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Nicht zu viel Technik

Neubau eines Bürogebäudes in Nijverdal
Nicht zu viel Technik

Im niederländischen Nijverdal wurde ein innovatives Bürogebäude fertig gestellt. Funktionales und gestalterisches Herzstück des Neubaus von Wolfgang Herich ist die doppelschalige, innen mit verschiebbaren Holz-Glas-Faltwänden ausgebildete Fassade. Die Konstruktion ermöglicht ein individuell gesteuertes Binnenklima mit minimalem Einsatz an Technik.

Robert Uhde

Das Konzept der doppelschaligen Glasfassade hat in den vergangenen Jahrzehnten die Entwicklung vollständig transparenter Bürogebäude ermöglicht. Der häufig begehbare Raum zwischen den beiden Glashüllen lässt sich dabei gleichzeitig als winterlicher Wärmepuffer sowie als natürlicher Abluftkanal zum Schutz gegen sommerliche Überhitzung nutzen. Diesen großen Vorteilen stehen jedoch deutliche Nachteile wie eine sommerliche Überhitzung, mögliche Tauwasser- oder Zugbildung sowie ein hoher technischer Aufwand zur Klimatisierung gegenüber.
Eine andere Strategie wurde daher bei der Planung des Büroneubaus für die niederländische Tochter der Firma Solarlux verfolgt, dem Marktführer für Glas-Faltwände und Glas-Anbauten. Entwickelt und realisiert wurde in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro imagine envelope aus Den Haag eine Doppelfassade, die sich innen wie außen vollständig öffnen und zur Seite schieben lässt, so dass die äußere Fassade thermisch nicht mehr wirksam ist.
„Entstanden ist ein innovativer Büroneubau mit minimiertem Technikeinsatz, bei dem nicht die Anforderungen der Technik, sondern die Bedürfnisse des Nutzers im Mittelpunkt stehen“, so Architekt Wolfgang Herich.
Die durchgehende Transparenz des Entwurfs sowie der prototypische Einbau der eigenen Produkte fungieren dabei in idealtypischer Weise als gebaute Unternehmenskultur der Firma Solarlux.
Städtische Plaza
Als Standort für den Neubau war 2007 ein Grundstück am nordöstlichen Rand des Gewerbegebiets „Het Lochter“ in der rund 25 000 Einwohner zählenden Gemeinde Nijverdal ausgewählt worden. Um sämtliche Anforderungen umzusetzen, entwickelten die Planer einen kompakten dreigeschossigen Entwurf, der weitgehend durch seine elegant profilierte, überwiegend zweischalig ausgebildete Glasfassade geprägt wird. Lediglich Teile des Erdgeschosses und die flankierenden Wandscheiben des Eingangs wurden als massive Basis in dunklem Mauerwerk ausgeführt. Einen zusätzlichen Kontrast schafft der als leuchtend rote Box gestaltete, nur auf vier Stahlbetonstützen ruhende Konferenzraum, der oberhalb des Eingangs weit aus der Glasfassade hervorkragt.
Der offene Charakter des Neubaus findet im Innenraum mit seinen vielfältigen Ein-, Aus- und Durchblicken seine nahtlose Fortsetzung. Zunächst gelangen die Mitarbeiter und Besucher dort in das zentrale, vollständig von Glas umgebene Atrium. Die als städtische Plaza gestaltete Halle integriert nicht nur einen repräsentativen Empfang, sondern nimmt auch eine Ausstellungsfläche sowie ein offen angrenzendes Mitarbeiter-Restaurant auf. Direkt daneben ermöglicht eine innen liegende Glasfront mit individuell öffenbaren Rahmen einen freien Blick auf die Galerien in den beiden Obergeschossen, wo neben zwei durchgehend verglasten Großraumbüros mit innen liegendem Service-Kern auch mehrere Schulungs- und Besprechungsräume zur Verfügung stehen. Die Erschließung der unterschiedlichen Ebenen erfolgt über eine mittig eingestellte Treppe. Der scheinbar frei über dem Eingang schwebende Konferenzraum wird über eine das Atrium überspannende Brücke erreicht.
