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Mit Abstand am besten

Erweiterung der Stadthalle in Wien
Mit Abstand am besten

Beim Erweiterungsbau der Stadthalle wurde die klare Linienführung des Bestands aufgenommen und in zeitgemäße Architektursprache umgesetzt. Zur Verwendung kam eine filigrane Stahl-Glaskonstruktion unter unauffälliger Berücksichtigung des erforderlichen Brandschutzes.

Ein kleiner räumlicher Abstand und eine große zeitliche Distanz: Rund ein halbes Jahrhundert liegt zwischen der von Roland Rainer in den Jahren 1954 bis ’58 erbauten Wiener Stadthalle und dem nun hinzugefügten Erweiterungsbau, der so genannten Halle F, nach dem Entwurf der Architekten Dietrich | Untertrifaller. Beiden gemeinsam ist ihre klare Formensprache. Die Halle F nimmt die Linienführung des Bestands auf und entwickelt sie in zeitgemäßer Architektursprache: Waren damals Glas und massiver Beton die bevorzugten Werkstoffe, haben zeitgenössische Architekten eine Vorliebe für filigrane Stahl-Glaskonstruktionen.

Dietrich | Untertrifaller inszenierten das Dach als Gegenpol des markanten Stadthallendachs und übernahmen die Glasfassade als prägendes Stilelement.
Städtebaulich und atmosphärisch gelungen
Der Wunsch nach einer Spielstätte mit „mittlerem Fassungsvermögen“ gab den Ausschlag für den Erweiterungsbau. Im Jahre 2002 wurde ein internationaler Architektenwettbewerb ausgelobt. Das Vorarlberger Architektenbüro Dietrich | Untertrifaller überzeugte die Jury mit einem aluminiumverkleideten Baukörper, der die große, bestehende Stadthalle in voller Größe sichtbar ließ. Ein weiteres entscheidendes Kriterium war, dass ihr Entwurf nicht die gesamte zur Verfügung stehende Grundfläche beanspruchte und zudem – mit einer Auskragung von 12 m – einen großzügigen, überdachten Vorplatz schuf. Den Dialog mit dem baulichen Bestand nimmt der Entwurf in der Linienführung auf: Die Glasfront des (nunmehr überdachten) Haupteingangs befindet sich exakt in der Flucht der niedrigen, nicht überdachten Eingangsfront der alten Halle.
„Insgesamt erfüllt das Projekt sowohl städtebaulich als auch in Bezug auf die Atmosphäre seiner Innenräume die gestellte Aufgabe in hohem Maß. Die Erschließungsbereiche sind großzügig angelegt und dadurch multifunktional nutzbar. Die Kennwerte des Projekts liegen im wirtschaftlichen Bereich“, so die abschließende Würdigung der Jury.
Die Halle ist eine Stahlkonstruktion, die auf einem massiven Sockelbauwerk aus Stahlbeton ruht. Ein Raumfachwerksys-tem formt die eleganten Konturen des Baukörpers, dessen äußere Hülle mit silbernen Aluminiumpaneelen überzogen ist. Unter der Auskragung – von den Architekten als „Empfangsgeste“ verstanden – befindet sich die verglaste Eingangsfassade mit Zugang zum komplett stützenfreien Foyer.
Kurze Wege und direkte Zugänge kennzeichnen die innere Organisation: Das ebenerdige (unter den Zuschauerrampen) angeordnete, zentrale Foyer entwickelt sich keilförmig zur gegenüber liegenden Wand hin, welche auf ihrer gesamten Länge die Garderobe aufnimmt. Von hier aus führen zwei Aufgänge beidseits hinauf in die auf Saalebene liegenden Pausenfoyers, deren stufenlos ansteigender Boden mit der Schräge der Sitzreihen im Saal korrespondiert. Das Innere des Saals ist mit einer roten Glashülle verkleidet, ebenso die gesamte Ausstattung in Rot gehalten. Es gibt keinen Balkon und keine Ränge, lediglich ein breiter Gang – „Catwalk“ – unterbricht als Erweiterung der Bühne die Sitzreihen.
Konstruktion Glasfassade
Für vorbeigehende Passanten sind die beleuchteten Pausenfoyers durch hohe Glaswände gut einsehbar. So belebt das Geschehen im Inneren den Außenraum und umgekehrt – vermittelt durch eine filigrane Glasfassade besonderer Konstruktion mit Schüco Stahlsysteme Jansen-VISS Basic. Das System ermöglicht die Herstellung von trägerunabhängigen, großflächigen Vertikalfassaden. Und es kann auch dann noch zur Anwendung kommen, wenn – wie in diesem Fall – die raumseitige Tragkonstruktion bereits erstellt ist. Der mit der Herstellung der Fassaden beauftragten Firma Kreuzroither Metallbau in Schörfling am Attersee oblag die gesamte statische Berechnung einschließlich der Glasstatik.
Die Fassaden der Pausenfoyers sind als Aufsatzfassade geplant; aufgesetzt auf eine bauseitige Stahltragkonstruktion aus rechteckigen bzw. trapezförmigen Stahlbrammen. Die bauseitigen Stahlbrammen waren gebohrt und mit M8 Gewinde versehen. Die darauf aufgesetzte Pfosten-/Riegelkonstruktion besteht aus zwei ineinander verschobenen U-Profilen, mit der Primärkonstruktion durch Langlöcher und Senkkopfschrauben verbunden. Bei Fassadenflächen, die nicht lotrecht zur Brammenkonstruktion standen, war die Stahlgrundkonstruktion zunächst trapezförmig auf den erforderlichen Winkel anzuformen. Zur Abtragung der Glaslasten wurden Flachstähle als Glasträger in die Riegelunterkonstruktion eingearbeitet.
