Die italienisch-brasilianische Architektin Lina Bo Bardi (1914–1992) wird in diesem Jahr anlässlich der 17. Architekturbiennale Venedig mit einem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk in memoriam ausgezeichnet. Die feierliche Ehrung wird am 22. Mai im Rahmen der offiziellen Eröffnung der internationalen Architekturausstellung zelebriert.
Lina Bo Bardi prägte mit ausdrucksstarken Entwürfen einen eigenen gestalterischen Weg. Ob in Architektur, Bühnenbild, Mode- und Möbeldesign oder auch Grafik – überall nahm sie Impulse der Internationalen Moderne auf, verarbeitete diese aber ganz individuell.
Die Moderne in Brasilien
In Italien geboren und ausgebildet, spielte Lina Bo Bardi in der Entwicklung moderner Architektur in Brasilien eine wichtige Rolle. Grundlage ihres Schaffens war die reflektierte Auseinandersetzung mit ihrer Wahlheimat Brasilien, seiner Kultur, Gesellschaft und Politik. Dabei vertrat die Architektin ihre teils radikalen Ansichten ebenso produktiv wie provokativ durch Entwürfe, Ausstellungen und Schriften.
Lina Bo Bardi prägte einen eigenen Gestaltungsansatz, der die gesellschaftliche Bedeutung des Bauens und seine kulturelle Verankerung in den Mittelpunkt stellt. Mit dem Bemühen um eine »architettura povera« kann Lina Bo Bardi als Vorläuferin gegenwärtiger Tendenzen engagierter Architektur betrachtet werden.
Bauten geschaffen zu haben, die in der lokalen Öffentlichkeit höchste Akzeptanz finden und sich gängigen Klassifikationen entziehen, ist eine ihrer wichtigsten Leistungen.
Hommage an Lina Bo Bardi
Bereits 2014 würdigte der italienische Hersteller Arper ihre Arbeit, indem er einen Relaunch ihres ikonischen »Bowl Chair« auflegte und ihn seither international vertreibt. 1951 entworfen, stellte der Entwurf den Menschen in den Fokus – in diesem Jahr feiert er seinen 70. Geburtstag.
Mit der runden Form, die eine natürliche und entspanntere Haltung fördert, setzte Bo Bardi ein Zeichen für einen kulturellen Wandel, der uns heute noch im Möbeldesign begleitet: informell, aufnahmebereit und auf das Wesentliche konzentriert.
Die Architektin führte damit eine neue Perspektive in die Designwelt der 1950er-Jahre ein, stellte die menschliche Interaktion in den Mittelpunkt ihres Schaffens und veränderte damit die Art und Weise, wie Menschen sitzen.