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Rathaus mit Retro-Charme - Sanierung in Prinzersdorf

Generalsanierung Rathaus Prinzersdorf in Niederösterreich
Rathaus mit Retro-Charme

Ein halbes Jahrhundert nach seiner Fertigstellung im Jahr 1973 wurde das Rathaus im niederösterreichischen Prinzersdorf behutsam saniert. Die handgefertigte keramische Fassade von damals konnte dabei komplett erhalten werden. Heute erstrahlt das Gebäude in neuem Glanz – und begeistert auch jüngere Gemeindemitglieder mit seinem »Retro-Charme«.

Anforderung:

Anpassung eines in die Jahre gekommenen Rathausbaus aus den 1970er-Jahren an heutige Anforderungen

Lösung:

Energetische Ertüchtigung und sanfte, materialschonende Sanierung, die den ursprünglichen Charakter des Gebäudes erhält


Der markante Rathausbau, entworfen vom Architekten Franz Habl am Hauptplatz 1, steht für den Aufschwung, den die Gemeinde Prinzersdorf Anfang der 1970er Jahre erlebte. Gemeinsam mit der Kirche und dem gegenüberliegenden Bankgebäude bildet er ein bemerkenswertes Gebäudeensemble, das die späte Nachkriegsmoderne in Niederösterreich auf einzigartige Weise dokumentiert. Die Kirche wurde zwischen 1961 und 1966 im spätexpressionistischen Stil erbaut und steht heute, anders als Rathaus und Bank, unter Denkmalschutz. 

Nach der Sanierung: Rathaus in Prinzersdorf mit nach außen gelegter Tragkonstruktion, Bandfenstern und Keramikfassade
Bild: Konrad Neubauer

Nach den Idealen der Moderne konstruiert

Das Rathaus wurde nach den Gestaltungsprinzipien der Moderne errichtet und weist eine Tragkonstruktion aus Stahlbetonstützen auf, die in einem Raster von 4 x 4 Metern angelegt sind und nach außen verlegt wurden. Die dahinterliegenden Fenster sind in einem durchgehenden Band angebracht und verfügen über keramikverkleidete Parapeten. Entstanden ist so ein Haus ohne Gänge mit flexiblen Grundrissen und sehr guter Belichtung in allen Bereichen – von der Erschließung über die Büros bis hin zu den Sälen.

Die Farben Blau und Gelb, die repräsentativ für Niederösterreich stehen, wurden als Grundkonzept für das Haus aufgegriffen und sind in vielen Bauelementen und Ausstattungsgegenständen zu finden. Sowohl das Rathaus als auch das Bankgebäude, die sich auf beiden Seiten der Kirche befinden, sind in diesen Farben gestaltet. Im Inneren des Rathauses sind zudem Böden, Fliesen, Wandfarben und Möbel wie z.B. Sofas oder Sessel in Blau- und Gelbtönen gehalten.

Saal mit blauem Boden und gelben Stühlen im Rathaus Prinzersdorf
Bild: Konrad Neubauer

Entscheidung für die sanfte Sanierung

Rund fünf Jahrzehnte nach seiner Fertigstellung war der Rathausbau in die Jahre gekommen. Es zog durch die Fenster, im Sommer war es drinnen zu heiß, im Winter zu kalt. Außerdem war das Gebäude nicht barrierefrei zugänglich.

Zu Beginn der Planung wurden verschiedene Szenarien diskutiert, darunter ein vollständiger Neubau, eine umfangreiche Entkernung und eine große bzw. »sanfte« Sanierung. Aufgrund seiner Einzigartigkeit, seines hohen Identifikationspotenzials und seines materiellen Wertes entschied sich der Gemeinderat unter Bürgermeister Rudolf Schütz schließlich dafür, den Bestandsbau zu erhalten. Die Architekten Ernst Beneder und Anja Fischer überzeugten mit ihrem Konzept einer nachhaltigen und schonenden Sanierung, die in nur einem halben Jahr umgesetzt werden konnte und zudem kostengünstig war.

„Das Rathaus zeichnet sich durch eine besondere Qualität, hochwertige Materialien sowie eine konsequente Konzeptionalität aus, die eine restauratorische Behandlung der bestehenden Substanz ermöglicht und den begründeten Weiterbau erlaubt“, so die Architekten.

