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Vorhang aufgefächert

Neubau eines Forschungsgebäudes in Heidelberg
Vorhang aufgefächert

Im Auftrag des Deutsches Krebsforschungszentrums Heidelberg entstand für den einzigen derzeit ausschließlich für die Krebsforschung eingesetzten 7-Tesla Hochfeldtomographen (MRT) ein Neubau, der sowohl dem Gerät selbst als auch Arbeitsräumen für die Vorbereitung und Auswertung der Analysen Platz bietet. Das Bild von Eisenspänen, die sich über einem Magneten nach dessen Feldlinien aufspreizen, stand Pate für die Fassade. Die Assoziation entsteht durch Metalllamellen, die mit Abstand vor die ansonsten homogene schwarze Hülle montiert sind.

Petra Domke

Der durch die technische Entwicklung mögliche Einsatz von 7-Tesla Hochfeldtomographen in der Krebsforschung eröffnet die Möglichkeit der besseren Erforschung von Tumoren. Zum Betrieb eines solchen Gerätes entstand im Krebsforschungszentrums Heidelberg ein entsprechendes Gebäude, das die Voraussetzungen für den umfassenden technischen und wissenschaftlichen Betrieb ermöglicht. Die von diesem Gerät ausgehende magnetische Feldstärke von sieben Tesla, das entspricht der 150 000-fachen Stärke des Erdmagnetismus, erfordert eine solitäre Aufstellung. Weder dürfen unbeteiligte Personen gefährdet (Grenzwert für Herzschrittmacher) noch darf die Forschungsarbeit in den angrenzenden Gebäuden (die sogenannte „Erdfeldstärke“) beeinträchtigt werden. Diese Bedingungen bestimmten weitestgehend die Architektur, die Lage und die Anordnung des Gebäudes. Allein das gigantische Magnetfeld erhält eine Abschirmung von 250 t Stahl (Geräteraum).
Um Personen mit Herzschrittmachern zu schützen, wurde eine erkennbare Abtrennung notwendig. Da wegen der Bodenverhältnisse sich eine Absenkung ohnehin sinnvoll ergab, wurde an der so genannten Herzschrittmacherlinie (0,5-mT (Milli-Tesla)-Linie) ein Streifen von ca. 4,80 m um das Gebäude abgesenkt. Ein zusätzlicher Schutz erfolgt durch ein Geländer. Statt eines profanen Zauns ist dieser „Burggraben“ ein ansprechendes und sinnvolles architektonisches Motiv, durch welches das Gebäude zwar gut sichtbar, aber dem direkten Zugang entrückt bleibt.
Das Gebäude weist Abmessungen von ca. 25 x 25 m bei einer Höhe von ca. 7 m auf. Der kubische Solitär fügt sich gut in das Gelände ein. Gerade weil bei dem Gebäude Funktion und Architektur innen wie außen geradezu eine symbiotische Einheit bilden, wirkt es harmonisch und elegant. Die Gebäudekonstruktion ist aus Stahl, die Außenwände sind mit KS-Mauerwerk ausgefacht. Die innere Ordnung der Räume ergibt sich logisch aus den Anforderungen der Funktion, der Technik und der Richtlinien hinsichtlich von Abständen in Abhängigkeit der vorhandenen Magnetfeldstärke: Die Raumstrukturen sind bestimmt durch zwingend notwendige oder sinnvolle Beziehungen einzelner Aufgabenbereiche. Die Büros für Vorbereitung und Auswertung der Experimente sind beispielsweise außerhalb der 20-mT-Linie angeordnet. Da diese Tätigkeiten im Wesentlichen mehrstündig am PC stattfinden, erklärt sich der erhöhte Abstand zum Geräteraum.
Nutzungsorientiert
Die äußere Gestalt wurde aus verschiedenen Motiven entwickelt: Metallspäne richten sich unter dem Einfluss von Magnetfeldern charakteristisch auffächernd auf. Die äußere Hülle entstand als spiegelnde Metallfläche. Innerhalb dieser durchgehenden Metallfläche bildet eine schwarze Fassadenbekleidung aus Faserzementtafeln von Eternit, als vorgehängte hinterlüftete Konstruktion ausgeführt, die notwendige Kulisse für die Inszenierung der Metalllamellen. Gerade in den leichten, nach Umwelt-Produktdeklaration ISO 14025 zertifizierten sowie farb- und formbeständigen Faserzementpaneelen Isocolor Natura, die eine matte, leicht körnige Oberfläche aufweisen, fanden die Planer die perfekte Ergänzung zu den glänzenden Metallelementen. Alle Tore und Türen wurden in diese Hülle homogen integriert. Im Bereich der Vorbereitungs- und Auswertungsräume sind die Metalllamellen stark „ausgedünnt“, so dass hier nur der Eindruck eines sehr leichten Vorhanges aufkommt.
