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Historische Ansicht erhalten

Rekonstruktion des Eisenbahn-Viadukts in Jezernice
Historische Ansicht erhalten

Im slowakischen Jezernice entstand im 19. Jahrhundert durch den Bau der Nordeisenbahnstrecke von Wien nach Krakow ein beachtenswertes Bauwerk: das Jezernice-Viadukt.

Auf einer Länge von insgesamt 420 m überspannen hier 42 steinerne Bögen das breite Tal des Baches Jezernice. Nach über 200 Jahren stand nun im Zuge einer generellen Strecken-Modernisierung auch eine grundlegende Sanierung der Brückenkonstruktion an. Dabei wurden sowohl altersbedingte Schäden beseitigt als auch die Tragfähigkeit der Konstruktion verbessert. Eine Aufgabe, die viele individuelle Lösungen verlangte, beispielsweise die neue Klinker-Verblendung der Mauerwerksbögen.
Unvorhergesehener Konstruktionszustand
Trotz der umfangreichen Studien im Vorfeld stellte sich der tatsächliche Zustand des Bauwerks erst nach Beginn der Arbeiten heraus.
So entsprach aufgrund der langen Entstehungsgeschichte die so genannte Frontalmauer auf der Seite zum Ziegel-Viadukt nicht der Archivdokumentation. Nur wenige der vorhandenen Wandbereiche waren stabilisiert, der größte Teil dieser Wandkonstruktion musste völlig neu aufgebaut werden.
Weniger umfangreich konnte die Instandsetzung des dreißig Jahre jüngeren und statisch bereits nach moderneren Anforderungen geplanten Stein-Viadukts erfolgen. Hier wurden die Natursteinquader an den Gewölben abgetragen, die Gewölbe mit Edelstahlankern verspannt und die Quader wieder angebracht.
Die Sanierung des Ziegel-Viadukts musste von Grund auf erfolgen. Den Voruntersuchungen zufolge zeigte das Bauwerk Schäden wie Risse in den Pfeilern und Gewölben, nicht mehr vorhandene Gewölbekränze sowie ausgemergelte Fugen.
Nach der Demontage des Gleisbettes stellte sich auch die Tragfähigkeit der Gewölbe als unzureichend heraus. Dies stellte die Stabilität der Gesamtkonstruktion in Frage, insbesondere für die geplante Streckenbelastung durch Hochgeschwindigkeitszüge.
Abriss und Neuaufbau
Es gab schließlich aus statischer Sicht nur eine Lösung: Die Gewölbe bis auf die Pfeiler abbrechen und neu aufbauen. Das Problem bestand darin, für die neuen Gewölbe eine leichte Konstruktion zu finden und gleichzeitig die historische Ansicht des Viadukts zu erhalten.
Nach vielen Diskussionen fand man ein praktikables Konzept. Dieses sah – als einen letztlich auch von der Denkmalpflege getragenen Kompromiss – vor, für die Gewölbe Stahlbeton mit einer weitgehend authentischen Ziegelverblendung einzusetzen.
Die vorhandenen Ziegel konnten nicht wieder verwendet werden, da ihre Qualität nicht den heutigen Bestimmungen entsprach.
Klinker: Sattes Rot gewünscht
Strenge Materialanforderungen bestimmten die Auswahl neuer Ziegel. So musste beispielsweise die Frostbeständigkeit bis minus 50 °C sicher gestellt sein und das Wasseraufnahmevermögen bei unter 6 Prozent liegen. Nur hart gebrannte Klinker verfügen über solche Werte, werden allerdings nicht in der Slowakei produziert.
Unter den ausländischen Bewerbern erhielt das Werk Baalberge der Wienerberger Ziegelindustrie GmbH den Zuschlag. Ihre Verblendklinker erfüllten nicht nur die entsprechenden Materialkennwerte nach deutschen Normen, sondern konnten außerdem die slowakische Produktzulassung vorweisen.
