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Backstein für moderne Firmenarchitektur

Neubau eines Bürogebäudes im belgischen Kesselt-Lanaken
In eigener (Klinker)Sache

Firmen im Artikel
Beim Bau seines neuen Verwaltungsgebäudes hat der belgische Klinkerhersteller Nelissen ganz auf Backstein gesetzt. Der Entwurf der beiden Büros Architectengroep PSK und UAU Collectiv überzeugt durch seine kraftvolle, auch im Innenbereich fortgeführte Klinkerarchitektur und die intelligente Anordnung der verschiedenen Funktionen unter einem Dach.

Anforderung:

Repräsentatives Verwaltungsgebäude für Klinkerhersteller: Büros plus Ausstellungsbereich zur Produktdemonstration

Lösung:

Orangefarbene/dunkle Klinker im extrem schmalen N70-Format: für Fassaden, als Pflaster und innen für Wand und Boden


Robert Uhde

Seit ihrer Gründung 1921 haben sich die Nelissen Steenfabrieken mit Sitz in Kesselt-Lanaken bei Maastricht vom kleinen Familienbetrieb mit eigenem Steinbruch zu einem international agierenden Unternehmen entwickelt. Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und weiter auszubauen, hat der Hersteller nach Jahren des Wachstums zuletzt ein repräsentativ gestaltetes neues Verwaltungsgebäude am Eingang des bestehenden Firmengeländes eröffnet. Der Neubau integriert auf drei Ebenen mit einer Fläche von 2 140 m² neben flexibel nutzbaren Büros auch einen großen Ausstellungsbereich zur Demonstration der verschiedenen Backstein-Produkte.

Mit der Planung des Neubaus hatte Nelissen 2012 die Architectengroep PSK aus Sint-Truiden sowie das UAU Collectiv aus dem ebenfalls nahe gelegenen Hasselt beauftragt, die beide schon häufiger mit Klinkern des Unternehmens gearbeitet hatten. Um die verschiedenen Funktionen unter einem Dach zusammenzubringen, entwickelten die Planer einen kraftvoll gestalteten, auf den ersten Blick vergleichsweise geschlossenen Klinkerbau mit parallelogrammförmigem Grundriss und mit zentralem Lichthof. Die drei unterschiedlich große Ebenen wurden als flache, teilweise U-förmig geschnittenen Scheiben unregelmäßig übereinander geschichtet.

Das Material Backstein ist dabei nicht nur für die Fassaden und als Pflastermaterial auf dem Vorplatz, sondern auch als Werkstoff für Wand und Boden im Innenbereich zum Einsatz gekommen. Im komplexen Zusammenspiel der verschiedenen Elemente ist ein vielschichtiger Neubau mit überraschenden Räumen und mit fließendem Übergang von offenen und geschlossenen Bereichen entstanden.

Mit Tiefe und Textur

Überraschende Perspektiven

Um einen einladenden Empfang zu schaffen, haben die Architekten das Sockelgeschoss durch eine große Glasfront in Richtung der östlich verlaufenden Straße Kiezelweg geöffnet und damit einen luftigen Eingangsbereich mit darüber liegendem Lichthof erhalten. Direkt angrenzend stehen ein Service- und Beratungsbereich, ein großer Veranstaltungsraum sowie Büros zur Verfügung. Linkerhand wird das Atrium außerdem durch einen deutlich vorspringenden, dabei schräg angeschnittenen Gebäudeflügel eingefasst, der neben einem zurückliegenden Lieferanteneingang auch zwei kleinere Besprechungsräume integriert.

Das vielfach vorspringende, um den Lichthof herum organisierte 1. OG fungiert vor allem als luftige Präsentationsebene. Prägend nach außen sind dabei vor allem die beiden großen Panorama-Öffnungen: Das rechte der beiden Fenster bietet ausreichend Tageslicht in der nach Nordosten orientierten Bemusterung, die linke Öffnung wurde als innovative Glasfront mit unregelmäßig aufgeklebten Klinkerriemchen umgesetzt.

Spiel mit Ebenen und Details

Die ungewöhnliche Materialcollage aus Backstein ermöglicht eine werbewirksame Inszenierung der vor Ort gefertigten Klinker und sorgt je nach Witterung außerdem für bewegte Lichtspiele im Innenraum. Vertieft wird das Beratungs- und Workshop-Angebot durch einen Werkstattbereich sowie durch verschiedene Touchscreens, die das Produkt auch digital erlebbar machen: „Auf einem großen Bildschirm erhalten die Besucher dabei die Gelegenheit, ausgewählte Steine in ein Architekturmodell zu implementieren“, erklärt Architekt Massimo Pignanelli vom Büro UAU Collectiv. Komplettiert wird das Raumangebot im 1. OG durch eine offene Bar, die mit ihrer organischen Formgebung und der Wahl von hellem Multiplexholz einen angenehmen Rahmen für weitere Kundengespräche bietet.

