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Welcher Schallschutz ist geschuldet?

DEGA-Schallschutzausweis bietet Orientierung
Welcher Schallschutz ist geschuldet?

Die Anforderungen an den Schallschutz bei Wohngebäuden ist ein vieldiskutiertes Thema, das mit gewissen Unsicherheiten behaftet ist. Juristisch betrachtet gibt es grundsätzlich zwei Bereiche, die eine Rolle spielen: der bauaufsichtliche (öffentlich-rechtliche) sowie der privatrechtliche Bereich. Ein neuer praxistauglicher Ratgeber hilft bei der Planung.

Dipl.-Phys. Michael Bähr, Leiter Competence Center Schalldämmung, Schöck

Für den bauaufsichtlichen Schallschutz ist die Situation klar: Da die Anforderungswerte der DIN 4109 in jedem Bundesland bauaufsichtlich eingeführt sind, sind diese Mindest-Anforderungswerte bei jedem Bauvorhaben unbedingt einzuhalten. Die „Empfehlungen für einen erhöhten Schallschutz“, wie sie im Beiblatt 2 zur DIN 4109 formuliert sind, sind z. B. nicht bauaufsichtlich eingeführt. Erst durch die bauaufsichtliche Einführung verlieren die Anforderungswerte der DIN 4109 ihren privaten Empfehlungscharakter und werden öffentlich-rechtlich bindend.
Hierbei muss beachtet werden, dass z. B. DIN-Normen a priori keine Rechtsnormen darstellen, sondern lediglich private Empfehlungen oder Richtlinien sind.
Das heißt, alle nicht bauaufsichtlich eingeführten Normen und Richtlinien, die Anforderungswerte für den Schallschutz in Gebäuden beinhalten, sind rein private Empfehlungen.
In der Präambel zur DIN 4109 ist formuliert, dass die angegebenen Anforderungswerte im Sinne eines Gesundheitsschutzes zu verstehen sind, also nicht ohne Weiteres mit einem guten Qualitätsschallschutz in Verbindung gebracht werden können. So versteht sich auch die bauaufsichtliche Einführung dieser Werte: Die Bauaufsicht kümmert sich darum, dass die Gesundheit der Bewohner eines Gebäudes durch das Gebäude nicht beeinträchtigt wird. Deshalb regelt sie neben der Standsicherheit u. a. den schalltechnischen Gesundheitsschutz.
Bauaufsichtlich ist die Sache also klar: Die Mindestanforderungen der DIN 4109 sind hinsichtlich des angegebenen Anwendungsbereichs (Mehrfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser etc.) in jedem Falle einzuhalten. Nur, was ist nun privatrechtlich geschuldet? Dafür gibt es eine einfache und eindeutige Antwort: Privatrechtlich ist jenes Schallschutzniveau geschuldet, das werkvertraglich zwischen Planer und Bauherrn vereinbart worden ist, d. h. der Schallschutz, der vom Bauherrn bei der Beauftragung des Gebäudes beim Planer „bestellt“ wurde. Und hier liegt die Schwierigkeit: Bauherren sind im Allgemeinen mit schalltechnische Fachfragen überfordert, und es ist ihnen oft nicht bewusst, dass das Thema „Gewünschtes Schallschutzniveau“ in den Werkvertrag gehört. Erschwerend kommt hinzu, dass Bauherren sich unter Anforderungswerten in Dezibel keinerlei Vorstellung machen können, was das denn nun für eine Schalldämmqualität bedeutet. Auch viele Planer sind hinsichtlich der qualitativen Bewertung von unterschiedlichen Schallschutzniveaus nicht die richtigen Ansprechpartner, da sie keine akustischen Fachingenieure sind.
Grobe Anhaltswerte zur „Veranschaulichung“ von unterschiedlichen Schallschutzqualitäten liefern bisher das Beiblatt 2 zur DIN 4109 sowie die VDI-Richtlinie 4100. Die beiden Empfehlungen sind ursprünglich u. a. als Hilfestellung für den Planer gedacht, die Qualität von Schallschutzniveaus fassbar zu machen, so dass der Planer den Bauherrn hinsichtlich der Möglichkeiten von Schallschutzqualitäten beraten kann.
Vertraglich bestellte und gewünschte Qualität
Leider hat sich dieser Ansatz in der Praxis nicht wirklich durchgesetzt, was teilweise sicher auch mit den Richtlinien selbst zusammenhängt. Dies und die Unsicherheit, wie mit den Anforderungen umzugehen ist, hat dann dazu geführt, dass werkvertraglich sehr oft keine Angaben zum tatsächlich gewünschten Qualitätsschallschutz gemacht werden. Stattdessen wird auf die Einhaltung des Schallschutzes nach DIN 4109 hingewiesen. Durch die fehlenden Angaben zum gewünschten Qualitätsschallschutz im Werkvertrag beginnen die juristischen Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten. Denn wenn es zum juristischen Streit wegen eines mangelnden Schallschutzes kommt, so muss in juristischer Feinarbeit am konkreten Fall nachvollzogen werden, welcher privatrechtliche Schallschutz denn geschuldet ist. Eine Quelle hierfür sind beschreibende Angaben im Exposé oder im Prospekt, wenn es z. B. heißt „ruhiges Wohnen“, „gute Wohnqualität“ etc. Denn mit diesen Aussagen ist automatisch verbunden, dass der privatrechtlich geschuldete Schallschutz höher ist als der bauaufsichtliche Mindestschallschutz nach DIN 4109.
Fehlen solche beschreibenden Angaben, so ist der Schallschutz nach den „(allgemein) anerkannten Regeln der Technik“ (kurz ARDT) geschuldet. Diese ARDT sind nun (bis auf einige Ausnahmen, die im „DEGA-Memorandum“ aufgeführt sind) in keiner Tabelle nachzulesen, sondern müssen im konkreten Einzelfall meist über ein Sachverständigenverfahren vor Gericht herausgearbeitet werden. Im Allgemeinen kann man aber sagen, dass die ARDT (teilweise deutlich) über den Mindestanforderungen der DIN 4109 liegen. Im Zuge der Neufassung der DIN 4109 wird zukünftig das Beiblatt 2 zurückgezogen.
DEGA-Ratgeber
Da der Markt dringend praxis-taugliche Schallschutzratgeber für Planer und Bauherren braucht, hat sich die DEGA (Deutsche Gesellschaft für Akustik e.V., Berlin) die Aufgabe gestellt, solch einen praxistauglichen Ratgeber zu erarbeiten. Mittlerweile liegt dieser Schallschutzratgeber als „Weißdruck“ vor (DEGA-Empfehlung „Schallschutzausweis“). Das Entscheidende beim DEGA-Schallschutzausweis ist, dass in Form von Schallschutzqualitätsstufen A*, A, B, C usw. – auch für den schalltechnischen Laien nachvollziehbar – die akustische Qualität einer Wohnung oder eines Gebäudes aufgezeigt wird, indem die Schallschutzstufen qualitativ anschaulich beschrieben werden (z. B. „laute Musik noch hörbar“, „Gehgeräusche gerade noch hörbar“ etc.).
Es bleibt zu hoffen, dass der DEGA-Schallschutzausweis zukünftig von Planern und Bauherrn genutzt wird, um für jeden nachvollziehbar die vom Bauherren gewünschte Schallschutzqualität werkvertraglich festzulegen. Denn nur so ist eindeutig geklärt, welches Schallschutzniveau bei der Planung und Ausführung des Gebäudes dem Bauherrn gegenüber geschuldet ist.
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