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„Keine Scheininterpretation“

Revitalisierung des Phönix-Hauses in Düsseldorf
„Keine Scheininterpretation“

Dipl. Ing. Olaf Meier

Am Eingang zur Düsseldorfer Altstadt, direkt am Rhein gelegen, steht das von 1922 bis 1926 errichtete Phönix-Haus, ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Firma Phönix AG.
Nach einer wechselhaften Geschichte, in der das Gebäude unter anderem 1943 durch Brandbomben erheblich zerstört wurde, um dann nach dem Krieg eher notdürftig wieder aufgebaut bis in die 90er Jahre als Sitz des Landesarbeitsamtes zu dienen, hat das Haus jetzt wieder seinen alten Charme zurückerhalten. Nachdem es fünf Jahre leer stand, erwarb es 1999 die Landesentwicklungsgesellschaft NRW. Gemeinsam mit dem Architekturbüro HPP Hentrich-Petschnigg & Partner sowie der Hochtief AG als Generalunternehmen wurde das Gebäude zu einem modernen und repräsentativen Sitz der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.
Städtebaulicher Übergang in die Altstadt
Für den Neubau ihres Verwaltungsgebäude schrieb die Phönix AG 1921 einen Wettbewerb aus. Es sollte ein Gebäude entstehen, dass nicht nur der Unternehmensverwaltung Platz bot, sondern auch einen städtebaulichen Übergang in die Altstadt darstellen sollte. Gewinner des Wettbewerbs war der Düsseldorfer Architekt Karl Beck, der jedoch verstarb, bevor er seinen Entwurf umsetzen konnte. So wurde Professor Karl Wach, zweiter Preisträger des Wettbewerbs, beauftragt, in Anlehnung an den Entwurf Becks ein Bauwerk mit einem Hauptgebäude und zwei Seitenflügeln zu errichten.
Die Axialität der Anlage hob der Mittelrisalit des Hauptgebäudes hervor. An den nur wenig niedrigeren Seitenflügeln schließen sich im Osten Pavillons an, die mit einer Mauer verbunden waren. Dahinter öffnete sich ein plattenbelegter Hof, von dem aus seitlich Treppenaufgänge und entlang der Zentralachse der Anlage eine breite Treppe in die Arkaden des oberen Hofes führen. Baumbestand beschattete den oberen Hof.
Hinter dem Risalit des Hauptgebäudes lag im ersten Obergeschoss ein großer Sitzungssaal, an den sich Direktionsräume anschlossen.
Die architektonische Inszenierung von Arkaden, Treppen und sich addierenden Höfen und die gewünschte Repräsentativität der Erschließungsachse wurde durch terrakottaverkleidete Arkaden und den Mitteltrakt, der durch Rosetten und ein bekröntes Tympanon verziert war, noch gesteigert. Die Keramiken im Verwaltungsgebäude stammen von dem Bildhauer Ludwig Gies.
Ursprünglicher Charakter mit neuem Nutzen
Um dem historischen Gebäude neues Leben zu geben, musste ein erheblich größeres Raumprogramm untergebracht werden und gleichzeitig sollte – unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes – das Haus wieder seinen ursprünglichen Charakter erhalten. Um die verschiedenen Interessen dabei möglichst optimal zu berücksichtigen, hat das Architekturbüro HPP bei der Planung von Anfang an Denkmalschutzbehörde, Bauherren, Generalunternehmen und die Staatsanwaltschaft als zukünftiger Nutzer mit eingebunden.
Das Phönix-Haus befand sich trotz seines Alters und fünf Jahren Leerstand noch in einem relativ guten Zustand.
Daher wurde das Gebäude nicht komplett entkernt. Dennoch musste zunächst einmal überlegt werden, wie das Gebäude für die Staatsanwaltschaft nutzbar gemacht werden konnte. Die vorhandene, alte Deckenlast hätte die Archive der Staatsanwaltschaft nicht tragen können, zudem fehlte es an Räumlichkeiten.
