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Unverwechselbar bei aller Zweckmäßigkeit

Erweiterungsbauten einer Saatgut-Züchtungsstation in Hadmersleben
Unverwechselbar bei aller Zweckmäßigkeit

Die Saatgut-Züchtungsstation in Sachsen-Anhalt erhielt mehrere Neubauten, für die vor allem Funktionalität gefordert war. Dennoch schafften es die Architekten, nicht nur einen Bezug zum Bestand herzustellen, sondern auch – trotz gedeckeltem Budget – den Fassaden aus Blechelementen durch ihre Farbanordnung eine überzeugende Optik zu geben.

Christiane Leiska, plp Pool Leiska Partner | be

Fährt man von Kroppenstedt nach Hadmersleben, kreuzt man ausgedehnte Felder mit einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben – signifikant sind meist große, banale Blechhallen. In Sichtweite von Hadmersleben passiert man blühende Straßenränder und dahinter erkennbar beschilderte Versuchsfelder, danach bleibt der Blick an einer Halle mit turmartigem Aufbau hängen: Hier beginnt SW Seed. Von der Straße aus sieht man die Neubauten nicht, sie sind hinter dem wenig attraktiven Gebäudebestand versteckt. Biegt man jedoch ab und fährt auf das Gelände, ändert sich der Charakter der Station.
Der schwedische Konzern SW Seed, seit einigen Jahren Eigentümer der ehemaligen DDR-Züchtungsstation in Hadmersleben, musste wesentliche Arbeitsräume erneuern – wegen Platzmangel im Bestand, Baufälligkeit und wenig sinnvollen Arbeitsabläufen. Etliche Gebäude der Ursprungsstation waren bereits beseitigt, für Neubauten war viel Platz. Wir erarbeiteten zunächst einen Masterplan für den Endausbau der Station. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde das Budget für den 1. Bauabschnitt vom Bauherrn festgesetzt und gedeckelt. Das Raumprogramm für die Neubauten dieses Abschnittes wurde auf das absolut notwendige Minimum reduziert.
„Architektur“ war eigentlich nicht gefragt, sondern „Zweckbauten“. Um so größer wurde unser Ehrgeiz, trotzdem qualitätsvolle Neubauten abzuliefern.
Funktion, Form, Farbe, Struktur
Funktionierende Arbeitsabläufe prägen die Gebäudekonfiguration auf dem Grundstück und die Grundrisse. Saatgut von Raps, Weizen, Gerste und Triticale wird gezüchtet bis zur Anerkennung als Sorte durch das Bundessortenamt. Auf Versuchsfeldern wird ausgesät und geerntet. Die Ernte wird in Arbeitsräumen entgegen genommen, gezählt, gesiebt, gemessen und gewogen, aussortiert oder eingelagert und zur erneuten Aussaat aufbereitet.
Dafür planten wir in räumlicher Nähe zur vorhandenen Lagerhalle das Saatgutzentrum. . Das Mittelschiff der dreischiffigen Halle ist über 20 m freigespannt, es umfasst Lager und Anlieferung mit Trocknung. Das weit auskragende Vordach ergänzt die Anlieferung, hier können Erntewagen im Trockenen warten oder entladen werden. In den 8 m tiefen, zweigeschossigen Seitenschiffen liegen Arbeitsräume im Erdgeschoss. Die Lagerfläche wird durch die Galerieflächen oberhalb der Arbeitsräume erweitert. Auf der Galerie befinden sich auch die Sozialräume für die Mitarbeiter. Das Saatgutzentrum ist eine Stahlkonstruktion mit Außenwänden aus standardisierten Sandwich-Paneelen und Sheddächern (Nordlicht) über dem Mittelschiff. Die gesamte Halle hat einen gabelstaplergeeigneten Industriefußboden mit Fußbodenheizung. Die flankierenden Arbeitsräume sind für Steh-Arbeitsplätze geplant, die Türverbindungen untereinander und zum Lager optimieren die Arbeitsabläufe.
Die Vorstufe zur Aussaat auf dem Feld ist die Züchtung in Gewächshäusern und Klimakammern, in denen dank künstlicher Klimabedingungen innerhalb eines Kalenderjahres drei Saat- und Erntezyklen stattfinden und die Bearbeitung und Überwachung des Saatgutes in den Labors. Genveränderungen gibt es in dieser Station nicht.
Verbindung zum zweiten Neubau
Der zweite Neubau schuf deshalb die Verbindung der vorhandenen drei Gewächshäuser, die isoliert auf dem Gelände standen, mit einer vorbereitenden Arbeitszone, angrenzenden Klimakammern und den notwendigen Laborräumen – alles Funktionen, die bisher mit langen Wegen auf dem Gelände verstreut waren. Das Gebäude wurde mit seinen konventionellen Abmessungen als Betonkonstruktion errichtet. Die Arbeitszone ist ebenfalls mit Industriefußboden ausgestattet für Gabelstaplerverkehr zwischen Erdlager, Arbeitstischen und Gewächshäusern. Sie bekommt Tageslicht durch ein Nord-Oberlicht. Alte, aufgearbeitete Leuchten aus den Gewächshäusern beleuchten die Tische. Die Klimakammern liegen gepuffert gegen Außenwärme und -kälte zwischen Arbeitszone und Laboratorien, die ihrerseits an der Nordseite ohne Sonnenschutz auskommen. „Offizielle“ Pausenflächen gibt es im Bürogebäude, deswegen haben wir vor der Teeküche im Laborgebäude und neben den Gewächshäusern Terrassenflächen und Freisitze eingeplant.
