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Anforderung:
Städtebaulicher Impuls für anspruchsvollen Gewerbestandort
Lösung:
Im modifizierten Läuferverband erzeugen senkrecht um 1/4 versetzte Klinkerriemchen ein bewegt-gerastertes Fassadenbild
Jahrzehntelang diente das Areal der Osnabrücker Winkelhausen-Kaserne als Stützpunkt der britischen Armee. Nach dem Abzug der Streitkräfte vor rund zehn Jahren wird das Areal sukzessive zum Dienstleistungspark „Netter Heide“ umgewandelt.
Jüngste Ansiedelung vor Ort ist das frei nach der ehemaligen Kaserne benannte „Winkelhaus“. Der durch den Gronauer Generalplaner und Investor Hoff und Partner entwickelte und auf Basis eines vorherigen Findungsverfahrens nach Plänen des niederländischen Büros MAS architectuur realisierte Klinkerbau überzeugt vor allem durch seine überaus selbstbewusste und dynamische Gebäudeform. Markanter Blickfang ist dabei die in unterschiedlichen Radien gerundete, nach oben in drei Stufen immer weiter auskragende Gebäudespitze in Richtung Süden, die einen gelungenen Kontrast zur Orthogonalität der vormals militärisch genutzten Bauten in der Nachbarschaft bietet.
Zusätzlich betont wird die ungewöhnliche Gebäudefigur durch die kiemenartig aufgefächerten, die Rundungen teilweise nachzeichnenden horizontalen Fensterbänder. Im Zusammenspiel entsteht so schnell die Assoziation an den stromlinienförmigen Körper eines Haifischs, der sich kraftvoll in Richtung Römereschstraße bewegt. Gemeinsam mit dem 2012 nur wenige hundert Meter weiter nach Plänen von 3deluxe fertiggestellten und seinerzeit international stark beachteten neuen Firmensitz des Gastro-Unternehmens Kaffee und Partner ist ein charakteristisches Gebäude-Ensemble gelungen, das architektonisch wie städtebaulich wichtige Impulse für den Gewerbestandort setzt.
Flexibel nutzbarer Innenraum
Ähnlich durchdacht präsentiert sich das Winkelhaus auch in seinem Innenraum. Auf fünf Ebenen mit einer Nutzfläche von insgesamt 2 500 m² steht eine moderne und flexibel nutzbare Bürolandschaft zur Verfügung, die neben Einzel-, Kombi- und Großraumbüros auch mehrere Besprechungsräume und Mitarbeiter-Begegnungszonen bietet. Im dritten Obergeschoss wurde zusätzlich eine vielfältig nutzbare, in weiten Teilen begrünte Dachterrasse geschaffen. Ein zentrales Element ist außerdem das luftige Atrium, das über einen gebäudehoch durchgehenden Luftraum und ein großes Oberlicht natürlich belichtet wird.
Ursprünglich war geplant, dass der Neubau ein großes Coworking Center beherbergen sollte. Nach dem Verkauf des Winkelhauses an die Volksbank Osnabrück und dem Beschluss der Bank, hier ihren Hauptsitz mit Firmenkundenbetreuung, Verwaltung und Sachbearbeitung anzusiedeln, wurde die Innenarchitektur jedoch noch einmal überarbeitet und an die veränderten Anforderungen angepasst: „Von Anfang an war es unser Ziel, eine moderne, über die gesamte Nutzungsdauer wirtschaftliche Immobilie zu entwickeln“, berichten die beiden Projektarchitekten Rob Beerkens und Gerwin Tornij vom Büro MAS architectuur, das mit seinem Gründungsjahr 1865 das älteste noch bestehende Architekturbüro in den Niederlanden ist. Das umgesetzte Raumkonzept ermöglicht entsprechend eine größtmögliche Flexibilität, nicht nur bei der Erstgestaltung, sondern auch für Anpassungen im Laufe der Nutzungszeit.
Warum Klinkerriemchen?