Die obere, in Teilen ebenfalls deutlich vorspringende und somit auch als Überdachung für den Vorplatz fungierende Verwaltungsebene haben die Planer erneut U-förmig organisiert, abweichend zum EG aber in Richtung Firmengelände nach Westen geöffnet. Um ein offenes und flexibel nutzbares Arbeitsumfeld für die insgesamt 40 Angestellten zu schaffen, stehen Büros unterschiedlicher Größe, Einzelbüros, zwei unterschiedlich große Besprechungsbüros mit projektspezifisch entworfenen Tischen sowie zwei Mitarbeiterräume als Pausenraum und zur Umkleide nach sportlichen Aktivitäten zur Verfügung.

„Für ausreichend Tageslichteinfall von oben sorgt dabei die große, zur Straße hin ansteigende Lichtdecke oberhalb des Atriums“, erklärt Architekt Guido Ieven vom Büro Architectengroep PSK. Zusätzlich finden sich zwei große Fenster, mehrere schmale vertikale Fensterfugen sowie ein großer Lochblend-Fassadenabschnitt oberhalb des Eingangsbereiches nach Westen. Im Verbund mit den Bürowänden aus Milchglas ist ein überraschend helles und luftiges Raumkontinuum entstanden, das je nach Anforderung konzentrierte Einzelarbeit oder flexibel große Besprechungen ermöglicht.

Mit Tiefenwirkung

Detaillösungen in Backstein

Besondere Sorgfalt bei der Ausführung des Neubaus erforderte die Umsetzung der verschiedenen Klinkerflächen. Für die Außenfassade kam eine Sortierung aus orangefarbenen und dunklen Steinen im extrem schmalen N70-Format von 240 x 70 x 40 mm zum Einsatz, die auf der Baustelle im Wilden Verband gemauert wurden: „Eine besondere Herausforderung bildeten dabei neben dem Lochblend-Fassadenabschnitt und der ‚Hybridfläche‘ aus Klinker und Glas auch die verschiedenen Untersichten im Bereich der Fassadenvorsprünge“, so Guido Ieven. „Um hier eine statisch hochwertige Lösung zu erzielen, wurden die betreffenden Bereiche sämtlich mit geklebten Riemchen ausgebildet.“

Ähnlich aufwändige Lösungen wählten die Planer auch im Innenbereich. Um auch in den Präsentationsräumen das Material Klinker erlebbar zu machen, wurde zum Beispiel eine Wand im EG als kunstvoll-expressiv gestaltete „Museumsfläche“ mit schräg vorstehenden, dabei regelmäßig in einem dreidimensionalen Läuferverband ausgeführt. Parallel dazu wurden weitere Wandflächen, Untersichten, aber auch die Böden rings um den Innenhof in einem markanten, teilweise vertikal umgesetzten Stapelverband umgesetzt. Im Verbund mit Holz- und Linoleumböden ist ein angenehm-kontrastreiches Ambiente entstanden, das den hohen Anspruch des Bauherrn aufzeigt.

Großen Wert legten die Planer zudem auf nachhaltige Gebäudetechnik. Wichtigster Baustein dazu ist neben guter Wärmedämmung und Wärmpumpe zur Beheizung die 1 475 m2 große Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes sowie auf weiteren Flachdachflächen des Firmenareals: „Im Zusammenspiel der verschiedenen Maßnahmen ist so dafür gesorgt, dass sich der Neubau weitgehend energieneutral betreiben lässt“, so Guido Ieven.


Projekt: Bürogebäude Nelissen Steenfabrieken, Kesselt-Lanaken (Belgien)

Standort: Kiezelweg 458/460, 3620 Lanaken, Belgien

Bauherr: Nelissen Steenfabrieken, Kesselt-Lanaken (Belgien)

Planung: Architectengroep PSK (Sint-Truiden), UAU Collectiv (Hasselt)
www.architectengroeppsk.be
www.uaucollectiv.com

Planungsteams: UAU collectiv – Massimo Pignanelli, Tom Latet & Anne Geerits; Architectengroep PSK – Guido Ieven, Ward Crabbeì & Marc Verheylewegen; IKP Engineering – Wout Reynaert

Grundfläche: 2143 m²

Fertigstellung: April 2019


Architekt Massimo Pignanelli: „Optisch wirkt es, als seien dabei Bündel aus jeweils drei übereinander gestapelten Steinen eingesetzt worden. Tatsächlich handelt es sich aber um einen speziell entwickelten, durch den Produktdesigner Roel Vandebeek gestalteten Stein mit Schattenfugen, der lediglich die Illusion von drei aufeinander gestapelten Steinen erzeugt.“


Besondere Herausforderung waren verschiedene Untersichten im Bereich der Fassadenvorsprünge. Für eine statisch hochwertige Lösung wurden die betreffenden Bereiche mit geklebten Riemchen ausgebildet.


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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