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Umbau eines Bauernhofes mit historischer Bausubstanz zum Plusenergiehof in Schäftersheim

Von Achtsamkeit geprägt
Umbau eines Bauernhofes mit historischer Bausubstanz zum Plusenergiehof in Schäftersheim

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Historische Bausubstanz im demografischen Wandel der Gegenwart bewahren und für die energetische Zukunft fit machen: Diese in vielen ländlichen Räumen aktuelle Aufgabe gelang beispielhaft bei der Um- und Weiternutzung eines ehemaligen Bauernhofs im Main-Tauber-Kreis als Bürositz, Hebammenpraxis und seniorengerechter Wohnungsstandort.

Markus Hoeft

Der alte Hof mit entsprechender Bausubstanz im Ortskern von Schäftersheim, Teilort der Stadt Weikersheim in Tauberfranken, war seit Jahren leer stehend, stark verschlissen und eigentlich schon aufgegeben. Dass man auf dessen Fläche nach dem Abriss drei Standard-Einfamilienhäuser würde errichten können, hatte bereits jemand ausgerechnet. Wozu es dann nicht kam! Aber allein der Gedanke zeigt, dass die Um- und Weiternutzung landwirtschaftlicher Anwesen nicht nur materielle Werte und bauliche Traditionen bewahrt, sondern auch gewachsene Lebensräume und Ortsbilder erhält.
Die Wende für den Hof in Schäftersheim kam, als Prof. Dr. Martina Klärle gemeinsam mit ihrem Ehemann das Anwesen erwarb und zusammen mit ihrem Bruder, dem Architekten Rolf Klärle, Bad Mergentheim, ein Nutzungskonzept entwickelte. Herzstück ist Frau Prof. Klärles Planungsbüro mit den Schwerpunkten Kommunalentwicklung, Umweltplanung und Erneuerbare Energien; es hat seine Räume heute im früheren Bauernhaus. In den ehemaligen Kuhstall ist eine Hebammenpraxis eingezogen, während die unter gleichem Dach befindliche Scheune für Sonderveranstaltungen, Ausstellungen, Proben des Dorftheaters und Ähnliches ausgebaut wurde. Im rechtwinklig anschließenden ehemaligen Remisen-Gebäude sind zwei Seniorenwohnungen eingerichtet.
Bausubstanz erhalten und neu interpretieren
Die großzügige Hoffläche um den wieder freigelegten Brunnen ist der Kommunikationsplatz, wo sich Mitarbeiter und Bewohner begegnen können und sich das Ensemble als öffentlicher Weg zum Ort öffnet, um so die bei der Planung immer mit gedachte…
…Funktion der strukturellen Aufwertung und Stärkung des Ortskerns zu erfüllen. Dies gelingt zum einen durch den lebendigen Mitarbeiter- und Publikumsverkehr der verschiedenen Hofnutzer, zum anderen aber auch durch die besondere Architektur des wiederhergestellten Hof8, wie er heute wegen seiner Hausnummer, aber auch wegen der Anklänge an „Achtsamkeit“, nämlich im Umgang mit Materialien und mit Menschen, genannt wird.
Denn Rolf Klärle entwickelte zusammen mit seiner Schwester ein Umbaukonzept, das auf möglichst weitgehenden Erhalt der Substanz zielte. Wo neue Strukturen oder Bauteile erforderlich waren, kamen wenn immer möglich wieder verwendete Baustoffe vom Hof selbst oder aus der Umgebung zum Einsatz. So etwa bei Holzreparaturen oder bei der Pflasterung und den Natursteinmauern des Hofs. Unterstrichen wird diese Philosophie durch die im Innern freigelegten und sichtbar gelassenen Fachwerkstrukturen der Gebäude.
Um das Ensemble aber außen zu einer homogenen Einheit zusammenzufassen, setzte Rolf Klärle eine vertikale Holzlattenfassade aus fein gesägter, unbehandelter heimischer Douglasie (Bandsägeschnitt) ein. Auf der Nordseite des Bürogebäudes geht diese Fassade bruchlos ins Dach über, genauso wie sie auf der Südseite ohne markante Traufe über die verdeckt liegende Regenrinne an die PV-Module anschließt.
