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System in der Vielfalt

Farbgestaltung bei Putzfassaden
System in der Vielfalt

Markus Hoeft

Die Farbe und damit auch der durchgefärbte Außenputz erleben derzeit eine Renaissance in der Architektur. Dadurch bekommen auch die Werkzeuge der Farbplanung und -gestaltung eine höhere Bedeutung. Neben neutralen Metasystemen wie NCS oder RAL entstanden anwendungs- und firmenbezogene Farbsysteme für Außenputze.
Systematisierung
Schon die traditionellen Außenputze mit mineralischem Bindemittel zeichnen sich durch viele verschiedene realisierbare Farbtöne aus, wenn auch die Farben technologisch bedingt eher hell und pastellartig gehalten sind.
Mit dem Aufkommen der Kunstharzputze ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erweiterte sich die Farbpalette noch einmal erheblich, vor allem um kräftig leuchtende Töne.
Es wurde erforderlich, das umfangreiche Putzfarbenangebot zu systematisieren und zu ordnen.
Solche Farbsysteme sind zum einen ein Marketinginstrument der Industrie, mit dem die Vielfalt der möglichen Töne dargestellt wird. Zum zweiten sind sie ein unverzichtbares technisches Verständigungsmittel. Denn Farben lassen sich nicht exakt und missverständnisfrei in Worten beschreiben.
Für die Planung, die Bestellung und den Handel mit Farben und farbigen Putzen müssen deshalb Katalogsysteme mit Farbmusterabbildungen existieren. Jedem Farbton ist eine Nummer zugeordnet, mit der eine eindeutige und vom subjektiven Farbempfinden abgekoppelte Kommunikation über Farben möglich ist.
Ein gut organisiertes Farbsystem kann außerdem eine dritte Funktion erfüllen, wenn die Töne in den Katalogen und Farbtafeln sinnvoll als Farbfamilien und Farbharmonien dargestellt sind. Denn dann kann der Planer sie als Werkzeug für die ästhetisch gelungene Zusammenstellung mehrerer Farben verwenden.
Solche Harmonieüberlegungen sind naturgemäß immer anzustellen, wenn Putzflächen verschiedener Farben bei einem Gebäude vereint werden sollen.
Aber auch bei monochromen Putzgestaltungen sind die umgebenden Farben zu berücksichtigen, etwa die Farben des Dachs, des Gebäudesockels, der Fenster- und Türrahmen sowie der benachbarten Bauwerke oder Freiflächen. Isolierte Einfarbigkeit lässt sich zwar im Labor erzeugen, in der Architekturpraxis kommt sie faktisch nicht vor.
Messwert und Wahrnehmung
Jede Farbe ist durch drei Ordnungsgrößen eindeutig bestimmt: Durch den Farbton, die Farbsättigung und die Helligkeit. Der Farbton wird auch als Buntheit bezeichnet und mit Begriffen wie rot, gelb oder grün beschrieben.
Die Sättigung stellt den Abstand des Farbtons vom neutralen Grau dar und die Helligkeit beschreibt die Leuchtdichte. Aus den drei Ordnungsgrößen ergibt sich ein Farbraum mit drei Dimensionen. Eine Visualisierung aller Farbzusammenhänge auf bedrucktem Papier – das schließlich nur zwei Dimensionen hat – stößt somit an gewisse Grenzen. Noch schwerer als dieses Darstellungsproblem wiegt jedoch, dass die objektiven und die vom Menschen wahrgenommenen Farbeigenschaften nicht deckungsgleich sind. So kann man für jede Farbe eine Wellenlänge messen und die Farben dann mit gleichen Abständen in der Wellenlänge auf einer Skala anordnen.
Eine solche Skala erscheint in der menschlichen Wahrnehmung jedoch nicht ausgewogen sowie gleichabständig, intuitiv würden wir um Nuancen andere Farbabstände wählen. Unser Auge sieht Farben also nicht so, wie sie tatsächlich sind.
Die Diskrepanz zwischen der valenzmetrischen Methode (Farbanordnung nach Messwerten) und der wahrnehmungsbezogenen Methode (auch phänomenologische Ordnung genannt) mussten alle im Laufe der Zeit entwickelten Farbsysteme miteinander versöhnen. Am Anfang dieser Entwicklungsgeschichte standen dabei die zwei extrem unterschiedlichen Ansätze von Isaac Newton (1643–1727) und Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832). Newton ließ weißes Tageslicht durch ein Prisma fallen und ordnete die so erzeugten Spektralfarben dann (valenzmetrisch) in einem Farbkreis an. Goethe kritisierte diese rein physikalische Betrachtungsweise und ignorierte sie, als er selbst seinen rein wahrnehmungsbezogenen Farbkreis aufstellte.