Beide Baukörper verbindet aus Kostengründen nur ein offener, überdachter, witterungsgeschützter Gang miteinander, der auf kürzestem Weg auch zu den Züchterbüros im Bürogebäude führt. Verwaltung und Züchterbüros blieben nach Willen des Bauherrn im vorhandenen Bürogebäude aus der DDR-Zeit, ebenso blieben die Baracken und Schuppen für Werkstätten, Maschinenpark und Technikzentralen erhalten.
Bauen mit Leitbild im Kontext
Die Vielfalt des Gebäudebestandes – das ungeschickt sanierte Bürogebäude, Schuppen, preisgünstige Stahlblechhallen und gläserne Gewächshäuser – ließ uns überlegen, wie sich Neubauten in diesem Kontext darstellen, da einige dieser Gebäude dauerhaft bestehen bleiben werden. Wie lässt sich ein gestalterisches Leitbild für das gesamte Gelände der Station entwickeln, ohne den dauerhaften Bestand allzu sehr abzuwerten? Gestaltung und Materialwahl sollten darüber hinaus brauchbare Vorgaben für nächste Bauabschnitte sein.
Leitbilder waren für uns die wunderbaren Bruchsteinmauern der riesigen Scheunen in Hadmersleben und der Region und natürlich auch die prag-matischen Trapezblechfassaden, die unsere Bauherren erwarteten.
Wir beschlossen, die Vielfalt zu thematisieren. Deshalb bekam das Saatgutzentrum in Nachbarschaft der alten, trapezblechverkleideten Lagerhalle eine Fassade aus grausilbernen Blechelementen, diesmal jedoch horizontal verlegt und mit schmalen Profilen in den Farben von SW Seed geziert – jede Seite in einer unterschiedliche Farbkombination, statt -wie gewünscht- die gesamte Halle grün-gelb zu färben.
Die SW Seed-Farben finden sich in den Innenräumen wieder: als Farbstreifen an den Wänden der Arbeitsräume, an den Decken der Laborräume oder den Umfassungswänden der Klimakammern. Für das Laborgebäude mit seinem für die Station kostbaren Innenleben wählten wir Gabionen als Fassadenbekleidung, gefüllt mit einheimischem Kalkstein – als Reverenz gegenüber der Tradition. Gabionen waren preisgleich mit Ziegelmauerwerk – das überzeugte auch die Bauherren.
Wir haben bei dem geringen Budget ein Maximum erreicht und Gebäude geschaffen, die Bauherren und Nutzern zeigen, dass kreative und sorgfältige Planung zu unverwechselbaren, äußerst funktionalen, schönen Gebäuden führt.
Für SW Seed war dieses Bauvorhaben eine konzernweit stark beachtete große Investition, die inzwischen von etlichen Züchtern auch aus Schweden als vorbildlich besichtigt wurde.
Fassade im Detail
Mit ThyssenKrupp Bausysteme wurde eine Sonderbreite für das Produkt „Hoesch Isowand integral“ abgestimmt. Ausgeführt wurden 710 m² Sandwich-Elemente als horizontale Wandverkleidung auf Profilstahlkonstruktion, bestehend aus einem FCKW- und HFCKW-freien Polyurethanhartschaumkern, schubsteif mit beidseitigen Deckschalen aus bandverzinktem und kunststoffbeschichtetem Stahlblech verbunden.
Auf den West- und Ostseiten des Gebäudes wurden im Erdgeschoss Alu-Fensterelemente (Schüco AWS 70.HI) als Lichtband in Sandwich-Wandelemente integriert – mit den Anschlusselementen des Systemherstellers. Dabei lassen sich die Öffnungsflügel nach außen öffnen mit TripTronic Klapp. Dank einem thermisch verbesserten Randverbund erreicht der U-Wert der Gesamtkonstruktion mindestens Uw= 1,7 W/m²K.
Ökologische Gesichtspunkte
Im Zusammenwirken der Temperaturanforderungen aus der überwiegenden Sommer-Nutzung mit Grundrisszonierung, gezielten Dämmmaßnahmen, Fußbodenheizung und Betonkernaktivierung in der Arbeitshalle, mit Tageslichtnutzung über genordete Oberlichter und Fensterbänder entstanden bei noch nicht erneuerten, konventionellen Technikzentralen zwei Gebäude mit optimierter Energiebilanz. Messbar wird dies allerdings erst mit der Erneuerung der Heizzentrale als BHKW im nächsten Bauabschnitt. Regenwasser wird für eigene Nutzung auf dem Gelände aufgefangen und gespeichert.
Architekturbüro: plp Architekten/Generalplaner, Braunschweig, Hamburg, Oberhausen
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