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Ganz ohne fossile Energieträger

Neubau Reinigungshof in Berlin
Ganz ohne fossile Energieträger

Anne Fingerling / red.

Das neue Sozial- und Verwaltungsgebäude der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) in Berlin-Pankow entstand u.a. mit der Zielvorgabe, auf den Einsatz fossiler Heizenergie ganz zu verzichten. Das Konzept verbindet ökonomische Kostenvorteile mit konsequenter Ressourcenschonung.
Das vollunterkellerte, viergeschossige Gebäude gliedert sich in zwei annähernd gleiche, kompakte Baukörper, die durch einen vollflächig verglasten Mittelbau miteinander verbunden sind.
Um möglichst große Energieeffizienz zu erreichen, legten die Planer Wert auf konsequente Südausrichtung, eine gute Wärmedämmung, die die Anforderungen der EnEV um 38% unterschreitet, hohe Luftdichtigkeit der Gebäudehülle und ein innovatives Energiegewinnungs- und Lüftungskonzept.
Gebäudeteile
Der nach Süden orientierte Mittelbau bildet nicht nur den Eingangsbereich. Gleichzeitig dient der mediterran bepflanzte Wintergarten als Wärme- und Klimapuffer und verbessert das Raumklima zum angrenzenden Foyer, der Cafeteria und den beiden Besprechungsräumen.
Außen liegende Jalousien verhindern eine Überhitzung und über ein Klappensystem wird überschüssige Wärme abgeleitet.
Der Gebäudeteil westlich des Verbindungsbaus erfüllt ausschließlich Bürofunktion. Im östlich gelegenen Gebäudekomplex befinden sich im EG ebenfalls Büros, im 1. OG ein Speise- und Versammlungsraum, und in den beiden oberen Etagen haben die Bediensteten der Stadtreinigungsbetriebe ihre Dusch- und Umkleideräume.
Im Kellergeschoss ist sowohl die gesamte Haustechnik untergebracht als auch die Lagerflächen für Küche und Arbeitskleidung.
Konstruktiv
Die Außenwände der vier Vollgeschosse bestehen aus 24 cm Kalksandsteinmauerwerk, bekleidet mit einer hinterlüfteten, wärmegedämmten (12 cm Mineralwolle WLG 40) Vorsatzschale aus grauem 11,5 cm Betonsteinverblendmauerwerk.
Aufgrund des guten Speichervermögens der Kalksandsteine bestehen auch die tragenden Innenwände aus 24er Kalksandsteinmauerwerk; im nicht tragenden Bereich sind es 11,5 cm Kalksandstein- bzw. Ständerwände.
Das Dach ist als Warmdach ausgebildet, mit einer 20 bis 38 cm starken Gefällewärmedämmung aus expandiertem Polystyrol-Hartschaum. Unter der abschließenden 6 bis 10 cm dicken Kiesschüttung befindet sich eine 6 mm Gummi-Bautenschutzmatte.
Raumseitig wurde zwischen Gefälledämmung und den thermoaktiven Stahlbetondecken (24 cm) eine Dampfsperre aus Bitumenpappe verlegt.
Haustechnik
Die unverputzten, weiß gestrichenen thermoaktiven Raumdecken ersetzen konventionelle Heizkörper und sind vergleichbar mit einer Fußbodenheizung. Da sie sich jedoch an der Unterseite der Geschossdecken befinden, strahlt die Wärme nach unten und sorgt für eine angenehme Umgebungstemperatur.
Als Herausforderung im Planungsprozess erwies sich vor allem bei der technischen Gebäudeausrüstung die Schnittstelle zwischen Architekt und Haustechnikplaner: Die beteiligten Firmen mussten rechtzeitig angeben, wo Rohrdurchführungen für die Haustechnik benötigt werden.
Denn nachträgliches Bohren oder Stemmen an den thermoaktiven Bauteilen war von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen worden, um eine Beschädigung der Rohrleitungen in den Decken zu vermeiden.
Solare Gewinne über Fenster
Zur Erzielung maximaler solarer Gewinne kommt den Fenstern eine besondere Bedeutung zu. Sie bestehen aus einer thermisch getrennten und Aluminium-Konstruktion mit Wärmeschutzverglasung (Rahmen: RMG 1 feststehend, U-Wert Fenster 1,1 W/m²K, g-Wert 0,58).
Die Fenster sind weitgehend festverglast mit farblich abgesetzten Öffnungsflügeln. Während der gesamten Heizperiode lässt sich über die Fenster ein Nettoenergiegewinn erzielen.
Diesen Effekt macht sich der zum Gebäude hin geöffnete Wintergarten zunutze. Wintergarten und Norderker bestehen ebenfalls aus einer thermisch getrennten Alukonstruktion mit Wärmeschutzverglasung. Außenjalousien verhindern sowohl unerwünschte Erwärmung der Räume als auch Blendwirkung. Die Steuerung der Jalousien erfolgt automatisch und richtet sich nach dem Sonnenstand sowie der Wind- und Außentemperatur.
Ein in die Außenjalousien integriertes Lichtlenksystem versorgt die Räume bei Bedarf mit ausreichend Tageslicht; die obersten Lamellen stellen sich hoch und reflektieren das Sonnenlicht an die weiß gestrichenen Decken. Um den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung zu tragen, ist das Lichtlenksystem einschließlich der Jalousiensteuerung auch manuell regulierbar.
Lüftungskonzept
