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Unterschätztes Bauteil

Nachrüstpflicht für oberste Geschossdecke
Unterschätztes Bauteil

Markus Hoeft

Bei Neubauten oder Komplettsanierungen entwickelt der Planer ein Konzept des Wärmeschutzes für die gesamte Gebäudehülle, wodurch einzelne Bauteile wie die oberste Geschossdecke nicht unbedingt gesonderte Überlegungen erfordern. Wenn jedoch ein Bestandsbau in Teilschritten energetisch verbessert werden soll, gelangt man zwangsläufig zu einer Betrachtung der Einzelbauteile – und damit auch zum Ob und Wie der Wärmedämmung der obersten Geschossdecke, die beheizte (Wohn-)Räume gegen den kalten (Dach-)Raum abgrenzt.
Termingebundene Nachrüstungsanforderungen
Die Verbesserung dieser Decke ist – im Vergleich etwa zu Fenstern, Wänden oder Dächern – eine eher einfache und unaufwändige Maßnahme, weil das Bauteil im Innern des Gebäudes liegt und damit keiner Witterung ausgesetzt ist.
Gerade deshalb kann die wärmetechnische Bedeutung der obersten Decke aber auch schnell unterschätzt werden: Obwohl sie kein echtes Außenbauteil darstellt, ist sie doch Bestandteil der Hüllfläche des beheizten Gebäudevolumens.
Bereits die Energieeinsparverordnung 2002 (EnEV) hat termingebundene Nachrüstungsanforderungen festgelegt, die in der Fassung von 2004 unverändert erhalten blieben. Die Frist für die Wärmedämmung der obersten Geschossdecke von Gebäuden läuft am 31.12.2006 – also in rund neun Monaten – aus. Grund genug für die Frage, was genau im Sinne der Verordnung mit welchen Decken bis zum Jahresende geschehen muss.
Denn es sind nicht alle obersten Geschossdecken von der termingebundenen Nachrüstungspflicht betroffen. Doch auch bei den „befreiten“ Decken kann eine nachträgliche Wärmedämmung energetisch sinnvoll sein.
Befreiungen und bedingte Forderungen
Das politische Ziel der Bundesregierung, den Heizenergieverbrauch für Gebäude und damit den CO2-Ausstoß zu senken, ließe sich rein technisch im Altbaubestand schneller und einfacher verwirklichen als mit Bestimmungen, die vorwiegend auf Neubauten orientiert sind.
Unter diesem Aspekt überrascht es, dass die EnEV mit Nachrüstungspflichten für den Gebäudebestand so vorsichtig ist. Die Ursache sind verfassungsrechtliche Fragen des Bestandsschutzes und der Eigentumsgarantie, weshalb bei Auflagen für Bestandsbauten stets das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten ist. Oder anders formuliert: Gesetzlich geforderte Maßnahmen bei bestehenden Bauten müssen sich für den Eigentümer innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch (Energie-)Einsparungen amortisieren. Anderenfalls kann sich der Bauherr nach § 17 EnEV von den Forderungen befreien lassen.
Wer nicht den Weg über § 17 wählen kann oder will, sieht sich als Besitzer eines Altbaus den Nachrüstungsanforderungen der EnEV gegenüber.
Die größte und wichtigste Gruppe stellen die bedingten Anforderungen nach § 8 und Anlage 3 der Verordnung dar. Es handelt sich um die Bestimmungen für die Änderung von bestehenden Gebäuden, mit denen jeder in der Sanierung tätige Planer in den letzten Jahren schon reichlich Bekanntschaft gemacht haben dürfte. Sie werden nur wirksam, wenn Umbauten, Erweiterungen oder Erneuerungen an den entsprechenden Bauteilen vorgenommen werden. Wenn nichts dergleichen passiert, gibt es auch keine Forderungen.
Echte bauliche Nachrüstungspflicht
Daneben existieren die so genannten echten Nachrüstungspflichten nach § 9, die nicht an die Änderungsbedingung geknüpft, sondern mit einem Termin verbunden sind. Sie gelten also selbst dann, wenn am Gebäude gar nichts geschieht.