Konserviert wurden also vor allem die materiellen Werte und die Bausubstanz früherer Zeiten, nicht aber sklavisch deren Formensprache.
Stattdessen zeigt Hof8 heute eine ausgesprochen moderne Architektur, in der jedes Bauteil seine eigene sorgfältige Durchbildung erhielt. So wurde bei der Remise mit den beiden Seniorenwohnungen zum Beispiel auf die Holzlattenfassade mit einer Außendämmung verzichtet. Hier dominieren die ursprünglichen, wieder instandgesetzten Natursteinwände mit einer Innendämmung auf der Sichtseite zur Straße und einer Außendämmung auf der nicht einsehbaren Gebäuderückseite.
Energie vor Ort gewinnen statt verbrauchen
Die gekonnte Integration der Wärmedämmung und die PV-Module auf den Dächern sind Teil des anspruchsvollen Energiekonzepts, dass die ursprünglich energetisch wenig anspruchsvollen Gebäude in einen „Plusenergiehof“ verwandelte.
Die Wärmeversorgung übernimmt eine zentrale, sehr konstant arbeitende Grundwasserwärmepumpe (COP 4,5), für die der ehemalige Brunnen des Hofes wieder aktiviert werden konnte und die über ein Nahwärmenetz die Fußbodenheizungen und teilweise auch Radiatoren der einzelnen Gebäudeteile mit Wärme versorgt. Das ehemalige Bauernhaus erhielt zusätzlich eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die auch die Abwärme der Computertechnik nutzt.
Die Solaranlagen auf den großen Dachflächen von Scheune, Remise und Bauernhaus sichern nicht nur den gesamten Strombedarf für die Wärmepumpe sowie die Geräte und Beleuchtung in den Gebäuden, sondern erzeugen gemeinsam mit der noch in der Versuchsphase befindlichen Kleinwindradanlage erhebliche Überschüsse in Größenordnungen von etwa 70 – 80% des Eigenbedarfs. Derzeit wird dieser Strom im Keller in 3 x 8 kW Batterien gespeichert und an zwei den Mitarbeitern kostenfrei zur Verfügung stehenden Ladestationen für E-Autos verwendet. Erst die dann noch verbleibenden Überschüsse gehen ins allgemeine Stromnetz, wobei perspektivisch auch die unmittelbare Versorgung umliegender Gehöfte denkbar ist.
Bereit für kommenden Wandel
Überall auf Hof8 verweisen erhaltene oder regional hierher umgesetzte Baustoffe und Bauelemente auf die Baukultur früherer Jahrhunderte: Holztüren von 1890, ein Gewölbekeller als Küche oder die sichtbaren Säulen des ehemaligen Stalls in der Hebammenpraxis. Die Historie wird jedoch in moderner Funktionalität und Gestaltung bewahrt. Mit seiner Überschussbilanz bei der Energie, aber auch mit seinem flexiblen Umbaukonzept weist Hof8 aber gleichzeitig auch weit in die Zukunft. Denn alle modernen Einbauten sind reversibel, so dass spätere Nutzungsänderungen vor allem in den großflächigen Räumen von Stall, Scheune und Remise möglich bleiben.
Diese Gesamtphilosophie von Bewahren, Weiternutzen und Fortschreiben sowie deren architektonische Umsetzung überzeugte nach der Fertigstellung 2014 eine Reihe von Preisgerichten, so in der Kategorie Architektur beim europäischen Solarpreis in Rom, beim Sonderpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in der Kategorie Architektur, dem Demografie Exzellenz Award Baden-Württemberg sowie dem Preis Haus-Häuser-Quartiere des Landes Baden-Württemberg.
Planung: Dipl.-Ing. Rolf Klärle, freier Architekt BDA, Bad Mergentheim
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