Die mediterrane Bepflanzung im Wintergarten trägt das ganze Jahr über zusätzlich zu einem angenehmen Innenraumklima bei und unterstützt die Quelllüftung, die die Büroräume vom Fußboden zur Decke hin diagonal mit aufbereiteter Frischluft durchspült. Die gesamte Frischluft für Büros, Kantine und Umkleidebereich wird über so genannte Luftbrunnen auf dem Gelände angesaugt, und durch ein 2,5 m tief im Erdreich verlegtes Röhrensystem geleitet, wo sie entsprechend vortemperiert den drei Lüftungsanlagen mit integrierter Wärmerückgewinnung zugeführt wird.
„Etwa anderthalb Mal pro Stunde wird so die gesamte Innenluft für die Büroräume gegen gefilterte Frischluft ausgetauscht, sehr zur Freude aller Allergiker“, erklärt Gert Thierfelder, Abteilung Facility Management von der Geschäftseinheit Immobilienmanagement bei den BSR.
Insgesamt sind das rund 27 000 m³ Luft, die pro Stunde im gesamten Bürogebäude ausgewechselt werden. Die Wärmerückgewinnung arbeitet mit einem Wirkungsgrad von 90 bis 95%.
Energiekonzept
Die gezielte Nutzung der Sonnenenergie in Verbindung mit guter Wärmedämmung und luftdichter Gebäudehülle ermöglichen es, auf fossile Energieträger für die Gebäudeheizung vollständig zu verzichten.
„Wir erzeugen unsere gesamte Wärmeenergie zur Gebäudebeheizung, zur Lüftungserwärmung und Duschwarmwasserbereitung aus eigener Kraft“, betont Thierfelder. Etwa die Hälfte der erforderlichen Wärmeenergie wird „aktiv“ über Erdkollektoren und Wärmepumpen aus dem Erdreich (ca. 36%) und über Solarkollektoren auf dem Dach (ca. 11%) gewonnen.
Die Wärmerückgewinnung aus der Büroabluft (ca. 46%) sowie aus dem Duschwasser (ca. 8%) stellt die andere Hälfte. Somit entsteht sogar ein leichter Energieüberschuss.
Energie aus Sonne und Erde
42 Solarkollektoren (rund 164 m²) auf dem Dach des Sozialgebäudes erwärmen das Duschwasser für die 230 Mitarbeiter des Reinigungshofes. Auf dem Dach der Winterdienstgarage erzeugen 168 PV-Module Strom, auf einer Fläche von 234,1 m² und mit einer Leistung von 29,7 kWp. Diese Energie wird gegen entsprechende Vergütung in das öffentliche Netz (BEWAG) eingespeist.
Neben der Solarthermie stellen die Erdkollektorfelder die Hauptwärmequelle des Gebäudekomplexes dar: In 1,5 m Tiefe liegen im Erdreich auf einer Fläche von 4 500 m² von Sole durchflossene Kunststoffrohre, die auf einer Länge von ca. 8 500 m die Erdumgebungstemperatur nutzen.
Über zwei Wärmepumpen wird die Temperatur auf ein höheres Niveau gehoben, um beispielsweise bei Bedarf das Duschwasser nachzuheizen oder die thermoaktiven Raumdecken zu versorgen.
Erfolgt in bestimmten Zeiten keine Entnahme aus dem Erdspeicher, so leitet das System die anfallende Überschusswärme in den Fundamentspeicher. Das ist die isolierte, bis zu 1 m dicke Fundamentplatte des Sozialgebäudes mit etwa 4 000 m Heizleitungen, die die Wärme der Sommermonate speichert und sich auf 30 bis 40 °C aufheizt.
Bei Bedarf wird die gespeicherte Wärmeenergie wieder entnommen und in den Heizkreislauf eingespeist. Das ermöglicht eine kontinuierliche Wärmeversorgung sowie ganzjährige Speicherung von Wärme und gewährleistet ein optimales Temperaturniveau im Gebäude.
Ganzheitlicher Ansatz
Auch die Beleuchtung sowie die Wasserver- und Entsorgung sind Bestandteile des Energiekonzeptes. Durch Oberlichter in den Bürotrennwänden erhalten beispielsweise die angrenzenden Flure ausreichend Tageslicht.
Die elektronische Beleuchtung in den Büros ist anwesenheitsabhängig programmiert; verlässt ein Mitarbeiter den Raum, so schaltet die Beleuchtung nach einer gewissen Zeit automatisch ab.
Das Regenwasser der Dachflächen wird in drei unterirdischen Regenspeichern gesammelt. Das Volumen von ca. 4 250 m³ deckt einen Großteil des Wasserbedarfs für den Einsatz der Kehrmaschinen oder die Bewässerung der Grünanlagen.
Überschüssiges Regenwasser wird auf dem Hof in Mulden-Rigolen versickert bzw. im Feuchtbiotop gesammelt. Die Reinigung der Kehrmaschinen erfolgt mit Hilfe eines geschlossenen Wasserkreislaufs, der das Waschwasser durch mechanische und biologische Reinigung immer wieder aufbereitet.
Das Vorhaben erhielt eine Auszeichnung „Klimaschutzpartner 2002“ und wurde mit Mitteln der Europäischen Union sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter der Projektnummer 4788 UEP/OÜ1 gefördert.
Weitere Informationen
Solarkollektoren bba 550
Erdpumpe bba 551
Wärmepumpe bba 552
Thermoaktive Decken bba 553
Planung: Architekturbüro Görs, Berlin Statik: Ingenieurbüro Bendel, Bradke & Lang, Berlin Prüfstatiker: Dipl.-Ing. Reußner, Berlin Gebäudesimulation: GMW-Ingenieurbüro GmbH, Hannover Haustechnik: Ingenieurbüro Zehmisch, Bad Freienwalde
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