Es handelt sich allerdings nur um drei Forderungen, von denen zwei die Heizungsanlage betreffen (und hier nicht weiter besprochen werden sollen).
Übrig bleibt eine einzige echte bauliche Nachrüstungspflicht: Die Wärmedämmung der obersten Geschossdecke unter bestimmten, unten genauer beschriebenen technischen Randbedingungen. Die Frist für die energetische Ertüchtigung läuft am 31.12. dieses Jahres aus.
Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen eine der Eigentümer selbst bewohnt, müssen die Anforderung nur bei einem Eigentümerwechsel und dann erst zwei Jahre nach dem Wechsel erfüllen. Der Hausbesitzer bekommt also eine zusätzliche Schonfrist.
Ausblick auf den Energiepass
Doch egal, ob kleines Privathaus oder Mehrgeschosser, irgendwann ist für jede der betroffenen obersten Geschossdecken Ultimo. Und dann stellt sich die Frage, wer die Einhaltung dieser EnEV-Forderung eigentlich kontrolliert sowie ob und welche Sanktionen es bei Nichteinhaltung gibt. Für den Vollzug der EnEV sind grundsätzlich die Bundesländer verantwortlich, die in vielen Fällen auch schon Durchführungsverordnungen erlassen haben. Die Überwachung der Heizungsmodernisierung wird darin teilweise den Schornsteinfegern zugewiesen. Über die Kontrolle der obersten Geschossdecken ist bisher jedoch kaum etwas zu finden.
Hier besteht also noch Klärungsbedarf. Diese Klärung könnte im Zusammenhang mit der Fortschreibung der EnEV erreicht werden. Das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) will 2006 einen neuen Referentenentwurf vorlegen, der zwar keinen grundsätzlichen System- und Methodenwechsel gegenüber der EnEV 2004 bringen soll, dafür aber die Frage der Energieausweise für Gebäude verbindlich regeln wird.
Der Entwurf der EnEV 06 muss dann in die Gesetzesmühlen aus Verbände- und Länderanhörung, Kabinettsbeschluss sowie Bundesratszustimmung. Daran anschließend können die Länder neue oder angepasste Durchführungsbestimmungen erlassen.
Nach allen bisherigen Erfahrungen ist es durchaus möglich, dass dieser Prozess nicht mehr im Jahr 2006 abgeschlossen werden kann. Doch wann auch immer der Energieausweis Realität wird, spätestens mit seiner Einführung gewinnt die ausreichende Wärmedämmung der obersten Geschossdecke größere Bedeutung, weil diese Decke als Teil der Hüllfläche des beheizten Gebäudevolumens in die Wärmeschutzberechnungen eingeht.
Welche Decken sind betroffen?
Die neue EnEV 06 und der (verbindlich vorgeschriebene) Energieausweis sind noch Zukunftsmusik. Gegenwärtig gilt allein die EnEV in der Fassung von 2004, die die Dämmung der obersten Geschossdecke bis 31.12.2006 unter bestimmten Bedingungen verlangt.
Die Vergünstigungen für „kleine“, vom Eigentümer selbst bewohnte Gebäude wurden oben schon erwähnt. Außerdem gibt es technische Einschränkungen: Die Nachrüstungspflicht gilt nur für „nicht begehbare aber zugängliche oberste Geschossdecken beheizter Räume“ (EnEV 04, § 9, Abs. 3).
In seiner kontinuierlich fortgeschriebenen Auslegung zur EnEV hat sich das DIBt in Berlin zu den Grenzen der Begehbarkeit geäußert. Begehbar heißt danach, dass sich ein durchschnittlich großer Mensch hinsichtlich Tragfähigkeit der Decke und lichter Höhe des Dachraums ohne Mühe aufrecht bewegen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Nachrüstungspflicht der obersten Geschossdecke nur für Dachräume gilt, die lediglich gebückt begehbar oder sogar nur bekriechbar sind. Das können beispielsweise sein:
  • Halbhohe Geschosse unter Flachdächern, oft Drempel genannt (vor allem im industriellen Wohnungsbau)
  • Räume unter geneigten Dächern mit geringer Aufbauhöhe (z.B. bei Flachbindern) oder
  • der verbleibende Raum zwischen einem ausgebauten Dachraum und dem First (regional unterschiedlich Dachspitz, Spitzboden o.ä. genannt).