Die Lösung stellte ein Stahlkorsett dar, das in das bestehende Haus eingezogen wurde. Die Decken im Gebäude verstärkte man auf eine Tragkraft von 500 kN/qm, insgesamt wurden 250 t Stahl eingebracht. Gleichzeitig wurde das komplette Dachgeschoss entfernt und mit zwei Dachgeschossen neu aufgebaut, um so mehr Nutzfläche zu erhalten.
Im Innenhof wurde ein zweigeschossiger Neubau errichtet. Hier sind Tresorräume, Küche, Kantine, Haftzellen und Lagerräume untergebracht. Zur Belichtung der unteren Ebenen wurden zwei Atrien eingebaut.
Neu und alt nebeneinander
Im Innenhof liegt auch der Eingangsbereich des U-förmigen Gebäudekomplexes. Hier befindet sich heute der Empfang und die Sicherheitsschleuse der Staatsanwaltschaft. Die Sicherheitsschleuse selbst steht frei im Hof. Man erkennt sofort, dass es sich um ein Additiv handelt, das jederzeit wieder herausgenommen werden kann, sollte sich der Nutzen des Gebäudes ändern.
Wie im ursprünglichen Entwurf geplant, wurde der Innenhof wieder mit einer Mauer geschlossen. Sie besteht aus den gleichen Materialien wie die historische Substanz, ist aber durch Fugen klar von den alten Elementen abgesetzt. Professor Thomas Fürst, Partner und Kommanditist von HPP: “Bei der Denkmalpflege haben wir erhalten, was erhalten werden konnte. Neue Elemente haben wir klar erkennbar neben alte gesetzt.” So entstand ein bewusstes Nebeneinander von Alt und Neu. Unabdingbar für ein viergeschossiges Verwaltungsgebäude sind Aufzüge. Im Rahmen der verschiedenen vorhergegangenen Umbaumaßnahmen wurden notdürftig Aufzüge in die Treppenaufgänge des Phönix-Hauses eingebaut, die dadurch aber völlig verstellt wurden und ihre Großzügigkeit verloren hatten. HPP hat daher die alten Aufzüge durch zwei moderne Systeme ersetzt, wobei ein Aufzug in einer Ecke des Gebäudes „verschwindet“, während ein zweiter frei vor dem Haus seinen Platz gefunden hat, auch hier wieder klar von der alten Substanz getrennt.
Das ursprüngliche Phönix-Haus hatte eine sehr breite Palette verschiedenster Kunst- und Stilrichtungen, von barocken Dachformen bis hin zu expressionistischen Fenstern. “Das war die damalige Auffassung, an der wir nicht herum kritisieren, sondern die wir zeigen. Allerdings haben wir uns erlaubt, dem Ganzen einen neutralen Deckmantel zu geben,” so Professor Fürst. Dieser neutrale Charakter des Baus kann mit dem Haus altern und stört das Zusammenspiel zwischen Neu und Alt nicht. So wurde der große Sitzungssaal, der zusammengestürzt war, wieder im alten Sinne hergerichtet, mit dem alten Volumina, dem Licht und den Fenstern des ursprünglichen Entwurfs. Die Deckenstrukturen aber, die nicht mehr wiederherzustellen waren, ersetzte man durch sehr sachliche und schlicht gehaltene Elemente.
Fenster in die Vergangenheit
Die Treppenhäuser, der große Sitzungssaal, der Raum des Behördenleiters sowie das Vernehmungszimmer erhielten Leuchten der Glashütte Limburg, deren zeitlose Formen wie Kugel oder Kalotte den neutralen Charakter des Gebäudes unterstrichen.
Leuchten, deren schlichtes, durch handwerkliche Arbeit geprägtes Design schon in den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts in dem Phönix-Haus Verwendung fanden. “Es muss keine Design-Lampe sein, deren Haltbarkeitsdatum in formaler Hinsicht sowieso begrenzt ist,” erklärt Professor Fürst. Die Philosophie, die alte Substanz zu bewahren und zu ergänzen, wo es sinnvoll ist, aber nicht zu versuchen, künstlich wieder ein “altes” Haus zu errichten, zieht sich durch das gesamte Gebäude. So werden in den Gängen, deren Struktur vorgegeben war, alle Nischen und Ecken bewusst gezeigt, Stukkaturen jedoch, die nicht mehr vorhanden waren, nicht wiederhergestellt. “Wir wollten keine Scheininterpretation alter Sachen im disney´schen Sinne,” erklärt Professor Fürst. Besonders deutlich wird dies an einer Stelle, wo ein Stück des alten Bodens bewusst gezeigt wird. Hier wurden Reste des alten Tonfliesen-Bodens gefunden, dessen Restaurierung nicht nur Unsummen an Geld verschlungen hätte, sondern auch für die Nutzung in einem modernen Verwaltungsgebäude nicht mehr geeignet ist.
