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Neue Beschichtung für smartes Fensterglas entwickelt

Deutliche Reduktion des Kühl- und Heizenergiebedarfs
Neue Beschichtung für smartes Fensterglas entwickelt

Forschenden am Fraunhofer FEP ist es gelungen, die weltweit erste thermochrome Schicht auf Dünnstglas in einem sogenannten Rolle-zu-Rolle Verfahren zu fertigen. Dieses neuartige Fensterglas könnte künftig mechanische Jalousien überflüssig machen und gleichzeitig den Kühl- und Heizenergiebedarf von Gebäuden reduzieren helfen.

Bürokomplexe und öffentliche Gebäude sind heute oft geprägt durch große, nach Süden ausgerichtete Fenster und Glasfassaden. Während die Sonneneinstrahlung im Winter zur Unterstützung der Heizung dient, heizt sie im Sommer das Gebäudeinnere auf und macht eine aktive Kühlung erforderlich. Verschattungen durch z. B. Jalousien senken den Komfort und tragen im Winter nicht dazu dabei, den Wärmeeintrag im Gebäude zu nutzen.

Smarte Fenster hingegen können den Wärmeeintrag der Sonneneinstrahlung je nach Wettersituation regulieren – und bieten somit in Zeiten von Klimawandel und Energiekrise eine zukunftsweisende Lösung. Das Fraunhofer FEP forscht derzeit an Oberflächenbeschichtungen, die hier einen großen Beitrag leisten können und eine Verringerung der Wärmestrahlung durch Fensterglas ins Gebäude ermöglichen. 

Im EU-Projekt »Switch2Save« arbeiten die Forschenden beispielsweise an aktiven, smarten Schichtsystemen, die die Effekte der Elektrochromie (= Schaltung des Energiedurchlasses durch Anlegen einer Spannung) und Thermochromie (= Schaltung des Energiedurchlasses durch Über- / Unterschreitung einer Temperatur) nutzen. Solche elektrochromen Folien können in Isolierverglasungen eingesetzt werden und kommen nicht nur bei Neubauten zum Einsatz. Auch eine Nachrüstung von Bestandsgebäuden ist möglich und Gegenstand des frisch gestarteten Projektes »FLEX-G4.0«.

Schaltbares Glas zweifach ausgezeichnet

Spagat zwischen unterschiedlichen Eigenschaften

Aktuell sind einige passive Technologien, wie SolarControl-Systeme und low-E Beschichtungen (low emissivity) bereits kommerziell am Markt erhältlich. Diese dünnen, auf Folie oder Glas hergestellten Schichten führen aber nur zu einer permanenten Anpassung des Energiedurchlassgrades. Sie funktionieren also nur in einer Einstellung, z. B. zur Verhinderung der Wärmeeinstrahlung im Sommer. Im Winter wird diese allerdings ebenso abgehalten. Zudem greifen sie im Herstellprozess u.a. auch auf wertvolle Ressourcen wie Silber zurück. Der Fokus der Fraunhofer-Forscher liegt daher auf der Optimierung der Eigenschaften und dem Ersatz solcher knappen Materialien.

Bei allen Technologien – ob passiv (low-E; SolarControl) oder aktiv (elektrochrom; thermochrom) – besteht die Herausforderung darin, den Spagat zwischen den verschiedenen Eigenschaften zu meistern, die gleichzeitig wirksam sein sollen: Spielen der optische Eindruck und die optische Wirksamkeit in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen die größere Rolle oder ist dies vernachlässigbar gegenüber einem großen Energiedurchlassgrad? Ebenso sind die Spanne der Schalttemperaturen bei thermochromen Schichten und natürlich auch die Herstellkosten zu berücksichtigen.

Um vielseitige und neue Lösungen hierfür zu finden, entwickeln die Forschenden am Fraunhofer FEP aktuell Beschichtungstechnologien für thermochrome Elemente auf Dünnstglas. Das Substratmaterial mit einer Dicke von ca. 100 µm stellt hohe Anforderungen an das Handling – und die Skalierung auf größere Flächen gestaltete sich bislang als sehr schwierig. Gleichzeitig ist aber der Einsatz einer Polymerfolie als alternatives Substrat (die das Handling erleichtern könnte) nicht ohne weiteres einsetzbar. Grund hierfür sind die hohen Temperaturen von einigen 100 °C im Herstellungsprozess.

Dynamisches Flüssigkristallglas

Thermochrome Schicht auf Dünnstglas 

Anfang 2022 ist es den Forschenden am Fraunhofer FEP gelungen, die weltweit erste thermochrome Schicht basierend auf Vanadiumdioxid auf Dünnstglas mit der effizienten Rolle-zu-Rolle-Technologie zu fertigen.

„Damit haben wir einen wichtigen Schritt in der Skalierung der Technologie vom Labor- auf einen Pilotmaßstab mit unseren Rolle-zu-Rolle-Anlagen geschafft“, so Dr. Cindy Steiner, Gruppenleiterin am Fraunhofer FEP. „Die thermochromen Schichten verändern ihre Transmission im Infrarotbereich bei Überschreiten einer bestimmten Temperatur. Die Transmission im sichtbaren Bereich bleibt unverändert. Der Nutzer bemerkt so keine optische Veränderung am Fenster und hat keine Einschränkungen im Lichtkomfort oder der Sicht. Damit wird im Sommer Wärmeeinstrahlung effektiv blockiert, was die Notwendigkeit von Klimaanlagen senkt. Im Winter wird die Wärmeeinstrahlung der Sonne durchgelassen, was zu Einsparungen im Heizenergieverbrauch führt.“

Die Schalttemperatur liegt bei ca. 20 °C, was bedeutet, dass das thermochrome Dünnstglas zwischen transmittivem und reflektivem Zustand umschaltet, wenn es über 20° C warm wird. „Diese Schalttemperatur lässt sich entsprechend der klimatischen Anforderungen einstellen durch die Zusammensetzung, die Prozessführung und den Aufbau des Schichtsystems“, so Dr. Steiner.

Mit prägnanter Ansicht

Deutliche Reduktion des Kühl- und Heizenergiebedarfs

Im nächsten Schritt soll die Technologie skaliert und zur Marktreife geführt werden. Forschungsgegenstand sind insbesondere die Optimierung des Substrat-Handlings, die Langzeitstabilität und die Einstellung der erforderlichen Schalttemperatur. 

Die Kombination der hier vorgestellten Technologien für smartes Fensterglas macht so künftig mechanische Jalousien überflüssig und kann den Kühl- und Heizenergiebedarf eines Gebäudes zwischen zehn und in Extremfällen bis zu 60 Prozent reduzieren.


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