Neutrale Farbsysteme
Mit Newton und Goethe waren die beiden Pole definiert, zwischen denen sich in der Folge eine ungezählte Fülle weiterer Farbanordnungen entwickeln konnten. Allein die Homepage www.colorsystem.com beschreibt 59 verschiedene Farbsysteme.
Speziell für die Architektur sind beispielsweise von Bedeutung: Der Farbatlas von Munsell (1915 vom Maler Albert Henry Munsell herausgegeben, vor allem wahrnehmungsbezogen), das Natural Color System NCS (1969 in Schweden entwickelt, ebenfalls wahrnehmungsbezogen) und das RAL-Design System (basierend auf dem europäischen CIElab-Farbraum, valenzmetrisch aufgebaut; die erste RAL-Farbe wurde 1927 registriert, das heutige RAL-Design System stammt von 1993).
Diese Farbsysteme werden auch als Metasysteme bezeichnet, sie benennen und ordnen die Farben unabhängig vom Material und vom Hersteller.
Das hat den Vorteil, dass eine firmen- sowie produktübergreifende Farbplanung möglich ist. Die Farbgebung für ein Gesamtprojekt kann ganzheitlich mit ein und derselben Systematik für alle Bauteile (Anstriche für Holz oder Metall, farbige Kunststoffteile, durchgefärbte Außenputze) beschrieben werden.
Nach Abschluss der Planungen tritt dann allerdings der Nachteil bei der Arbeit mit Metasystemen zutage. Denn nun muss geprüft werden, ob und bei welchem Hersteller und mit welchem Bindemittel die gewählte NCS- oder RAL-Putzfarbe zu realisieren ist. Dieser Aufwand lässt sich vermeiden, wenn bei der Planung gleich das anwendungsbezogene Farbsystem eines Putzherstellers verwendet wird.
Werkzeuge für die Farbplanung
Bei der Arbeit mit herstellerabhängigen Farbsystemen ist sich der Planer von vornherein sicher, dass jeder vorhandene Farbton auch produkttechnisch umsetzbar ist. Zu prüfen bleibt jedoch, auf welcher Bindemittelbasis dies geschehen kann. Teilweise sind alle Farben in einem System vereint und die Ausführbarkeit auf mineralischer oder Kunstharzbasis wird mit Symbolen im Farbfächer gekennzeichnet. Teilweise gibt es aber auch nach Bindemitteln getrennte Anordnungen.
In der Regel sind Möglichkeiten der Übersetzung oder Umrechnung vorgesehen, mit denen neutrale Farbangaben (NCS, RAL o.a.) in die firmeneigene Systematik überführt werden können. Es gibt jedoch nicht unbedingt für jede Farbe eines neutralen Farbsystems in jedem Sortiment eine absolut identische Entsprechung, meist aber eine gute Annäherung.
Anwendungsbezogene Farbsysteme können sich – im Unterschied zu Metasystemen – auf die Töne konzentrieren, die in der Praxis der Architektur- und Putzgestaltung von tatsächlichem Interesse sind. Trotzdem erreichen sie beachtliche Umfänge von bis zu mehr als 1 000 Farben. Zumal neben den monochromen Putzen in einigen Fällen auch die Buntsteinputze Teil des anwendungsbezogenen Farbsystems sind.
Die Quantität allein sagt jedoch noch nichts über Qualität eines anwendungsbezogenen Farbsystems aus. Wichtig sind ebenso eine harmonische Ausgewogenheit mit möglichst gleichen Farbabständen sowie für den Architekten gut nutzbare Anschauungs- und Arbeitsmittel. Die Basisinformationen liefert dabei der handliche Farbfächer, der bequem auch mit zum Bauherrn genommen werden kann.
Weil auf dem Fächer naturgemäß nur eine kleine gefärbte Fläche Platz findet und die Farben sich nur bedingt nebeneinander zeigen lassen, gibt es außerdem Farbtafeln oder Farbtonmappen. Darin sind Farbfamilien in Spalten und Reihen systematisch angeordnet, wodurch sich Harmonien leichter finden lassen (Farben gleicher Sättigung oder gleicher Helligkeit).