Rathaus-Foyer in Prinzersdorf nach der Sanierung mit Natursteinboden, Holztüren und Wandvertäfelungen
Bild: Konrad Neubauer

Ursprünglicher Charakter erhalten und freigelegt

Die nachhaltige »sanfte« Sanierung baut auf dem Konzept der 1970er Jahre auf und ergänzt die Originalsubstanz, ohne dabei Räume und Materialität zu verfremden. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, prägende Elemente wie Natursteinböden, Holztüren, Wandvertäfelungen und Akustikdecken zu erhalten. Gleichzeitig wurden großzügige Raumzusammenhänge wieder freigelegt, die über die Jahre verstellt worden waren. 

Im Zuge der Sanierung wurde beispielsweise die Bücherei vom Erdgeschoss in das neu ausgebaute Untergeschoss verlegt und erweitert. Damit kann das Amtszimmer im Erdgeschoss nun wieder zentral über die Hauptachse erreicht werden. Der neue barrierefreie Zugang erfolgt ebenfalls vom Haupteingang aus über eine neue Außenrampe und einen seitlichen Liftzubau mit Begrünung.

Innerhalb des Gebäudes wurden Funktionen ausgetauscht und nachträglich eingeführt, ohne dabei die Großzügigkeit der Gebäudestruktur zu beeinträchtigen. Eine Lounge, ein Personalraum, Besprechungs- und Bürgermeisterzimmer stehen nun in offener Beziehung zur multifunktionalen Halle, ebenso wie die Poststelle.

Keramische Fassadenplatten in Blau mit gelben Sprenkeln am Rathaus Prinzersdorf
Bild: Konrad Neubauer

Original-Keramikfassade erhalten

Die Fassade des 70er-Jahre-Baus musste energetisch ertüchtigt werden. Die ungedämmten Bandfenster und deren Beschattung wurden ausgetauscht, wobei das Erscheinungsbild des Originals beibehalten wurde. Um die außenliegenden schlanken Stützen sowie die großformatigen Keramikplatten im Originalzustand zu erhalten, wurden Fassade und Untergeschoss mit einer Innendämmung aus Glasschaumplatten ausgestattet.

Die großen, dünnen keramischen Fassadenplatten mit ihrer dunkelblauen Glasur und den gelben Sprenkeln waren 1973 eine Weltneuheit. Das Unternehmen Agrob Buchtal hatte sie eigens für die Fassade des Rathauses in der niederösterreichischen Gemeinde Prinzersdorf entworfen und von Hand gefertigt. Die Farben waren eine Referenz an die niederösterreichischen Landesfarben Blau und Gelb.

Bei der Sanierung des markanten Gebäudes zeigte sich, dass die Fliesen auch von der Qualität her außergewöhnlich sind. Sie mussten lediglich gereinigt werden, um wieder in altem Glanz zu erstrahlen. Was heute immer häufiger diskutiert wird – ressourcenschonend, kreislauffähig und langlebig zu bauen – wurde hier bereits vor 50 Jahren umgesetzt. 


Interview

Bürgermeister Rudolf Schütz erzählt, wieso die Gemeinde sich für eine restaurative Herangehensweise entschieden hat und welche Rolle Schwamm und Spülmittel dabei spielten.


Interview: Kristina Simons

War von Anfang an klar, dass der Bestandsbau nicht ersetzt, sondern erhalten werden sollte?

Anfangs gab es unterschiedliche Meinungen im Gemeinderat. Wir hatten deshalb eine Studie dazu beauftragt und die Architekten haben die unterschiedlichen Szenarien mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen gut aufbereitet und gegenübergestellt: ein Neubau an anderer Stelle, Abriss und Neubau an derselben Stelle, die vollständige Entkernung, die sanfte Sanierung und eine umfassende Sanierung mit Dämmung der Außenfassade.

Warum haben Sie sich dann für die sanfte Sanierung entschieden?

Alle Verantwortlichen waren sich schnell einig, dass letztere die beste Lösung wäre: zum einen wegen der kurzen Sanierungs- und Umbauzeit von einem halben Jahr und der kostengünstigen Umsetzung. Mit 1,35 Millionen Euro blieb die Gemeinde sogar unter den beschlossenen Baukosten von 1,4 Millionen Euro. Schon eine vollständige Entkernung hätte das Dreifache des veranschlagten Budgets gekostet.

