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Behutsam umgenutzt

Fachwerksanierung in Morschen
Behutsam umgenutzt

Anne Fingerling / red.

Denkmalpflegerische Belange und moderne Nutzungsansprüche in Einklang zu bringen, bedeutet für den Planungsprozess eine Herausforderung. Das alte Forstgehöft im nordhessischen Morschen wurde zum Hotel mit gut bürgerlicher Gastronomie umgebaut – in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege.
Das barocke Fachwerk-Gutshaus wurde 1765 als Teil einer geschlossenen Hofanlage gegenüber der Schlossdomäne Heydau errichtet und diente als Wohnhaus und „Postmeisteramt“. 1822 erhielt es einen Anbau, der heutige Seitenflügel, mit großem Scheunen- und Stallgebäude. Nach der Umwandlung zum „Oberförster-Dienstetablissement“ ab 1881 bewohnten die jeweiligen Forstmeister den Gutshof, bis zur Auflösung des Morschener Forstamtes 1978.
Ursprünglich Sichtfachwerk
Vor etwa 120 Jahren erhielt die Fassade des Forsthauses einen weichen Kalkputz, die Giebelseite nach Westen wurde verschalt. Bestandfotos ließen vermuten, dass es sich ursprünglich um Sichtfachwerk gehandelt hatte, was sich bei näheren Untersuchungen bestätigte.Der Oberputz war zu großen Teilen schadhaft und löste sich aufgrund von Setzungen und Bewegungen des Fachwerks in großen Schollen ab. Zum Vorschein kam die alte Fachwerkkonstruktion mit leicht strukturierten Gefachen, die mit abgeplatteten Einfassungen versehen sind.
Die Ausmauerung der Gefache besteht aus groberen Felssteinen und Lehm, darauf befindet sich ein einlagiger, sehr fester Kalkputz und eine beige/gelbe Farbfassung. Da der alte Kalkputz nicht schwindet, gab es kaum Lücken zwischen Putz und Eichenfachwerk.
Historische Belege
Auch im Innenbereich fanden sich weitere historische Belege bis zurück zur Bauzeit. Die hohen Räume sind teilweise mit Stuckdecken ausgestattet, an den Wänden fanden sich in einigen Bereichen Wandmalereien und aus späterer Zeit wertvolle Tapeten. Die aufwendige Gestaltung ließ darauf schließen, dass es sich ursprünglich nicht nur um ein größeres Gutshaus gehandelt haben kann, sondern dass der Hof wahrscheinlich mit dem gegenüber liegenden ehemaligen Kloster Heydau in Verbindung gestanden haben muss.
Das später zur Schlossdomäne umgebaute Kloster nutzten die hessischen Landgrafen etwa 150 Jahre lang als Jagdschlösschen.
Dadurch, dass der Gutshof im Laufe seiner Geschichte keine großen baulichen Veränderungen erfahren hat und die relativ gut erhaltenen historischen Oberflächen machen das Gebäude zu einem herausragenden Beispiel ländlicher Wohnkultur.
Bestandsaufnahme
Vor allem die Schwellen im EG des Forsthauses waren so stark geschädigt, dass sie fast vollständig ausgetauscht werden mussten, teilweise auch die Stiele und Streben. Ebenso befanden sich die Deckenbalken über dem nördlichen älteren Keller in desolatem Zustand und mussten weitgehend ersetzt werden.
Mangelnde Bauunterhaltung in den letzten 60 Jahren ist Ursache dafür, dass vor allem Schlagregen und kaputte Fallrohre die Substanz geschädigt haben. Die Fassadenflächen wieder als Sichtfachwerk mit barocker Farbfassung herzustellen, hätte bedeutet, sehr viel vom originalen Bestand zu entfernen, um überhaupt einen tragfähigen Untergrund zu schaffen. „Auch für den Bauherren war es gar keine Frage, das Haus wieder zu verputzen, denn der Bauunterhalt der Fachwerkkonstruktion wird dadurch reduziert“, erklärt der zuständige Architekt Michael Kreter. Die Denkmalpflege stimmte ebenfalls zu, weil durch das erneute Verputzen die historischen Oberflächen dauerhaft geschützt werden – wie in den vergangenen 120 Jahren – und weil der barocke Haustyp auch als Putzbau bekannt ist.
Die historische Fassade wurde zunächst gesichert mit Schilfrohr und Kalkputz. Abschließend ist die Fassade mit einem freskalen Anstrich mit Kalkfarbe versehen sowie einem zweiten Anstrich in Seccotechnik. Der Westgiebel erhielt, wie bereits zuvor, eine Holzverschalung aus Lärchenholz. Darunter befinden sich Holzweichfaserplatten (Pavatex Unterdeckplatten Isolar) und 18 cm Zellulosedämmung (Isofloc).
Wertvolle Wandoberflächen
Die Aufarbeitung der wertvollen historischen Tapeten erfolgte zusammen mit einem Tapetenrestaurator, mit fachlicher Beratung durch das Kasseler Tapetenmuseum und in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Großflächig erhaltene farbige Innenputze und zum Teil auch historische Tapeten sollten unter der neuen Wandgestaltung erhalten bleiben, was in Hinblick auf die Diffusionsfähigkeit des Wandquerschnittes nicht ganz unproblematisch ist. Entscheidend war es, die Oberflächen so zu gestalten, dass sie Feuchtigkeit aufnehmen, kapillar im Material verteilen und auch wieder an den Raum abgeben können.