Daher bedeckt heute eine moderner Kautschukbelag, der noraplan stone von Freudenberg, den Boden. Dieser Belag ist besonders für starke Belastungen ausgelegt und gegenüber Verschmutzungen unempfindlich.
An einer Stelle jedoch blieb der alte Boden sichtbar, wie ein Fenster in die Vergangenheit, so dass heutige Besucher jederzeit erfahren können, wie es früher einmal aussah.
Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, bei einer Umnutzung des Gebäudes den alten Tonziegel-Boden wieder offenzulegen und zu restaurieren. Professor Fürst: “Wir haben nichts verschüttet oder weggenommen. Wenn wir aus Gründen der Kosten und der Nutzung bestimmte Elemente nicht restaurieren konnten, haben wir sie nur verdeckt, so dass man zum Beispiel den Boden jederzeit wieder zeigen kann.”
Die Fassade des Gebäudes selbst wurde nur wenig geändert. Sie ist in Teilen mit Keramikplatten, Basaltlava und Horizontalbändern aus Muschelkalk sowie mit Keramikreliefs von Ludwig Gies gestaltet.
Die Fassadenfläche wurde gereinigt und gestrichen, die Fenster und Fensterbänke erneuert. Nach dem Krieg erhielt das Gebäude unterschiedlichste Fenster mit verschiedenen Formen. Sie wurden im Rahmen der Renovierung in Anlehnung an die alten Pläne durch “echte” Sprossenfenster ersetzt. Dadurch gewinnt das Haus wieder seinen alten Charakter.
Diese Ausstrahlung wird durch die Dachsteine unterstrichen: “Natürlich hätten wir gerne Biberschwanz-Ziegel gehabt, aber auf Grund der Kostenstruktur mussten wir eine Alternative suchen,” so Professor Fürst. Diese Alternative fand man in dem Betondachstein Tegalit von Lafarge Dachsysteme (ehem. Braas).
Als „ebenes“ Bedachungsmaterial erinnert dieses Modell mit seiner klaren Linienführung an sauber behauene Steinplatten. Seine strenge Geometrie lässt großzügige Dachflächen entstehen und gibt vor allem der Form und Architektur des Daches einen ruhigen Charakter.
Wesentliche Philosophie von Professor Fürst ist, Architektur nicht als eine modische Erscheinung zu betrachten. Die gesamte Revitalisierung des Phönix-Hauses spiegelt das in der Auswahl der Materialien und in der Art, wie neue Elemente eingebunden wurden, wider.
Preislich straffer Rahmen
„Das Haus ist in einem preislich sehr straffen Rahmen umgebaut worden,“ zieht Professor Thomas Fürst sein Fazit, „das hat vielleicht auch manchmal dazu beigetragen, dass es gut geworden ist, denn man hat dadurch viele Spielereien einfach sein lassen müssen. Und das ist manchmal auch eine sehr positive Restriktion für den Architekten!“
• Kautschukbelag „noraplan stone“
• Betondachstein „Tegalit“
• Leuchten
………………………..
Architekten: HPP Hentrich-Petschnigg & Partner KG, Düsseldorf Partner Planung: Thomas M. Fürst, Prof. Dipl.-Ing. AIV
Projektleiter: Dipl.-Ing. Christoph Ebert,
Mitarbeiter: Heike Pauckert-Noelte, Dipl.-Ing. Bärbel Walger, Dipl.-Ing.Lothar Franzen, Dipl.-Ing. Jörg Benning
Bauherr: LEG Landesentwicklungsgesellschaft NRW GmbH, Düsseldorf
Generalunternehmer: Hochtief – Niederlassung Düsseldorf
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