Zum anderen sprach für eine Sanierung, dass das Rathaus von seiner Funktionalität her einfach gut ist: Dank seiner außenliegenden Betonstützen und geraden Achsen sind die Raumgrößen leicht zu verändern und in alle Bereich fällt viel Tageslicht. Besonders ist auch das großzügige Foyer, das wir zum Beispiel für Vernissagen mit bis zu 150 Personen oder einen Weihnachtsmarkt nutzen. Bei den heutigen Baukosten hätten wir uns diese Großzügigkeit in einem Neubau niemals leisten können.

Welches Image hatte Rathaus in der Bevölkerung?

Die Meinung von dem Bau war gerade bei den Jüngeren nicht die beste. Gebäude aus den 1970er Jahren erfahren ja generell nicht besonders viel Wertschätzung und werden häufig abgerissen.

Und heute?

Nach der Sanierung hat sich das total gewandelt. Viele Jugendliche finden das Rathaus jetzt Retro, sie identifizieren sich damit. Der Coolness-Faktor ist enorm gestiegen. Und auch das Bewusstsein dafür, dass der Erhalt des Bestands und das Weiternutzen und Wiederverwenden von Baumaterialien fürs Klima und den Ressourcenschutz deutlich besser ist als Abriss und Neubau. Gerade diesen Aspekt haben wir auch viel kommuniziert, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Nominierung für den österreichischen Bauherrenpreis 2022.

Sie haben sich dafür entschieden, die Keramikfliesen bei der Sanierung an der Fassade zu lassen.

Sie abzunehmen, um dann eine Außendämmung anzubringen, wäre viel zu aufwendig und teuer geworden. Wir haben uns deshalb für eine Innendämmung mit umweltfreundlichen Glasschaumplatten entschieden. Die sind nur 10 Zentimeter dick und nehmen nicht viel Raum weg.

Musste ein Teil der Keramikfliesen ersetzt werden?

Wir haben zwar noch einen kleinen Vorrat im Untergeschoss – was auch gut ist, weil diese Fliesen nicht mehr hergestellt werden. Aber alle waren noch vollkommen intakt, wir mussten nichts ausbessern. Stattdessen haben wir die Platten einfach nur reinigen lassen: per Hand mit einem Schwamm und ganz normalem Spülmittel. Das hat uns nicht mal 2.000 Euro gekostet und die Fliesen sehen aus wie neu. Das ist einfach ein geniales Material. Die gute Qualität der Keramikplatten hat die sanfte Sanierung überhaupt erst möglich gemacht.

Was macht die Platten für Sie so besonders?

Dass keine exakt so aussieht wie die andere. Die gelben Sprenkel sind entstanden, indem Quarz händisch eingestreut wurde. Darüber hinaus sind die Fliesen dank der Farbgestaltung sehr unempfindlich gegen Schmutz.

Spiegelt sich die Farbgestaltung auch im Inneren des Rathauses wider?

Ursprünglich waren Böden, Wandfarben und Möbel wie Sofas oder Sessel ebenfalls in Gelb, Beige und Blau gehalten. In den 90er Jahren wurden dann zum Beispiel die Sessel einfach mit rotem Stoff neu bezogen. Da fehlte wohl das Gefühl dafür. Die Architekten jetzt haben die ursprünglichen Farben wieder sehr charmant auch im Innern aufgenommen. Teppiche und Bodenfliesen in den Sanitärbereichen sind blau, Stühle und Sessel sind gelb bezogen.

Wie lautet Ihr Fazit?

Ich bin einfach glücklich, dass wir das Rathaus saniert haben. Es erfährt eine neue Wertschätzung. Das ist ein bisschen, wie einen Oldtimer zu restaurieren. Auch diejenigen, die anfangs skeptisch waren, sind jetzt begeistert. Die Bauqualität ist so hervorragend, dass das Rathaus noch einige Jahrhunderte stehen kann, wenn man es lässt.


Projekt: Generalsanierung Rathaus Prinzersdorf

Rathaus Bestand: Fertigstellung 1973 (Baubewilligung 1970), Architekt DI Franz Hable

Standort: Hauptplatz 1, 3385 Prinzersdorf, Österreich

Bauherr: Marktgemeinde Prinzersdorf, vertreten durch Bürgermeister Ing. Rudolf Schütz

Architekten: ARGE DI Ernst Beneder / DI Dr. Anja Fischer, Wien
www.benederfischer.at

Tragwerksplanung: DI Reinhard Schneider, Wien

Bauphysik: DI Walter Leiler, Wien


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