Da Lehmputz, der sich nachweislich auch unter den Tapeten befindet, gute feuchteregulierende Eigenschaften aufweist, wählte man für Wandreparaturen ebenfalls wieder einen Lehmputz mit Kalkanstrich. Durch die Nutzung der Räumlichkeiten als Hotelzimmer dürfte der Feuchteeintrag relativ gering ausfallen.
Auch die Feuchtigkeit, die von außen durch Schlagregen in die Konstruktion eindringen kann, wird weitgehend dadurch minimiert, dass die mit Lehmsteinen ausgefachte Fassade wieder einen feuchteregulierenden Kalkputz erhielt.
Behutsame Eingriffe
Der Seitenflügel, in dessen EG sich das Restaurant befindet, wies einen weit schlechteren baulichen Zustand auf als das Vorderhaus. Auch die Bauqualität hinsichtlich der verwendeten Materialien und der Baukonstruktion ist im Vergleich zum Vorderhaus wesentlich geringer und liegt in der bisher überwiegend landwirtschaftlichen Nutzung begründet. Daher konnte hier weitergehend in die Bausubstanz eingegriffen werden als beim Vorderhaus.
Da der nach Norden orientierte, hintere Bereich des Restaurants ursprünglich über keine Fenster verfügte, wurde ein Teil der Gefache des Nordgiebels entfernt. Von außen ist eine großflächige Stahl-Glasrahmenkonstruktion mit Wärmeschutzverglasung vor die Fachwerkbalken gesetzt. Die großzügige Glasfläche versorgt den Raum nicht nur mit Tageslicht, sondern öffnet auch den Blick in den Garten. Die Scheunentore zur Hofseite wurden ausgebaut und ebenfalls durch großformatige Stahlglasflächen ersetzt, die den Standort der Scheunentore markieren.
Am Original orientiert
Die Konstruktion der Ostfassade im EG des Seitenflügels war immer wieder verändert und der Nutzung angepasst worden. Bei Reparaturarbeiten war in der Vergangenheit das Eichenfachwerk durch Nadelhölzer ersetzt worden und die Stiele standen teilweise nicht mehr übereinander.
Im Zuge der Sanierung versuchten die Planer, die Fachwerkstruktur weitgehend mit abgelagerten Eichenhölzern aus Althausbestand zu rekonstruieren. Die ursprüngliche Dreigliedrigkeit im EG-Bereich bleibt erkennbar: Ein etwas höheres Tor deutet die nördlich gelegene Remise an, worüber sich ein Heuboden befand.
Zur linken Seite schloss der Schweinestall an und daneben standen die Pferde. Hier befindet sich heute der Haupteingang zum Restaurant. Die Hofseite blieb als Sichtfachwerk erhalten.
Die Westfassade des Seitenflügels wurde von außen mit 18 cm Zellulose gedämmt. Darüber befestigten die Handwerker Holzweichfaserplatten, dann folgt eine Belüftungsebene und abschließend eine Lärchenholzverschalung.
Dach
Die Betreiber des Gastronomie- und Hotelbetriebes erhielten im bislang nicht ausgebauten Dachgeschoss des Seitenflügels eine Maisonettewohnung. Da die Dachkonstruktion nur mindere Qualität aufwies, wurden die Sparren vollständig erneuert.
Die Sparren wurden mittels Bohlen verstärkt, um zwischen dem wasserführenden Unterdach aus Holzweichfaserplatten und einem diffusionsoffenen Baupapier 20 cm Zellulosedämmung einbringen zu können.
Das Mansardendach wurde wieder mit Biberschwanzziegeln eingedeckt; teilweise konnten die originalen, 150 Jahre alten Biberschwänze wieder verwendet werden. Der Dachstuhl des Vorderhauses befand sich in sehr gutem Zustand. Da eine Nutzung und daher Dämmung des Dachraumes nicht vorgesehen war, erübrigte sich hier eine Verstärkung der Sparren. Die oberste Geschossdecke wurde mit 20 cm Zellulose gedämmt.
Das darunter liegende Mansardengeschoss des Vorderhauses beherbergt heute einen Teil der Hotelzimmer. Die bis dahin ungedämmten Dachschrägen waren in Teilbereichen mit Putz auf Lehmwickel bekleidet.
Der Hohlraum zwischen den Lehmwickeln und dem neuen Unterdach aus Holzweichfaserplatten, von außen auf die Sparren montiert, wurde mit Zellulose gedämmt. Auf dem Unterdach ist die Traglattung für die Eindeckung mit neuen Biberschwanzziegel befestigt. Die Gaubenwangen wurden neu verschiefert.
Weitere Informationen
Holzweichfaserplatte bba 523 Zellulosedämmung bba 524
Architekten: Projektsteuerung: Projekt–Planung & Consulting GmbH PPC, Hans-Peter Theune, Architekt, Melsungen Planung und Ausführung: Architekturbüro Michael Kreter, Kassel, in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Bau und Energie, Kassel
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