Gemeinsam mit Ingo Hoff von Hoff und Partner hatten die Planer vor einigen Jahren bereits das architektonisch überaus gelungene, mit einem hellen Naturstein ausgeführte „Hasehaus“ am Osnabrücker Neumarkt realisiert: „Beim Winkelhaus hatten wir uns demgegenüber schon frühzeitig für die Verwendung von Klinkern als Fassadenmaterial entschieden, um einen wartungsarmen und langlebigen Betrieb mit einer hochwertigen Architektur zu verbinden“, berichten die beiden Architekten Rob Beerkens und Gerwin Tornij. Als besondere Herausforderung erwies sich dabei die Ausbildung der Decken im Bereich der vorkragenden Geschosse, die wie die sonstige Fassade mit hellen Klinkern ausgebildet werden sollten: „Mit normalen Klinkern wäre das statisch schwierig geworden“, berichtet Gerwin Tornij. „In enger Absprache mit Architekt Stefan Bobermin von Hoff und Partner haben wir deshalb entschieden, die Außenhülle aus Stahlbeton mit einem 20 cm starken WDV-System sowie mit geklebten Klinkerriemchen auszubilden.“
Die im Dünnformat von 240 x 115 x 52 mm eingesetzten Keramikriemchen („Oslo perlweiß“ von Röben) betonen mit ihrer hellen Farbigkeit den Kontrast zwischen dem Gebäude und den umgebenden Bäumen sowie zur bestehenden Architektur am Standort. Zusätzlichen Charakter erhält das Mauerwerk durch eine hellgraue Verfugung sowie durch die Ausbildung in einem modifizierten Läuferverband, der mit seinen senkrecht um 1/4 versetzten Klinkerriemchen ein bewegt-gerastertes Fassadenbild erzeugt. Die spezielle Anreicherung des Tons mit einem speziellen Tonmehl sorgt gleichzeitig für eine leicht schimmernde Nuancierung, die den lebendigen Eindruck der Fassade hervorhebt.
Widerstandsfähig und wartungsarm mit Klinkerriemchen
Neben ihren ästhetischen Qualitäten überzeugten die gewählten „Oslo“-Riemchen auch durch ihre hohe Widerstandsfähigkeit. Denn die weiß brennenden Westerwald-Tone sintern bereits sehr früh, so dass sich das keramische Material schon bei Temperaturen von 1 000 °C vollkommen verdichtet. Die Wasseraufnahme liegt dadurch bei deutlich unter zwei Prozent. So nimmt der gebrannte Klinker so gut wie keine Feuchtigkeit mehr auf. „Das bedeutet, dass Schmutzpartikel, die sich oberflächlich auf dem Klinker absetzen, vom nächsten Regen einfach wieder abgewaschen werden“, erklärt Gerwin Tornij. Trotz der umgebenden Bäume und der angrenzenden Kreuzung wird der helle und freundliche Charakter des Gebäudes deshalb auch noch in Jahrzehnten erhalten sein.
Projekt: Bankgebäude Winkelhaus
Standort: An d. Netter Heide 1, 49090 Osnabrück
Planung: MAS architectuur, Hengelo (NL)
www.masarchitectuur.nl/de
Projektentwicklung: Hoff und Partner, Gronau (Westf.)
Nutzfläche: 2 500 m²
Fertigstellung: 9|2020
Architekten Rob Beerkens und Gerwin Tornij: „Beim Winkelhaus hatten wir uns schon frühzeitig für die Verwendung von Klinkern als Fassadenmaterial entschieden, um einen wartungsarmen und langlebigen Betrieb mit einer hochwertigen Architektur zu verbinden.“
Weiß brennende Westerwald-Tone sintern bereits sehr früh, so dass sich das keramische Material schon bei Temperaturen von 1 000 °C vollkommen verdichtet. Die Wasseraufnahme liegt dadurch bei 2 %. So nimmt der gebrannte Klinker so gut wie keine Feuchtigkeit mehr auf.
Robert Uhde
Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de