Mit Ecken und Kanten

Dass der CAD-Einsatz in Architekturbüros nicht zwangsläufig zu langweilig rechteckiger Rasterarchitektur führen muss, ist inzwischen allseits bekannt.

Das Berliner Büro Vorderwülbecke beweist mit seiner Arbeit sogar das Gegenteil: Ohne CAD ließe sich seine individuelle, expressive Architekturhandschrift wirtschaftlich überhaupt nicht realisieren.

Das Büro Vorderwülbecke strebt in seinen Objekten immer wieder ein ehrgeiziges Ziel an: die ideale Mischung von Freizeitgestaltung, Wohnen und Gewerbe.

Die verschiedenen Ebenen des Alltags werden miteinander vernetzt; dabei entstehen überraschende Wechsel und neue, interessante Kombinationen.

Funktionelle Übergänge finden auch im Grundriss und in der Fassadengestaltung ihre Ausprägung: Kein Grundriss gleicht dem anderen, jede Wohnung ist individuell zugeschnitten. Fassaden zeigen durch Brüche, Kanten, Vorsprünge und Materialwechsel Eigenständigkeit.

Diese differenzierte Architektur gibt den Nutzern die Möglichkeit, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Als freier Architekt ist J.F. Vorderwülbecke in Kooperation mit verschiedenen Partnern unterschiedlicher Fachrichtungen aktiv. Neben Planungsleistungen führt das Büro Ausschreibungen, Projektvergaben und Bauleitungen durch.

Wohnhäuser als differenzierte Form zu planen und zu bauen, scheint angesichts der Rationalisierung und Kosteneinsparung im Geschosswohnungsbau kaum mehr möglich zu sein. Dass es auch anders geht, zeigt das Büro Vorderwülbecke mit der Wohnbebauung Am Steinberg in Berlin.

Aufgrund der Auslagerung einer Fleischfabrik war im Bezirk Weißensee ein gründerzeitlicher Baublock neu zu beplanen. Benachbarte alte Mietshäuser mit ihren Stuckfassaden und Hofdurchfahrten bestimmten die Baukanten und die Bauhöhe des dreieckigen Blocks.

Diesen städtebaulichen Kontext nahmen die Berliner Architekten zwar auf, folgten jedoch einer ganz anderen Formensprache: Kanten, Ecken, Schrägen und Spitzen beleben sowohl die Grundrisse als auch die Fassaden.

Trotz polygonaler, spitzwinkliger Zuschnitte sind die Grundrisse sehr gut nutzbar und entsprechen den Regeln des sozialen Wohnungsbaus.

Der Straßenfront folgend, hält sich die Außenfassade in ihrer plastischen Ausbildung zurück, steigert sich aber im Innenhof zu einer beeindruckenden Formenvielfalt, die an expressionistische Projekte Bruno Tauts oder die Bauten Hans Scharouns erinnert.

Drei Jahre CAD-gestützte Planung waren notwendig, die Wohnskulptur zu Papier zu bringen, drei weitere Jahre erforderte die Realisierung.

Nach der Schlüsselübergabe waren knapp 563 Wohn- und 24 Gewerbeeinheiten mit insgesamt rund 46 000 m² Nutzfläche gebaut.

Ohne die Unterstützung des Rechners wäre eine wirtschaftliche Planung dieses individuellen Projektes überhaupt nicht möglich gewesen. Aufbauend auf einem großen Erfahrungsschatz – CAD wird im Büro Vorderwülbecke seit 1993 genutzt -, konnte die Wohnbebauung Berlin-Weißensee vollständig rechnergestützt realisiert werden. Von der Leistungsphase 1 bis 5 wurde und wird bewusst am PC gearbeitet, denn die extrovertierte, im Detail jedoch immer schlüssige Architektur ist kein Zufall.

Bereits in der Entwurfsphase nutzt das Büro dreidimensionale CAD-Modelle für die Überprüfung von Knotenpunkten, Auflagern oder Anschlüssen. Shadings oder Renderings werden erstellt, um bürointern formale Fragestellungen zu klären: Passt das Blechdetail zum umgebenden Sichtmauerwerk? Wie wirkt diese oder jene Fensterteilung? etc.

Dabei werden der 3D-Teil des CAD-Programms Spirit 11 sowie zahlreiche Konstruktions- und Visualisierungsmodule sehr intensiv genutzt. Das in der neuen Version überarbeitete und erweiterte Dach-Modul leistet dabei besondere Dienste, da eine manuelle Dachkonstruktion über polygonalem Grundriss selbst erfahrene CAD-Anwender ins Schwitzen bringt.

Ein Mausklick auf den Grundriss genügt und das Dach-Modul erzeugt automatisch ein Standarddach, das anschließend individuell modifiziert werden kann. Konventionelle Modelle aus Holz, Karton oder Styropor werden in diesem Büro kaum mehr gebaut, zumal sich auch in der Präsentation gerenderte Bilder bewährt haben.

Nicht nur die Dachkonstruktion wird ganz wesentlich erleichtert, auch mit dem Treppenmodul lassen sich in ähnlich intuitiven Arbeitsschritten über einer definierten Grundrissform gerade oder verzogene Treppen mit oder ohne Podeste sowie Spindel- oder Wendeltreppen automatisch modellieren.

So geht’s: An- und Austrittspunkt mit zwei, bei einer verzogenen Treppe mit drei oder mehr Mausklicks definieren. Das Programm schlägt über die vorhandene Geschosshöhe einen Treppenlauf vor, der beliebig modifiziert werden kann. Lassen sich Mindest-Auftrittsbreiten oder -Kopfhöhen nicht einhalten, erkennt dies der Bearbeiter sofort. Auch unterschiedliche Konstruktionsarten wie Beton-, Stahl/ Holztreppen oder Detailausbildungen wie aufgesattelte oder eingestemmte Stufen werden berücksichtigt.

Parallel zum 3D-Treppenmodell, das anschließend anschaulich visualisiert werden kann, entsteht automatisch der dazugehörige 2D-Treppengrundriss.

Hilfen in einem ganz anderen Bereich bietet CAD im Büro auch bei der Akquisition neuer Aufträge.

Das Geländemodellier-Werkzeug der neuen Version Spirit 11 bietet zum Beispiel die Möglichkeit, die Entwurfslösung in das topographische Umfeld einzubinden. Wird die Topographie über Höhenlinien oder -punkte eingegeben, erzeugt Spirit 11 daraus ein engmaschiges Geländemodell, das durch Straßeneinschnitte, Böschungen, Terrassen oder Baugruben ergänzt werden kann.

In diese virtuelle Baugrube lässt sich das Gebäude einfach hineinstellen, womit der Geländeverlauf um das Bauwerk herum wirkungsvoll visualisiert werden kann. Auch für die Teilnahme an Wettbewerben ist das Büro bestens gerüstet: Das Programm offeriert eine ganze Palette neuer Werkzeuge. Eine Fülle plangrafischer Funktionen trägt dazu bei, eigene Ideen überzeugend ins Bild zu setzen und Wettbewerbspläne attraktiv aufzuarbeiten. Alternativ können aktuelle Projekte auf der eigenen Homepage abgelegt werden, was eine zeitgemäße Projektpräsentation ermöglicht.

• Spirit 11