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Anforderung:
Denkmalgeschütztes Fabrikgebäude zu Büroräumen umnutzen und dabei respektvoll mit dem Bestand umgehen
Lösung:
Alte Materialien behutsam restaurieren und mit modernen Elementen aus Beton, Stahl, Glas und Holz ergänzen
Das denkmalgeschützte Fabrikgebäude wurde im Jahr 1973 errichtet und befindet sich an der Hafenfront Lissabons mit Blick auf die Bucht des Tajo. Der historische Armeekomplex wird derzeit in ein sogenanntes Innovationsviertel – »Hub Criativo de Beato« – umgewandelt. Auf 12.400 m² Bruttogrundfläche sind in der alten Nudelfabrik vor allem Büroflächen für große Unternehmen und Start-Ups entstanden. Hinzu kommen Restaurants, eine 2.000 m² große öffentliche Dachterrasse und verschiedene Veranstaltungsräume.
Auftraggeber ist das Unternehmen Factory International, dessen Ziel es laut Website ist, „internationale Innovationsgemeinschaften zu gestalten und zu entwickeln“.
Mäandernde Erschließungszone
Das ursprüngliche Fabrikgebäude aus den 1970er Jahren war war vorrangig auf die Unterbringung von Nudelmaschinen ausgelegt. Der Bau ist 200 m lang, aber nur 11 m breit. „Dieses schmale Volumen würde normalerweise die Einbringung mehrerer Betonkerne für die Fluchtwegnutzung erfordern“, so Architekt Julian Breinersdorfer. Da die vorhandenen Treppenhäuser zudem nicht mehr den heutigen Anforderungen an Fluchtwege entsprachen, entschieden sich die Architekten dafür, die gesamte Erschließung nach außen zu verlegen.
Weiße Stahlstege und einläufige Treppen mäandern nun an der gesamten Fassade entlang, bis sie in der Mitte des Gebäudes durch die Fassade hindurch nach innen stoßen. An den Stellen, wo die äußeren Stege auf die Fassade treffen, wurden die alten Ziegel herausgenommen und als nach innen geknickte Fläche wiedereingesetzt.
In der zentralen Halle umlaufen die neuen Erschließungselemente die historischen Silos und einen neuen Aufzugsschacht. Die Treppen sind in diesem Bereich von der Decke abgehängt, um ihren strukturellen Eingriff zu minimieren. Der neue Aufzugsschacht ist mit Spiegeln verkleidet, so dass er mit den historischen Farben und Elementen zu verschmelzen scheint. Nachts machen die Handläufe der mäandernden Erschließungszone mit effektvoller Beleuchtung auf sich aufmerksam.
Edelstahlnetz für Geländerfüllungen
Die Geländer der Erschließungsstege und Treppen sind mit Edelstahlnetzen des Unternehmens Jakob Rope Systems gefüllt. Dank seiner Transparenz stört ‚Webnet‘ weder die Lichtführung noch bestehende Sichtverbindungen. Je nach Lichtverhältnis und Betrachtungswinkel wirken die Stahlseile nahezu unsichtbar. Das Edelstahlnetz ist ähnlich lichtdurchlässig wie ein Glasgeländer, behält den Raum jedoch akustisch offen. Gleichzeitig bildet es eine wirksame Barriere: Dank der hochwertigen Edelstahlausführung und der Zertifizierung durch das Deutsche Institut für Bautechnik bietet es verlässliche Sicherheit. Zudem ist das Material laut Hersteller korrosionsfrei und damit äußerst langlebig.
‚Webnet‘ eignet sich für die Nutzung im halböffentlichen und öffentlichen Raum wie auch für den privaten Bereich. Die Maschenweite und die Belastbarkeit der Netzstruktur lassen sich durch die Auswahl verschiedener Seildurchmesser flexibel den jeweiligen Sicherheitsansprüchen anpassen. Die Netze werden in Webnet-Technik von Jakob auf Wunschabmessung gefertigt, jede Lösung wird dabei individuell konzipiert. Farben, Abmessungen und Eigenschaften sind variabel, alle Webnet-Produktionen der Werkstoffgruppe AISI 316 richten sich ganz nach den Erfordernissen des jeweiligen Projektes.
Respektvoller Umgang mit dem Bestand
Architekt wie Bauherr legten großen Wert darauf, stets respektvoll mit dem Bestand umzugehen. „Alle größeren Eingriffe sind deshalb als weiße Stahllinien gezeichnet“, so Julian Breinersdorfer. „Sie ergänzen oder reparieren, was notwendig ist, und lassen dabei die historische Bausubstanz lesbar und intakt.“
Die Beton-Skelettkonstruktion des ehemaligen Fabrikgebäudes blieb ebenso wie die vorhandenen Treppenhäuser erhalten. Auch die grundsätzliche Einteilung der Fassade blieb bestehen, allerdings wurden einige der Backsteinausfachungen entfernt und durch großzügige Verglasungen ersetzt, um mehr Licht hereinzulassen bzw. die Durchwegung zu ermöglichen. Zwischengeschosse wurden ausgebaut, um hohe Räume effizienter zu nutzen. Um das Gebäude erdbebensicher zu machen, wurden zudem zusätzliche Auskreuzungen angebracht.
Im Inneren wurden historische Details wie beispielsweise eine alte Nudelmaschine, die gelben Lochziegelwände oder beschädigte Marmortreppen liebevoll restauriert und in das neue Raumkonzept integriert. In Kombination mit schicken Möbeln, großen Topfpflanzen und offenliegenden Installationen sind hier attraktive, meist beidseitig belichtete Arbeitsräume entstanden, die sich durch eine interessante Schichtung alter und neuer Elemente auszeichnen.
„Alle Baumaterialien, Oberflächen und Geometrien wurden so ausgewählt, dass sie mit dem magischen Atlantiklicht in Lissabon resonieren“, so die Architekten.
Projekt: Factory Lisbon
Standort: Av. Infante Dom Henrique 143, 1950–406 Lisboa, Portugal
Bauherr: Factory
Architekten: Julian Breinersdorfer Architekten, Berlin
www.julianbreinersdorfer.com
Genehmigungsplanung: José Baganha Arquitectos, Parede, Portugal
www.jbaganha.com
Ausführender Architekt: Angela Maurice Arquitectos, Lissabon
BGF: 12.400 m²
Fertigstellung: 2022