Interaktives Gebäude
Funktionales und gestalterisches Kernelement des Gebäudes ist die innovative Zweite-Haut-Fassade mit begehbarem Zwischenraum, die das Gebäude auf drei Seiten umhüllt. Die innere wärmegedämmte Hülle besteht aus Holz-Glas-Faltwänden mit einer Flügelhöhe von 3,10 m und einem U-Wert des Glases von 1,1 Wm2K. Rund einen Meter davor wurde ein rahmenloses, bodentiefes Schiebe-Dreh-System als ungedämmte Glasebene eingesetzt.
„Entsprechend dem Anspruch des Unternehmens, statt eines hoch technisierten Motorbootes eher ein Segelschiff mit möglichst wenig Technik zu entwickeln, lassen sich beide Fassadenebenen völlig unabhängig voneinander öffnen und auffalten“, erklärt Architekt Wolfgang Herich.
„Luftzufuhr und Raumtemperatur können somit je nach Witterung von den Nutzern aktiv über die Fassade beeinflusst werden. Die Variationsmöglichkeiten reichen dabei von einer komplett geschlossenen Fassade über unzählige Varianten der Teilöffnung bis hin zum Arbeiten im Freien.“
Im Winter lässt sich die gewonnene Sonnenwärme im Fassadenzwischenraum zur Raumbeheizung nutzen, im Sommer wird dagegen die äußere Fassade komplett geöffnet, um einen Hitzestau zu vermeiden. „Zur Unterstützung der natürlichen Luftströmung haben wir zusätzlich zwei in Hauptwindrichtung geneigte Pultdächer oberhalb der beiden Atrien integriert“, berichtet Thiemo Ebbert von imagine envelope. „Der auf diese Weise erzeugte Unterdruck führt die Luft aus den Atrien ab und lässt durch geöffnete Fenster gleichzeitig frische Luft nachströmen.“ Auf den Einbau einer mechanischen Lüftungsanlage konnte somit verzichtet werden.
Nachhaltige Beheizung
Die Beheizung und Kühlung des Gebäudes erfolgt über eine Geothermieanlage mit 28 Erdwärmesonden und einer Leistung von rund 60 kW. „Die Anlage stellt ganzjährig rund 15 °C warmes Wasser bereit, das über eine Wärmepumpe auf das geforderte Temperaturniveau gebracht wird“, erklärt Thiemo Ebbert. „Über ein Niedertemperatursystem durchströmt das temperierte Wasser sämtliche Geschossdecken sowie die Fußbodenheizung des zentralen Atriums und stellt so überall eine angenehme Strahlungswärme bereit. Zusätzlich wird die Abwärme des Serverraums ins Heizungssystem eingespeist.“ Im Sommer wird das kühle Wasser aus den Erdwärmesonden dazu verwendet, um sämtliche massiven Bauteile auf Raumtemperatur herunter zu kühlen. Für eine weitere Nutzung regenerativer Energiequellen steht eine Photovoltaik-Anlage zur Verfügung, die einen Teil des im Neubau benötigten Stroms bereitstellt.
Um die Effektivität der eingesetzten Gebäudetechnik zu verifizieren, wird der Solarlux-Neubau als Forschungsprojekt von der Architekturfakultät der TU Delft und der Firma Transsolar begleitet. „Während der dreijährigen Projektdauer sollen Parameter wie Luftmengenumsatz oder Nutzerverhalten protokolliert und wissenschaftlich ausgewertet werden“, so Marcel Bilow von imagine envelope. „Zum Abschluss der Phase können wir dann noch eventuelle Optimierungen vornehmen. Durch die zahlreichen Tests im Vorfeld sind wir allerdings sehr optimistisch, dass alles wie geplant funktioniert.“
Entwurfsplanung: Wolfgang Herich, Architekt, Belm (D) Ausführende Architekten: Architectenburo Van der Linde en Associates, Zupthen (NL) Ingenieurtechnische Planung Fassade: imagine envelope b.v., Den Haag (NL)
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