Das DIBt hat auch klargestellt, dass nur solche Decken einer Nachrüstungspflicht unterliegen, die „Außenbauteile beheizter Räume sind. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der darüber liegende Dachraum von einer Dämmschicht umschlossen wird.“ Bei einem komplett gedämmten Dach muss also nicht zusätzlich die oberste Decke gedämmt werden.
Nicht begehbare Decken
Betrachtet man alle Randbedingungen und Einschränkungen, dann werden es in der Praxis gar nicht so viele oberste Geschossdecken sein, die bis zum 31.12. nachträglich zu dämmen sind. Dort wo es erforderlich ist, muss ein Wärmedurchgangskoeffizient von höchstens U = 0,30 W/(m²K) erreicht werden.
Die Dämmung kann im Grundsatz auf, in oder unter der Decke vorgesehen werden. Die einfachste Lösung ist das Auslegen der Wärmedämmung auf der Decke, nachdem zunächst eine Dampfsperre bzw. -bremse eingebaut wurde.
Es kann praktisch jeder (Universal-)Dämmstoff verwendet werden, weil das Material auf den Kriechböden keiner Witterung und keiner Druckbelastung ausgesetzt ist. Falls mit einem gelegentlichen Bekriechen des Dachraums für Wartungszwecke zu rechnen ist, sollte bei weichen Dämmstoffen wie Mineralwolle der Einsatz vlieskaschierter Platten geprüft werden.
Weitere Informationen
Glaswollefilze mit und ohne Vlieskaschierung: Saint-Gobain Isover G+H AG bba 570
Bei extrem geringen Höhen und/oder einem Dachraum mit sehr unregelmäßiger Grundrissgeometrie bieten sich statt Dämmstoffplatten lose Dämmstoffe an, die entweder geschüttet oder eingeblasen werden.
Speziell die blasfähigen Dämmstoffe lassen sich auch dort einbauen, wo ein Mensch nicht einmal mehr kriechen kann. Zudem entfällt der aufwändige Zuschnitt der Platten. Die ohnehin erforderliche Dampfbremse kann dabei gleichzeitig die Funktion eines Rieselschutzes übernehmen.
Weitere Informationen
Blasfähige Steinwolle: Deutsche Rockwool Mineralwoll GmbH & Co. OHG bba 571
Blasfähige Zellulosedämmung: isofloc Wärmedämmtechnik GmbH bba 572
Freiwilligkeit bei begehbaren Dachräumen
Die begehbaren obersten Decken sind von der termingebundenen Nachrüstungspflicht der EnEV ausgenommen. Doch auch ohne gesetzliche Pflicht kann es sinnvoll sein, für diese Decken nachträgliche Dämmmaßnahmen zu prüfen.
Bei der Planung und Ausführung solcher Dämmungen sind vor allem die perspektivischen Vorstellungen des Bauherrn in Bezug auf den Dachraum zu berücksichtigen. Selbst wenn dieser im Moment noch völlig ungenutzt ist, muss früher oder später mit einer Nutzung – und sei es nur als einfacher Speicher – gerechnet werden.
Die Wärmedämmung sollte deshalb in jedem Fall mindestens für Teilbereiche begehbar ausgeführt werden, entweder durch Dielenkonstruktionen oder durch Verbundelemente aus Wärmedämmung und Holzspanplatte. Diese Verbundelemente lassen sich schnell und einfach auf dem mit einer Dampfbremse vorbereiteten Boden auslegen. Es entsteht eine robuste begehbare Oberfläche, ohne dass die Kosten für einen kompletten Fußbodenaufbau anfallen. Das hat Vorteile, wenn der Bauherr auf absehbare Zeit keinen Dachgeschossausbau zu Wohnzwecken vorhat.
