Deutschlands Infrastruktur bröckelt: Bund, Länder und Kommunen müssen jährlich Milliardenbeträge in die Instandsetzung von Brücken, Tunneln, Tiefgaragen und Parkhäusern investieren. Forschende entwickeln derzeit ein optimiertes Ertüchtigungssystem, mit dessen Hilfe geschädigte Stahlbeton-Bauteile minimalinvasiv instandgesetzt und gleichzeitig dauerhaft vor Korrosion geschützt werden können.
Tausalz schützt zwar vor Glätte, setzt aber dem im Beton verwendeten Bewehrungsstahl zu. Das im Salz enthaltene Chlorid lässt den Stahl korrodieren. Wenn sich an Brücken braune Flecken abzeichnen, in Parkhäusern Teile der Decke abbröckeln oder an Wänden weiße Salzschlieren sichtbar werden, ist der Verfall weit fortgeschritten. Es muss saniert werden – und das dauert.
Zunächst muss der Beton mittels Höchstdruckwasserstrahlen abgetragen und die schadhafte Bewehrung freigelegt werden. Oft ist der Stahl schon so korrodiert, dass eine Sanierung sehr aufwendig ist, erklärt Prof. Dr.-Ing. Stephan Görtz: „Dann müssen wir die Bewehrung ersetzen oder das Bauteil durch Aufkleben von Lamellen oder Ähnlichem verstärken. Dies ist nicht nur aufwendig und teuer, der tiefgreifende Eingriff in die Bauwerke hat zur Folge, dass diese während der Bauzeit nicht nutzbar sind.“
Dauerhafter Korrosionsschutz für Stahlbeton
Görtz lehrt an der Fachhochschule (FH) Kiel Konstruktiven Ingenieurbau. Gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Christoph Dauberschmidt von der Hochschule München und Prof. Dr.-Ing. Frank Heimbecher von der FH Münster möchte er in den kommenden vier Jahren neue Methoden zur Instandsetzung betroffener Bauwerke entwickeln.
Anstelle von Stahl wollen Görtz und seine Kollegen ein textiles Gelege aus sehr tragfähigen und nicht-rostenden Basaltfasern verwenden, die den korrodierten Stahlquerschnitt ersetzen. In dieses Basaltgelege soll ein elektrisch leitfähiger Titandraht eingewebt werden, damit ein Kathodischer Korrosionsschutz installiert werden kann. Bei dieser Methode verhindert ein Schutzstrom, dass sich der Rost weiter in die Stahlbewehrung frisst. Der im Betonbauteil vorhandene, noch intakte Bewehrungsstahl ist also dauerhaft geschützt.
Mit dieser neuen Instandsetzungsmethode, so die Hoffnung der Experten, könnten auch Stahlbeton-Bauteile mit starken Korrosionsschäden ohne große Eingriffe instandgesetzt werden. Ein immenser Vorteil gegenüber den herkömmlichen Sanierungsmethoden, erklärt Görtz: „Es wäre möglich, Ertüchtigung und dauerhaften Korrosionsschutz in einem Arbeitsschritt vorzunehmen. Da auf aufwendige Maßnahmen wie das Abstrahlen des chloridbelasteten Betons oder Ersetzen der Bewehrung verzichtet werden kann, lassen sich Betoninstandsetzungen deutlich kostengünstiger realisieren und die Ausfallzeiten in etwa halbieren.“
Reales Projekt zur Pilotanwendung
Mehrere Betreiber von Infrastrukturbauwerken haben bereits ihr Interesse an der Entwicklung bekundet: Die Stadt Kiel plant, ein reales Projekt zur Pilotanwendung zur Verfügung zu stellen. Ohnehin arbeiten die Hochschulen im Rahmen des Forschungsprojekts eng mit Industriepartnern zusammen. Das Projekt zur minimalinvasiven Stahlbeton-Ertüchtigung wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Summe von 1,46 Mio. Euro gefördert. Die Projektleitung liegt bei der FH Kiel.