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Charakter bewahrt

Fabrikhallen-Sanierung in Frankenberg-Schreufa
Charakter bewahrt

Anne Fingerling / red.

Bis vor kurzem wurden die verwaisten Fabrikhallen der ehemaligen Stuhlfabrik in Frankenberg-Schreufa (Nordhessen) noch als Lagerraum genutzt – nun zieht ein modernes Software-Unternehmen in die neu gestalteten Büroräume ein.
In einem Teilbereich der alten Fabrik wurden circa 60 Arbeitsplätze geschaffen.
Sanierungsziel
In der dreigeschossigen Fabrikhalle aus den dreißiger Jahren wurden zwei Geschosse für die neue Büronutzung umgebaut. Erklärtes Ziel der Sanierungsmaßnahme war die konsequente Verwendung schadstoffarmer Materialien und die weitest mögliche Bewahrung des ursprünglichen Fabrikcharakters.
Daneben war eine Atmosphäre für die neuen Büroräume zu finden, die kreatives Arbeiten fördert. Erreicht wird dies durch eine großzügige Grundrissgestaltung sowie durch ein anspruchsvolles Farbkonzept.
Neuer Grundriss
Die ursprünglich bis auf die Brandwände nicht unterteilten Hallenflächen mussten in verschiedene Abschnitte aufgeteilt werden mit unterschiedlichen Größen: vom Einpersonen-Büro bis hin zum Großraumbüro mit 150 m².
Trotz der großen Tiefe des Gebäudes von 20 m haben alle Räume, die als Büros genutzt werden, ausreichend Tageslicht.
Im 1. OG verblieb der Lagerraum, der kein Tageslicht benötigt und daher als geschlossener, fensterloser Bereich in der Mitte der Halle angeordnet werden konnte. Im DG befinden sich neben Büros auch Konferenz- und Besprechungsräume, sowie Aufenthalts- und Pausenbereiche, die deshalb in der Mitte liegen konnten, weil hier eine entsprechende Belichtung über das Dach möglich ist.
Die Büros gruppieren sich in beiden Etagen jeweils um den zentral angeordneten, teilweise fensterlosen Bereich herum und liegen an den Außenwänden mit großen Fensterflächen.
Ziel der Planung war es, eine möglichst offene Raumwirkung zu erreichen und die Büros optisch nicht von dieser Mitte abzutrennen.
Licht und Farbe
Im DG wurde der zentral angeordnete Mittelbereich als ovaler Raum ausgebildet, der an einem Ende zum Flur hin geschlossen ist und als Konferenz- und Technikraum genutzt wird. Am anderen Ende öffnet sich das Oval für Besprechung und Entspannung und wirkt durch Lichtkuppeln im Dach wie eine lichtdurchflutete Oase. Auch die verglasten Bürotüren und die festverglasten Durchbrüche in den Flurwänden sorgen für natürlichen Lichteinfall in den Flurbereichen.
Die Flure werden durch die ovale Begrenzung des Innenraumes optisch verkürzt und durch die Eigenständigkeit der gekrümmten Fläche zum eigenen Erlebnis-Raum.
Unterstützt wird die Raumgestaltung durch das Farbkonzept: Die ovale Mitte ist in einem warmen Orangeton gestrichen, der von den gegenüberliegenden weißen Wänden der Büros reflektiert wird.
Türrahmen und Einfassung der Festverglasungen sind auf einer Seite weiß, die Glastüren der Büros werden ultramarinblau. Auf der gegenüberliegenden Seite sind, genau umgekehrt, die Türrahmen und Einfassungen ultramarinblau und die Bürotüren werden entsprechend mit durchsichtiger Verglasung versehen. Wenn die Sonne scheint, kommt es zu phantastischen Licht- und Farbspielen.
Im 1. OG gruppieren sich die Büroräume um den hier winkligen Mittelbereich, dessen Wände gelb gehalten sind. Das Farbkonzept der Türen und Festverglasungen der Büros entspricht dem im DG.
Obwohl nur die Wände des Mittelbereichs gelb gestrichen sind, wird durch die Reflexion der gesamte anschließende Bereich in ein leuchtendes Gelb unterschiedlicher Intensität getaucht und erzeugt spannungsvolle Reflexe.
Besondere Anforderungen
Ein wesentlicher Bestandteil der Gebäudesubstanz, den es zu bewahren galt, ist das Holzwerk der Fachwerkkonstruktion. Technisch durchführbar war die Beibehaltung des sichtbaren Holzwerks durch seine F30-Eigenschaft. Andernfalls hätte der Brandschutz gefordert, das Holzwerk zu verkleiden. Die für den neuen Grundriss erforderlichen Trennwände wurden mit der ursprünglichen Holzkonstruktion so kombiniert, dass die meisten Pfosten und Kopfbänder sichtbar bleiben und somit den baulichen Urzustand erfahrbar machen.