Weitere Informationen
Unterkonstruktion und Holzfaserdämmung für Dielenfußböden: Pavatex GmbH bba 573
Verbundelemente aus Spanplatte und Wärmedämmung aus Polystyrol: IsoBouw Dämmtechnik GmbH bba 574
Fibrolith Dämmstoffe bba 575
Polyurethan: puren Schaumstoff GmbH bba 576
Bauelemente GmbH F. J. Linzmeier bba 577
Steinwolle: Deutsche Heraklith GmbH bba 578
Zwischenlösungen bis zum Ausbau
Plant der Bauherr mittelfristig, aber eben nicht sofort den Ausbau des Dachgeschosses als Wohnung bzw. zu wohnähnlichen Zwecken, dann gilt es, die für den konkreten Fall effizienteste Lösung unter mehreren zu finden.
  • Die Deckendämmung wird übergangsweise sehr einfach ausgeführt und beim späteren Ausbau (mit Dachdämmung) wieder entfernt. Die Dämmung ist dann allerdings eine verlorene Investition.
  • Die Dämmung wird gar nicht auf der obersten Geschossdecke ausgeführt, sondern gleich als endgültige Lösung im geneigten Dach. Es gibt keine verlorene Investition, aber relativ hohe Vorab-Kosten am Dach.
  • Die Dämmung wird mit einem endgültigen Fußbodenaufbau, inklusive Trittschalldämmung, kombiniert. Wieder geht keine Investition verloren, doch der vollwertige Trocken- oder Fließestrich verursacht zunächst nicht rentierliche Vorab-Kosten. Der Fußboden erreicht außerdem eventuell relativ große Aufbauhöhen.
  • Die Dämmung kann bei Holzbalkendecken auch zwischen den Balken eingebracht werden und unabhängig von einem späteren Ausbau dort verbleiben.
  • Die Ausführung der zusätzlichen Dämmung der obersten Decke wird bis zum Dachgeschossausbau verschoben.
Es mag paradox klingen, hier das Verschieben der Maßnahme als Möglichkeit zu nennen, doch kann im konkreten Fall die Einsparung bei den Heizkosten geringer sein, als die verlorenen oder vorab zu leistenden Investitionen.
Bei dieser Nutzenabwägung ist auch folgendes zu beachten: Es gibt zwar für begehbare Dachräume keine Nachrüstungspflicht nach EnEV – zumindest nicht, wenn keine Veränderungen vorgenommen werden.
Wer aber eine Dämmung in die Decke zwischen beheizten Räumen und dem kalten Dachraum einbaut, unternimmt ja gerade eine Veränderung.
Die Arbeiten unterliegen deshalb den schon erwähnten bedingten Nachrüstungsanforderungen nach § 8 EnEV. Die Decke muss dann bis zu einem Wärmedurchgangskoeffizient von U = 0,5 W/(m²K) verbessert werden (EnEV, Anhang 3, Tabelle 1, Zeile 5b).
Ein kleines bisschen dämmen ist nach der Logik der EnEV für Decken unter begehbaren Dachräumen also nicht erlaubt, es geht nur ganz oder gar nicht.

Checkliste zur Wärmedämmung der obersten Geschossdecke
Termingebundene Nachrüstungspflicht nach § 9 EnEV
  • Gebäude mit normalen Innentemperaturen
  • Decke grenzt beheizte (Wohn-)Räume vom kalten (Dach-)Raum ab
  • Dachraum oberhalb der Decke ist nicht gedämmt
  • Decke ist zugänglich, aber nicht begehbar (ein durchschnittlich großer Mensch kann sich ohne Mühe nicht aufrecht bewegen)
  • Decke muss auf den Wärmedurchgangskoeffizient U = 0,30 W/(m²K) ertüchtigt werden
  • Termin ist der 31.12.2006
  • Ausnahme für Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen eine der Eigentümer selbst bewohnt: Nachrüstungspflicht nur bei Eigentümerwechsel und dann mit einer Frist von zwei Jahren
Bedingte Nachrüstungspflicht nach § 8 und Anhang 3 EnEV
  • Decke ist begehbar (ein durchschnittlich großer Mensch kann sich ohne Mühe aufrecht bewegen)
  • Keine termingebundene Nachrüstungspflicht, aber Anforderungen bei baulichen Veränderungen an der Decke
  • Wenn Dämmschichten eingebaut werden, darf der Wärmedurchgangskoeffizient höchstens U = 0,50 W/(m²K) betragen.
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