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40 mm-Treppe nicht mehr ohne Nachweis

Regelwerk Handwerkliche Holztreppen gerichtlich anerkannt
40 mm-Treppe nicht mehr ohne Nachweis

Die allgemein anerkannte Regel der Technik gilt für die Dicke von Treppen-Stufen und -Wangen. Wird von 50 bzw. 45 mm auf 40 mm reduziert, muss dem Bauherrn ein eigener Standsicherheitsnachweis vorgelegt werden. Ohne diesen gilt die Treppe als mangelhaft. Eine gestemmte Wangentreppe gibt es bereits mit Zulassung.

Michael Peter, Geschäftsführer Deutsches HolzTreppenInstitut e.V. | be

Das Regelwerk Handwerkliche Holztreppen erschien 1998 erstmals als von den maßgeblichen Branchenverbänden im Holztreppenbau, dem Bund Deutscher Zimmerermeister und Bundesverband Holz und Kunststoff, zusammengefasste Darstellung, was eine handwerkliche Holztreppe überhaupt ist und welche statischen und konstruktiven Merkmale erfüllt sein müssen, um eine dauerhaft sichere und mangelfreie gestemmte oder aufgesattelte Holztreppe zu garantieren. Nach 15 Jahren war das Regelwerk nun Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 07. März 2013, Az. VII ZR 134/12, festgestellt, dass das Regelwerk die allgemein anerkannte Regel der Technik (aaRdT) ist. Das gilt insbesondere für die Dicke von Stufen und Wangen. Werden die Dimensionen von 50 bzw. 45 mm auf 40 mm abgemindert, muss dem Kunden ein eigener Standsicherheitsnachweis vorgelegt werden. Liegt dieser nicht vor, ist die Treppe mangelhaft.
Beispiel Massivholztreppe
Ein Treppenbauer errichtete im Oktober 2006 eine Massivholztreppe aus Birke in einem Einfamilienhaus zu 3 485,80 Euro. Die Kunden monierten ein Knarren beim Begehen und die insgesamt zu schwache Ausführung der Treppe. Sie verlangten einen Vorschuss in Höhe des ursprünglichen Werklohnes, weil die Mängel nur durch Austausch der Treppe zu beseitigen seien.
Der BGH bestätigte die Auffassung der Kunden und der Vorinstanzen. Ein Werkmangel liegt schon vor, wenn die aaRdT nicht eingehalten sind. Dies gilt selbst dann, wenn sich noch kein „äußerlicher“ Mangel, auch nicht ansatzweise oder als „Symptom“ zeigt.
Die aaRdT besteht beim Regelwerk nicht nur in der Angabe von Stufen-und Wangenstärke von 50 mm, sondern auch darin, dass im Falle der Unterdimensionierung im Einzelfall ein Standsicherheitsnachweis vorzulegen ist. Dieser Nachweis gehört zur geschuldeten Beschaffenheit des Werkes.
Der BGH hebt hervor, dass es eben nicht darum geht, ob die Treppe tatsächlich standsicher ist, sondern darum, ob bei der Herstellung des Werkes die aaRdT eingehalten wurden, die den Zweck haben, eine Standsicherheit zu erreichen. Denn Sinn einer aaRdT ist es gerade, mit der notwendigen Gewissheit sicherzustellen, dass bestimmte Eigenschaften erreicht werden. Nur bei Einhaltung des Regelwerkes ist die Standsicherheit ohne Weiteres gewährleistet. Ansonsten dokumentiert nur der Standsicherheitsnachweis im Einzelfall für den Kunden nachvollziehbar, dass keine Gefahr für die Standsicherheit besteht.
Auch den beliebten Einwand vieler Treppenhersteller, es würden doch massenhaft Holztreppen in 40 mm-Stärke hergestellt, entkräftet der BGH. „Eine vielfache Praxis sagt z. B. nichts darüber aus, ob sich diese Ausführungsweise auch bewährt hat und allgemein (also von Wissenschaft und Praxis) anerkannt ist“. Schon gar keine Rolle spielt der Umstand, dass im Vertrag eine Wangenstärke von 40 mm vorgesehen war. Wenn der Hersteller dem Kunden die sich daraus ergebende Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht ausführlich erläutert hat, darf eben von den üblichen Mindeststandards (also den aaRdT) nicht abgewichen werden.
Auswirkungen des Urteils
Das Urteil wird den Holztreppenmarkt in Deutschland kräftig aufmischen. „Die Unsitte der 40 mm-Treppe hat sich doch nur eingebürgert, weil einige Anbieter zu Lasten der Qualität billiger produzieren wollten, um anderen seriösen Mitbewerbern Aufträge wegzunehmen“, so DHTI-Vorstandsmitglied Michael Paltian (Deutsches HolzTreppenInstitut) . Das DHTI und seine Mitglieder sieht Paltian gut aufgestellt in der letztlich gar nicht so neuen Situation. „Das Regelwerk hat jetzt ganz offiziell den Stellenwert, den es schon immer beansprucht hat“, so Paltian.
