäudedesign« und zur Einschreibung gibt es unter www.hs-coburg.de.

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