Als Werkzeuge für den Planer können des weiteren Schablonen zur Verfügung gestellt werden, die das isolierte Betrachten einer Farbe ermöglichen, oder Produktmustertafeln, die einen gewünschten Farbton nicht auf Papier, sondern auf dem originalen Material zeigen.
Die Fächer und Tafeln enthalten neben der Nummer des jeweiligen Farbtons auch seinen Hellbezugswert; zusätzlich können die für den Ton jeweils möglichen Bindemittel sowie die Preisgruppe vermerkt sein. Ergänzend gibt es Prospekte bzw. Broschüren mit grundlegenden Hinweisen für die Farbplanung allgemein und die Arbeit mit dem jeweiligen Farbsystem speziell.
Dem Architekten stehen also eine ganze Reihe von Hilfsmitteln für die selbständige Planung von farbigem Außenputz zur Verfügung. Bei besonders aufwändigen Projekten vermitteln die Hersteller auch den Kontakt zu professionellen Farbstudios, deren Leistungen jedoch meist kostenpflichtig sind. Vereinzelt tastet sich die Industrie bereits an die digitale Farbdarstellung heran, etwa indem Farbkataloge auf CD-ROM herausgegeben werden.
Ein gewisses Problem ist aber dabei die naturgetreue Wiedergabe der Farbtöne. In abgemilderter Form stellt sich diese Frage auch schon bei den gedruckten Materialien: Die Druckfarbe im Fächer oder der Farbtonkarte kann leicht von der späteren tatsächlichen Putzfarbe abweichen.
Und selbst wenn die Farbe im Druck absolut identisch gelingt, bleibt doch die unterschiedliche Wirkung des Tons auf dem Material Papier und dem Material Putz bestehen. Dabei handelt es sich in beiden Fällen immerhin noch um Körperfarben und nicht um eine leuchtende Farbe wie bei der Darstellung am Bildschirm eines Computers.
Eine gewisse Vorsicht bei der Verwendung und Betrachtung von Bildschirmfarben ist also angebracht. Insgesamt ist jedoch die Aussicht verlockend, Farbsysteme einfach in den Rechner zu laden und dort mit ihnen zu arbeiten. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Arbeitsweise mit dem weiteren Fortschritt in der Computertechnik voll durchsetzen kann.
Firmenbezogene Farbsysteme
Im Jahr 2002 hat die Sto AG die dritte Generation ihres StoColor Systems mit insgesamt 800 möglichen Farben für Anstriche und Putze vorgestellt.
Der Aufbau orientiert sich an der visuellen menschlichen Farbwahrnehmung, nicht an einer strengen Farbmetrik. Neben dem klassischen Fächer und einer Farbtonmappe mit Angaben zur Produzierbarkeit, zum Hellbezugswert und zur Preisgruppe gibt es als professionelle Gestaltungswerkzeuge außerdem eine Farbtonedition, eine Farbtonmusterbox sowie einen Produktmusterservice.
Weitere Informationen bba 510
Die Darstellung der Töne im Farbsystem Brillux Scala basiert auf den Normen der Farbmetrik, die mit größtmöglicher Gleichmäßigkeit in der Farbtonverteilung wahrnehmungsbezogen modifiziert wurden.
1 364 Farbtöne – darunter alle RAL classic Farbtöne sowie Lasuren und Metallics – sind zu praxisgerechten Farbtonfamilien verdichtet. Arbeitsmittel des Systems sind der Scala Farbatlas, eine Broschüre, eine Farbbox, diverse Fächer und eine Kodierungs-CD sowie ein eigens eingeführter Scala Musterservice.
Das System wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem iF Design silver award 2002.
Weitere Informationen bba 511
Quick-mix bietet seine Farbauswahl untergliedert nach zwei Bereichen an: Die Farbkollektion A mit 137 Tönen wurde speziell für mineralische Putze und Anstriche entwickelt, kann aber auch auf organischer Basis ausgeführt werden.
Die zusätzlichen 132 Farben der Kollektion B gelten hingegen nur für Siloxan- und Kunstharzputze. Neben der Farbkarte und dem Farbfächer bietet das Unternehmen gegen Schutzgebühr die Einfärbung von Fassadenansichten auf der Basis von eingereichten Zeichnungen an.
Weitere Informationen bba 512
Die Farbkollektion „colours of more emotion” von BaumitBayosan enthält 200 aktuelle Farben für Fassaden-Putze und Farben. Das System entstand in Zusammenarbeit mit Farbpsychologen und berücksichtigt in besonderer Weise die Wirkung der Farben auf Menschen.