Beim DHTI hat man als Folge die schon lange angestrebte europäische Norm und die Zulassung für eine Holztreppe in 40 mm vorangetrieben. Erteilt wurde die Europäische Technische Zulassung (ETA) am 17. Mai 2013. Die Zulassung „DHTI-Wangentreppe gestemmt“ liefert exklusiv für DHTI-Mitglieder den vom Gericht geforderten Standsicherheitsnachweis.
Welche Wangenstärke gilt jetzt?
Im BGH-Urteil vom 07. März 2013 ist immer wieder die Rede von einer Mindestwangenstärke von 45 mm, obwohl im Regelwerk selbst 50 mm vorgesehen sind (bei gestemmten Treppen ohne Setzstufe). Einige Abweichungen vom Regelwerk sind tatsächlich vom Regelwerk selbst gedeckt. Wie der BGH ausführt und auch vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) schon 2003 festgelegt wurde, lässt das Regelwerk gerade zu, dass auch abweichende Treppenkonstruktionsdetails als allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten können, aber nur dann, wenn der Nachweis der Gleichwertigkeit erbracht ist.
Je nach Länge des Treppenlaufes, Anbindung der Wange an die Treppenraumwand und Grundriss kann ein Statiker die Gleichwertigkeit für Stufen und für die Wangen geradeläufiger Treppen berechnen. Professor Dr. Ing. Achim Irle, der für das DHTI und für Gerichte zahlreiche Gutachten erstellt hat, erläutert dazu: „Sobald aber eine Eckverbindung dazu kommt, eben bei gewendelten Treppen, müssen aufwendige Bauteilversuche gemacht werden. Egal ob 40 oder 45 mm – die Abweichung vom Regelwerk ist da und kann gerade eben nicht berechnet werden.“ Keinesfalls genüge die bloße Erklärung des Herstellers, er habe das immer schon so gemacht und das habe auch immer schon gehalten.
Problemlösung
Es ist dabei unbedingt zu beachten, dass es sich bei Holztreppen um ein komplexes statisches System handelt. Die bloße Herunterdimensionierung von Stufen oder Wangen mag im Einzelfall kein Problem für den Nachweis der gleichwertigen Standsicherheit sein. Summieren sich aber die Abweichungen, gibt es keine andere Möglichkeit, als den Standsicherheitsnachweis zu führen über Bauteilversuche und komplexe Berechnungen. Der insoweit notwendige Aufwand übersteigt bei Weitem dann die Herstellungskosten der Treppe.
Zu einigen Fragestellungen hat das DHTI in der Vergangenheit schon Lösungen gefunden und die Zulassung für gestemmte Wangentreppen entwickelt. Die Zulassung wird für acht verschiedene Holzarten, drei definierte Eckverbindungen und sieben verschiedene Grundrisse den dann vertraglich autorisierten DHTI-Mitgliedern ermöglichen, gestemmte Holztreppen in der Wangen-und Stufenstärke 40 mm zu produzieren.
Ein Auszug aus dem Regelwerk zu einem Wangenkrümmling einer viertelgewendelten gestemmten Treppe (Darstellung 4.3.3.3. des Regelwerks, Fassung 199801) zeigt beispielhaft, wie viele verschiedene Konstruktionsdetails bei einer regelgerechten Ausführung zu beachten sind. Jedes Detail für sich ist statisch relevant und kann nicht einfach verändert werden. Will man von diesem Wangenkrümmlingsdetail abweichen, muss man in einem Einzelversuch den Nachweis der Gleichwertigkeit erbringen.
Offensichtlich immer wieder zur Verwirrung führt auch die Unterscheidung zwischen öffentlichem Baurecht und privatem Baurecht. Bei öffentlichem Baurecht geht es um die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit durch Bauarten und Baumaterialien. Bauordnungen wenden sich demzufolge in allererster Linie an den Bauherrn und erst in zweiter Linie an die Hersteller oder Bauunternehmen. Bei dem vom BGH entschiedenen Fall ging es aber nicht um diesen baupolizeilichen Aspekt, sondern um den privatrechtlichen Aspekt der vertraglichen Beschaffenheit bzw. Mangelfreiheit zwischen Kunde und Hersteller. Deshalb spielte es auch für den BGH keine Rolle, wie der Standsicherheitsnachweis erbracht werden kann, ob durch eine bauaufsichtliche Zustimmung im Einzelfall oder anderweitig – zum Beispiel durch ein fundiertes Sachverständigengutachten. Die Kosten dafür hat aber nie der Kunde zu tragen!
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