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Architekturstudierende entwickeln neue Konzepte für das ICC Berlin

Ein Denkmal als Denkmodell
Architekturstudierende entwickeln neue Konzepte für das ICC Berlin

Architekturstudierende entwickeln neue Konzepte für das ICC  Berlin
Zwanzig Studenten der AA Visiting School entwickelten Lösungskonzepte für die Zukunft des ICC in Berlin. Bild: Architectural Association

Wie könnte die Zukunft des Internationalen Congress Centrums (ICC) in Berlin aussehen? Mit dieser Frage beschäftigten sich 20 Architekturstudenten aus unterschiedlichen Ländern, die an der zweiwöchigen »Visiting School« der britischen Architectural Association (AA) teilnahmen.

„Der Kurs ist ein internationaler Thinktank, der Berlin als Labor nutzt, um kreative Lösungen für resiliente Städte der Zukunft zu entwickeln“, so Edith Wunsch, Architektin bei Arup, die das Programm leitet und die Studenten betreut. Im Rahmen von Exkursionen, Vorträgen und Workshops mit Experten konnten die jungen Architekten ihr Wissen rund um das Thema urbane Transformation und Nachhaltigkeit vertiefen. Den Abschluss bildete die Präsentation der eigenen Ideen vor einer international besetzen Jury.

Urbane (Solar-)Farm

Das ICC Berlin hat auch ungenutzt einen hohen Wartungsaufwand und Energiebedarf. Die jährlichen Betriebskosten liegen im Millionenbereich. Team 1 schlug deshalb vor, das Dach des ausgedienten Kongress-Zentrums sowie der umliegenden Messehallen mit Photovoltaik-Modulen zu versehen und das Gebäudeensemble zu einer Solar-Farm zu machen, die nicht nur den Eigenbedarf deckt, sondern auch die Nachbarschaft mit Strom versorgt. Als Placemaking-Element für den Außenbereich dienen weit sichtbare Lichtinstallationen. Passend dazu könnte das ICC in diesem Konzept als Inkubator für regenerative Energie dienen.

Mit einer Umnutzung als »Urban-Patchwork Farm« beschäftigten sich die Konzepte von Team 2 und Team 3. Im Inneren des ICC würden in LED-Farmen Versuchslaboratorien neue Herangehensweisen an die Lebensmittelproduktion testen, während unter Einbeziehung umliegender Gebiete weitere Nahrungsmittel für die Stadt erzeugt würden, die auf einem riesigen Foodmarket im Außenbereich verkauft werden. Urban-Gardening Flächen rund um das ICC laden die Berliner ein, mit innovativen Anbauformen zu experimentieren. Auf diese Weise, so die Berechnungen der Studenten, könnten sich 27 Prozent der Einwohner von Charlottenburg-Wilmersdorf selbst versorgen. Um den verkehrsbedingten Lärm und die Luftverschmutzung zu minimieren, schlugen die Studenten vor, den Durchgangsverkehr des Messedamms unterirdisch verlaufen zu lassen.

Ein Jahr urbane Landwirtschaft auf dem Dach

Smarte Mobilität und künstliche Intelligenz

An die automobile Geschichte des Umfeldes und die Renntradition der AVUS knüpft die Idee von Team 4 an. »The Machine«, so der Konzeptname, macht aus dem ICC ein New Mobility Lab, in dem smarte Mobilitätsideen der Zukunft entwickelt werden. Ausreichend Platz für Labore, Fahrzeugstände, Teststrecken und Showrooms wäre vorhanden. Mit dem Mobilitätscluster Berlin-Brandenburg sowie dem eMobility Vorreiter Tesla in Grünheide befinden sich passende Kooperationspartner in direkter Nachbarschaft.

Team 5 stellte die berechtigte Frage, inwieweit die zwei Millionen Euro Kosten, die das leerstehende ICC pro Jahr verursacht, vor den Berliner Steuerzahlern zu rechtfertigen sind. Unter dem Konzeptnamen »Spolium« wird das 200.000 m² BGF große Gebäude zu einem riesigen Materiallager für neue Gebäude. Ein Reuse-Konzept, das den Gedanken der Kreislaufwirtschaft aufgreift und zudem viel CO2 spart, weil mit der grauen Energie gebaut wird, die bereits im Gebäude steckt.

Auch wenn das ICC Berlin leersteht und keine Funktion mehr hat, spielt es in den sozialen Medien eine große Rolle. Unzählige Instagram-Stories erzählen die Geschichte des Gebäudes immer wieder neu. Es wird zur Kulisse, zur Bühne, zur Open-Air Galerie, zum Laufsteg. Unter dem Motto #ICC möchte Team 6 die unterschiedlichen spontanen Nutzungsarten per Algorithmus auswerten und daraus ein tragfähiges Zukunftskonzept ableiten; hier werden Placemaking-Techniken mit der digitalen Zukunftswelt vereinbart und das städtische Erbe gekonnt neu inszeniert.

Partizipative Ideenfindung

Im Anschluss an die Präsentation der Studenten waren die Vertreter der Jury gefragt, ihre Ideen für das ICC in einer Panel-Diskussion zu skizzieren. Für Carlos Villanueva-Brandt, Architekt und Gründungsmitglied von NATO (Narrative Architecture Today), ist das ICC Berlin eine Welt für sich. Wie ein Raumschiff, das in einer fernen Galaxie gelandet ist, hat es so gut wie keine Verbindung zur Stadt. Trotzdem haben die Berliner eine starke emotionale Beziehung zu diesem futuristischen Wahrzeichen aufgebaut. Deshalb sollte man die Bürger:innen in einem partizipativen Prozess an der Lösung beteiligen.

Das sieht Eva de Klerk, Expertin für partizipative Stadtentwicklung, ähnlich. Sie plädiert für einen Bottom-up Prozess, der alle gesellschaftlichen Gruppen miteinbezieht. Der zunehmenden Fokussierung auf Investoreninteressen bei der Stadtgestaltung steht sie kritisch gegenüber. Statt Lebensraum für alle zu sein, werden Städte zunehmend zu Geldmaschinen für wenige.

Raoul Bunschoten, Professor für nachhaltige Stadtplanung an der TU Berlin, könnte sich vorstellen, das ICC wieder für Kongresse und Messen zu nutzen. Allerdings in anderer Form: Messen 2.0 sind für ihn hybride Veranstaltungen in hyperflexiblen räumlichen Konstellationen, die weitaus mehr bieten als klassische Vorführungen und Vorträge. Denkbar wären zum Beispiel virtuelle Welten in analogen Räumen.

ICC oder nicht ICC

Urbaner Playground

Nille Juul-Sørensen, globaler Leiter für Architektur bei Arup, könnte sich das ICC Berlin als »Living Lab« vorstellen. Er sieht das Gebäude und sein Umfeld als riesiges Experimentierfeld für die Stadt der Zukunft, auf dem im kleinen Maßstab ausprobiert werden könnte, was im Großen funktionieren soll.

Die Idee eines Experimentierraums, der sich immer wieder neu erfindet, teilt auch Eva Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin. Neben einer energetischen Sanierung sieht sie die Verbindung des ICC mit der Stadt als dringendste Aufgabe. Zudem sollte das Land Berlin das Gebäude in Erbpacht vergeben. Auf diese Weise könnte man sich von den hohen Kosten befreien und trotzdem Eigentümer bleiben.

Die Ideen der Studenten, die im Rahmen der AA Visiting School in Berlin erarbeitet wurden, werden bis zum 15. August 2021 im Quartier Zukunft der Deutschen Bank in der Friedrichstraße 181 in Berlin-Mitte ausgestellt.


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