Daneben hatte auch der Farbton maßgeblichen Anteil an der Entscheidung. Wegen der originalgetreu wiederherzustellenden Optik war ein sattes Rot gewünscht. Die Klinker „Baalberge, rot nuanciert“, KMz 48–2,2 NF erfüllten alle Anforderungen.
Zahlreiche Details zu berücksichtigen
Beim Realisieren der Baumaßnahmen gab es zahlreiche Details zu berücksichtigen.
Die neuen Gewölbe bestehen aus 40 cm dickem Stahlbeton, in dessen äußere Schicht die Klinker-Vollziegel eingelegt sind. Das Innere der Gewölbe wurde mit Leichtbeton ausgefüllt.
Zuvor wurden alle Brückenpfeiler von etwa einem Meter unterhalb der Gewölbeauflager bis in den Baugrund hinein mit Bohrlochinjektagen verfestigt und das Pfeilermauerwerk in jeder zweiten Fuge durch Edelstahl-Spiralstreben stabilisiert.
Für den Bau der neuen Gewölbe hatte man ursprünglich an eine vorgefertigte Konstruktion gedacht. Die einzelnen Bögen weisen jedoch unterschiedliche Durchmesser von 5,7 und 7,6 m auf, die zwar abschnittsweise wiederkehren, aber innerhalb dieser Systematik traten noch Maßabweichungen von bis zu 20 cm auf.
Deshalb griff man wie vor 200 Jahren auf eine passgenau angefertigte Holzschalung zurück, die für jeweils zwölf Gewölbe hergestellt und dann insgesamt sechs Mal umgesetzt wurde.
Knifflig: Einlegen und Befestigen der Klinker
Die Verankerung des Klinkergewölbes in das Betongewölbe erfolgte mit Stahlnetzen, die in die Fugen der Klinker eingelegt wurden – eine einfache Vormauerung hätte den Erschütterungen des Bahnbetriebes nicht dauerhaft standgehalten. Mit der gewählten Lösung ließ sich dagegen eine sichere Verankerung zwischen Klinkern und Beton bewerkstelligen.
Das Einlegen der Klinker in die Holzschalung erforderte einen hohen manuellen Aufwand. Jeder der 240 mm x 115 mm x 71 mm großen Klinker wurde einzeln hochkant im Läuferverband an Ort und Stelle platziert, und in jede zweite der 15 mm breiten Fugen kam das Stahlnetz hinein.
Um die einheitliche Fugenbreite zu gewährleisten, wurden eigens angefertigte Abstandshalter in Form konisch zugeschnittener Holzstücke eingelegt. Jedes dieser zahllosen Hölzer musste unten genau 25 mm und oben 32 mm breit sein, um den Radius des Gewölbes herauszuarbeiten.
Weitere Arbeiten
Im nächsten Bauabschnitt erfolgte das Betonieren des 40 cm starken Gewölberings. Anschließend wurde das Innere mit einem sehr leichten Spezialbeton ausgefüllt, dessen Gewicht nicht mehr als 1000 kg/m³ betragen durfte.
Durch diese Gewichtsbegrenzung wird die Dauerbelastung reduziert, so dass auch schwere Züge das Viadukt mit höheren Geschwindigkeiten passieren können. Auch bei den Betonarbeiten überwog der Anteil an Handarbeit. Nur für etwa 300 m³ des verarbeiteten Betons ließ sich eine Betonpumpe einsetzen. Die anderen rund 7 300 m³ Beton wurden in Körben noch oben transportiert, so dass man pro Tag nur ein bis zwei Gewölbe erstellen konnte. Nachdem bei diesem Bauvorhaben eine Reihe von Maßnahmen nur mit einem hohen manuellen Aufwand erledigt werden konnten, ließen sich Gesimse und Geländerpfeiler vorfertigen. Sie wurden aus Beton hergestellt und anschließend mit den gleichen Klinkern wie für die Gewölbe verblendet.Die Rekonstruktion des Eisenbahn-Viadukts dauerte von den ersten vorbereitenden Maßnahmen bis zur kompletten Fertigstellung sieben Jahre.
Weitere Informationen
Klinker Baalberge, rot nuanciert bba 505
Architekt: Sudop Praha a.s. / Ing. Karel Sterba, Prag
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