Auch die an der Außenwand stehenden Pfosten sind, trotz ausgeführter Innendämmung, nicht überkleidet worden. Die Einbindung von Holzteilen kann bedeuten, dass Trocknungsprozesse aufgrund geänderter klimatischer Bedingungen im Haus die Gipsplattenverkleidung von den Hölzern abreißen können. Diese Bewegung der Hölzer wurde sozusagen vorweggenommen, indem regelrechte Sollbruchstellen eingebaut wurden: Ein Klebeband wurde an das Holz geklebt, bevor die Trockenbauplatten (Gipskarton) montiert und ausgespachtelt wurden. Das Spachtelmaterial verbindet sich an dieser Stelle also nicht mit dem Holz, es entsteht eine bewegliche Fuge.
Das setzt große Sorgfalt bei der Verarbeitung voraus. Genauso wurde bei der Geschossdecke im DG verfahren; zwischen Decke und Wandanschluss wurde ebenfalls eine bewegliche Fuge eingebaut. Wenn es nun zu Abrissen kommt, entsteht eine kontrollierte Fuge, was in jedem Fall besser ist, als wenn die Spachtelung irgendwo abreißt.
Es handelt sich bei der aufgehenden Fuge um einen begrenzten ästhetischen Mangel, der aber, wenn man ihn nach ein oder zwei Heizperioden ausbessert, wahrscheinlich nicht mehr auftritt.
Geschwungene Wände
Eine Herausforderung an die Trockenbauer waren außerdem die gebogenen Zwischenwände der Büros im DG, die dem zentral angeordneten Oval in der Raummitte folgen. Die Gipskartonplatten wurden zuvor feucht in einer Schablonen-Wanne eingelegt, so dass sie sich schon annähernd an die Verläufe der Biegungen anpassten, ohne beim Einbau gleich zu brechen.
Besonders kritisch waren die Wände des ovalen Mittelbereichs – selbst die feucht vorgebogenen Platten haben sich an den entscheidenden Stellen dann doch gespreizt. Zudem war ein sehr enger Abstand der Ständerprofile erforderlich, um die gekrümmten Wandflächen zu stabilisieren.
An der Decke kam Knauf D 112 mit 2 x 12,5 mm Gipskartonfeuerschutzplatten zum Einsatz. Die Montagewände bestehen aus Knauf W 111 mit 1 x 12,5 mm Gipskarton und W 112 mit 2 x 12,5 mm Gipskarton.
Die Außenwände erhielten eine einseitige Beplankung; hierbei nahm man für die Vorsatzschalen Knauf W 626 mit 2 x 12,5 Gipskarton. Doch nicht nur das Geschick der Trockenbauer war gefordert, sondern auch die Schreiner und Spachtler mussten mit besonderer Sorgfalt arbeiten.
Schließlich galt es, in die gebogenen Zwischenwände geradlinige Elemente wie Fenster, Türen und Fußleisten einzubauen. Der ovalen Krümmung der Gebäudemitte folgt ein Edelstahlrohr als Fußleiste.
Dämmkonzept
Der einfache Baukörper besteht aus massiven Außenwänden mit einer hinein gestellten Holzkonstruktion.
Auch Dach und Zwischendecken sind Teile der Holzkonstruktion. Eine Wärmedämmung gab es in den alten Fabrikhallen nicht.
Bei den Wänden kam nur eine Innendämmung in Frage. Dabei sollten die an den Außenwänden stehenden Holzpfosten möglichst sichtbar bleiben.
Zwischen die Holzpfosten wurde eine Vorsatzschale aus Ständerprofilen montiert.
Um Wärmebrücken zu vermeiden, wurden die Profile einige Zentimeter von der Außenwand entfernt befestigt. Eine Dampfbremspappe reduziert den Feuchtezustrom in die Dämmung. Die Vorsatzschale wurde dann setzungssicher mit Zellulosedämmstoff ausgeblasen. Als Oberfläche der Vorsatzschale dient eine Verkleidung aus Gipskartonplatten.
Geschichtsspuren
Die Fenster mussten erneuert werden. Es wurden Eichenfenster mit Sicherheitsglas eingesetzt, bei denen die originale Sprossenteilung nachempfunden wurde. Im Treppenhausbereich verbleibt das originale Stahlgeländer.
Alte Stahlblechtüren, im originalen Zustand belassen, haben im neuen Grundriss wieder eine Funktionen erhalten als eine der stärksten Anbindungen an die alte Industriegeschichte.
Weitere Hinweise auf die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes finden sich in einem Büroraum im 1. OG: Dort befand sich eine Spritzecke zum Ausprobieren von Farbtönen für die Stuhlfabrikation. Die entsprechenden Farbspritzer und -kleckse bleiben erhalten.
• Gipskartondecke
• Gipskartonwand
………………………….
Planung / Bauleitung: Planungswerkstatt Claus Hömberg, Edertal
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