Schweiß- und Schraubbolzen aus Edelstahl verbinden die Tragkonstruktion (innen) mit den außen liegenden Deckprofilen. Diese bestehen aus einem Anpressprofil mit gestanzten Langlöchern und aufklipsbaren Abdeckungen, befestigt mit Spezialschrauben aus Edelstahl. Durch die innen in einer Ebene liegenden Vertikal- und Horizontaldichtungen wird eine geschlossene Dichtungsebene erreicht. Die horizontal durchlaufend eingesetzten Dichtungen mit integrierten Dichtlappen gewährleisten eine sichere, kontrollierte Belüftung und Entwässerung des Glasfalzes und damit eine über die Jahre hinweg technisch wie optisch einwandfreie Fassadenkonstruktion.
Brandschutz bei Transparenz
Sonderbauten wie die Halle F stellen für die planerische Praxis stets eine besondere Herausforderung dar, auch im Hinblick auf baulichen Brandschutz. Ein hohes Gefährdungspotenzial einerseits und restriktive Vorgaben des Gesetzgebers bzw. der Brandschutzbehörden andererseits beschränken den gestalterischen Spielraum.
Für die Wiener Stadthalle entwickelten die Architekten in Kooperation mit dem IBS, Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung, Linz, ein innovatives Brandschutzkonzept, welches dazu beiträgt, die angestrebte Transparenz beizubehalten. Bei der neuen Halle handelt es sich um einen Stahlbau, der im Regelfall die Brandschutzanforderung F90 erfüllen muss. Brandschutzsimulationen des IBS für verschiedene Bauteile (Boden, Wand, Decke) hatten ergeben, dass die Vollstahlträger aufgrund ihres Querschnitts bereits die Anforderung F30 erfüllen. Folglich konnte der Brandschutzanstrich auf F60 reduziert werden, was Material, Arbeitszeit und damit Kosten sparte. Ein Rauchabschnitt trennt das Eingangsfoyer von den Pausenfoyers; er ist als einfache, der Ö-Norm entsprechende G30 Verglasung ausgeführt. Auch im Übrigen konnte mit geprüften Systemen (wie dem trägerunabhängigen Jansen-VISS Basic) gearbeitet werden – mit einer Ausnahme: Der Fassade des vollständig mit Holz ausgekleideten nördlichen Pausenfoyers ist ein Fluchtweg vorgelagert.
Hier galt es, im Zweifelsfall den vertikalen Brandüberschlag und Hitzestrahlung zu verhindern. Aus diesem Grund setzten die Architekten gläserne Schürzen aus Schott Pyranova Brandschutzglas zwischen die Stahlträger, nur wenige Zentimeter vor die raumabschließende Glasfassade. Um die Transparenz der Fassade nicht zu stören – und das ist das Einmalige an dieser Konstruktion – sind die Brandschutzelemente lediglich in ihrem unteren Randbereich befestigt, und zwar direkt in die Betondecke eingelassen. Ein Aluminiumprofil fasst die übrigen drei Seiten, dieses hat jedoch keine brandschutztechnische Funktion, sondern dient nur dem Randabschluss des Scheibenverbunds. Pendelschlagversuche des Labors für Stahl- und Leichtmetallbau der Fachhochschule München, auf Verlangen der Brandschutzbehörde durchgeführt, haben die Funktionssicherheit der ersten linienförmig gelagerten Brandschutzkonstruktion voll und ganz bestätigt.
Pyranova ist ein klares Mehrscheibenverbundglas für Brandschutzverglasungen der Feuerwiderstandsklasse F bzw. EI, das Feuer, Rauch und Wärmestrahlung abhält. Es wird abhängig von der Feuerwiderstandsklasse grundsätzlich aus mindestens drei Floatglasscheiben hergestellt, zwischen denen eine transparente Brandschutzschicht eingelagert ist. Im Brandfall zerspringt die dem Brandherd zugewandte Scheibe, die Schicht schäumt auf und bildet dadurch einen Hitzeschild. Für die Stadthalle fertigte Schott 28 mm starke Scheiben im Format bis zu 2 245 x 1 130 mm, aufgebaut als 2 x 5 mm Floatglas, mit vierfach PVB-Folie (à 1,52 mm) laminiert und 15 mm Pyranova S2.0. Die in den Betonboden eingelassenen Scheiben verhindern nicht nur nachgewiesenermaßen den Brandüberschlag an der Fassade, sondern dienen auch der Absturzsicherung, so dass Gäste sich unbesorgt an das Glas lehnen können.
Innere Logik
Die in ihrer Ansicht trapezförmige Südfassade ist mit 16 vertikalen und drei horizontalen Teilungen in 30 Glasfelder gegliedert. Die Nordfassade ist ihrer Konstruktion nach identisch, jedoch genau spiegelverkehrt ausgeführt.
Das entspricht konsequent dem hohen Anspruch der Architekten, nämlich der Reduktion nicht nur auf wenige Materialien und Farben, sondern eben auch auf wenige Formen bzw. Formate.
„Die Stadthalle“, so Much Untertrifaller, „ist eines meiner Lieblingsprojekte, weil ich möglichst komplexe Entwurfsaufgaben vorziehe. Komplexe Räume, die sich in die Gesamtform einordnen, ohne Auswüchse, ohne Leerräume und trotzdem Orientierung und zielgerichtete Bewegungen in horizontaler und vertikaler Richtung ermöglichen. Eine Dreidimensionalität, die sich durch die innere Logik ergibt und so einen selbstbewussten Bau neben der großen Stadthalle formt“.
bba-Infoservice
Stahl-Profilsysteme 515 Brandschutzglas 516
Architekten:
Dietrich | Untertrifaller, Bregenz
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