Ein Informationsfolder und der Fächer bieten Entscheidungshilfen für die Fassadengestaltung unter dem Aspekt Farbe und Kreativität. Als Ergänzung zu „colours of more emotion” sind 30 weitere, besonders kräftige Farbtöne in der neuen Produktgruppe ArtLine als pastöse Dünnschichtdeckputze zusammengefasst.
Weitere Informationen bba 513
Die Farbwelt von Marmorit besteht aus den Kollektionen Marco Finess ’04 und Marco Classic ’04. In der Classic-Variante stehen 275 Farb- sowie 4 Weißtöne zur Auswahl. Finess umfasst 572 Farbtöne für pastöse Putze und Farben mit organischen Pigmenten.
Weitere Informationen bba 514
Maxit unterteilt seine über 180 Töne umfassende Farbkollektion unabhängig vom Bindemittel in die zwei Linien bzw. Farbwelten „classic” und „modern”.
Die Farblinie classic beinhaltet Farben, die den klassischen mineralischen Pigmentkombinationen entsprechen. Sie ist primär für die Sanierung konzipiert.
Die Farbwelt modern enthält intensive und klare Farbtöne, wie sie im Neubau stark nachgefragt werden.
Weitere Informationen bba 515
Zur Fachmesse Farbe 2005 stellt Caparol sein erweitertes Farbsystem 3D plus mit nunmehr 1350 Farbtönen vor. Neu sind 14 Farbfamilien vorrangig im Rot-Orange-Bereich sowie vier verschiedene Graureihen. Als Arbeitsmittel stehen eine Farbtonkarte und ein Farbtonfächer zur Verfügung, außerdem eine 180 Oberflächenmuster enthaltende großflächige Musterbox. Die erweiterte Farbkollektion wird auch in die Planungs-CD Spectrum 2.0 des Unternehmens eingearbeitet. Der Datenträger zeigt die verschiedenen Farben und ermöglicht den Export der Farben Gestaltungsprogramme.
Weitere Informationen bba 516

Hellbezugswert
Mit dem Aufkommen der Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) und der Hinwendung der Architekten zu intensiven Farben gewann der Hellbezugswert als farbliche Kenngröße an Bedeutung. Der Hintergrund ist, dass Putzschichten auf Wärmedämmung die durch die Sonnenstrahlung eingebrachte Wärme kaum noch an die dahinterliegenden Bauteilschichten – sprich also die Wärmedämmung – abgeben können. Sie heizen sich deshalb auf, was zu hohen thermischen Spannungen im Putz führen kann. Der Effekt ist bei dunklen und das Sonnenlicht absorbierenden Farben deutlich stärker als bei reflektierenden hellen Tönen.
Um den Zusammenhang von Reflexion und Absorption des Sonnenlichts auf einer Oberfläche unabhängig von der Farbgebung beschreiben zu können, wird der Hellbezugswert benutzt.
Der Wert Null steht für absolutes Schwarz, 100 für absolutes Weiß. Diese beiden Extremwerte kommen jedoch nur theoretisch vor, viel spannender sind in der Praxis die Werte dazwischen.
Der Hellbezugswert für einen vollflächigen Kunstharzputz auf WDVS sollte im allgemeinen nicht unter 20 liegen. Für mineralische Putze findet man in der Literatur verschiedene Angaben zwischen 40 und 60 als Untergrenze.
Soll eine dunklere Farbe eingesetzt werden, kann es sich lohnen die Unterlagen des konkreten Herstellers zu prüfen oder bei ihm nachzufragen. Die Anbieter versuchen angesichts der momentan sehr beliebten kräftigen Farben den Anwendungsbereich ihrer Putzfarben in Richtung der kleinen Hellbezugswerte (also der dunklen Töne) auszuweiten. Die Sto AG gibt beispielsweise an, dass nach Rücksprache und Prüfung des konkreten Projekts durch die hauseigene Anwendungstechnik die Ausführung von Putzfarben mit einem Hellbezugswert von unter 20 auch auf WDVS als Sonderfall vereinbart werden kann. Ohne solche Sondervereinbarung – das gilt für alle Hersteller – verlieren Planer und Bauherr in der Regel bei einem Putz auf Wärmedämmung mit zu kleinem Hellbezugswert alle Gewährleistungsansprüche.
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