Trotz der äußeren Hülle, die den geschlossenen schweren Charakter unterstreicht, ist der Eindruck im Inneren des Gebäudes hell und leicht. Verantwortlich dafür sind die großzügigen Fensterflächen aus Pfosten-Riegel-Elementen FW50+1 sowie Klappfensterelementen Royal S70.HI und AWS 65 aus dem Hause Schüco. Die Fenster tragen maßgeblich zum Charakter des Hauses bei. Bewusst entschieden sich die Planer, die Fenster im Gebäude als Stimmungsaufheller zu nutzen und jede mögliche Fläche, teilweise sogar raumhoch, den Fensteröffnungen vorzubehalten.
Innenausbau: Zurückhaltend gestaltet
Der Innenausbau ist als logische Entsprechung der Funktion formal reduziert, Details zurückhaltend gestaltet. Im Innern bestimmen Sichtbeton, weiße Fronten und Wandflächen, Geländer und Geländerfüllungen aus Edelstahl sowie der hellgraue Bodenbelag den Raumeindruck.
Die Auswahl des Belags stellte die Planer vor besondere Herausforderungen. In einem Kautschukprodukt der nora systems GmbH fand sich die Lösung. Kautschuk verfügt über die Qualitäten, die beim Heidelberger Forschungsgebäude gefragt waren. Die Fähigkeit, großen Belastungen dauerhaft elastisch zu widerstehen und eine lange Lebensdauer zählen ebenso zu Vorteilen wie Eigenschaften von rutschhemmend, fußwarm und trittschalldämmend. Den entscheidenden Entscheidungsschwerpunkt aber bildete die Möglichkeit, trotz verschiedener Funktionsbereiche und unterschiedlichster Beanspruchungs- und Qualitätsanforderungen im gesamten Objekt eine einheitliche Optik zu realisieren.
Mit den Vertikal-Lamellen-Vorhängen als Blend-, Sicht- und UV-Strahlen-Schutz in den Vorbereitungs- und Auswerteräumen wurde ein Gestaltungs- und Funktionselement der Fassade für die Ausstattung im Innenbereich aufgegriffen. In den Silent Gliss-Streifenvorhängen, System 2810, Typ Alu MRD fand sich ein Produkt, das höchste Ansprüche an Bedienung und Design mit der Forderung nach Maßanfertigung für jeden Raum verband.
Nachhaltigkeit
Dem Umweltschutz wird auf vielfältige Weise Rechnung getragen. Die kompakte Bauweise minimiert den Landschaftsverbrauch sowie Wärme- bzw. Kälteverlust. Wo es die Nutzung der Räume erlaubt, sind diese natürlich belüftet und belichtet.
Regenwasser wird durch das begrünte Dach aufgesammelt und zwischengespeichert. Die Einleitung von Regenwasser erfolgt ins Gelände, nicht in die Kanalisation. Die Metallfassade aus Edelstahl ist voll recyclingfähig und verzichtet völlig auf chemische Beschichtungen. Mit Ausnahme der aus Brandschutzgründen vorgeschriebenen F60-Beschichtungen von Stahlträgern oder nicht anders verfügbarer Baustoffe wurde der Trennbarkeit von Baumaterialien Rechnung getragen.
Der vielleicht wichtigste Ansatz der Nachhaltigkeit ist konzeptioneller Natur: Die auf langfristige Flexibilität ausgerichtete Grundkonzeption des Gebäudes erlaubt in hohem Maße Umnutzung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Gerätelebensdauer im Forschungsbetrieb (im Sinne der Erzielung von für die Forschung verwendbaren Ergebnissen) kurz ist, kommt einer Gebäudekonzeption, welche die Integration neuer oder anderer Geräte oder Nutzungen zulässt hohe Bedeutung zu. Das hier geplante Gebäude ist durch Konstruktions- und Ausbauraster, durch die flächendeckende Absenkung der Bodenplatte, durch die Bauweise der inneren und äußeren Wände bis hin zur Möglichkeit die Innenstützen innerhalb gewisser Grenzen zu verschieben, sehr flexibel ausgelegt.
Architekt Hanno Chef Hendriks: „Die Gebäudekonzeption wurde mit Blick auf eine Verwendungsfähigkeit über die wissenschaftliche Lebensdauer des Gerätes entwickelt. Das Bild von Eisenspänen, welche sich über einem Magneten nach dessen Feldlinien aufspreizen, war das Motiv für die Fassade. Metalllamellen, die mit Abstand vor die ansonsten homogene schwarze Hülle montiert sind, spreizen sich auf, wodurch sich aus jedem Blickwinkel unterschiedliche Ansichten und Einblicke ergeben.“
Architekt: Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten, Stuttgart Verantwortlicher Partner: Hanno Chef Hendriks, Architekt BDA Tragwerksplanung: SCHREIBER Ingenieure Planungen im Bauwesen, Stuttgart Technische Gebäudeausrüstung: JMP Ingenieurgesellschaft mbH, Stuttgart Elektrotechnik/Lichtplanung: Müller und Bleher Ingenieurbüro für Elektrotechnik, Filderstadt Bauphysik: Ingenieurbüro von Rekowski und Partner, Weinheim
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