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Kompromisslos kubisch

Wohnhaus in Dortmund
Kompromisslos kubisch

Kai Stege, stegepartner / red

Ein Haus im Dortmunder Leierweg – das wäre bis vor ein paar Jahren für viele undenkbar gewesen. Die Straße begleitete über Jahrzehnte Halden, Lager- und Gleisflächen des Zechengeländes Tremonia mit all seinem Kohlenstaub und Schmutz. Bei den Dortmundern war der Leierweg schon lange vor dem 2. Weltkrieg immer eine der schmuddeligsten Adressen der Stadt.
Doch dies alles ist verschwunden und da, wo ehemals Kohlenloren standen und Kohle lagerte, ist seit ein paar Jahren eine grüne Parkfläche entstanden mit einer Weite, die an die eines englischen Landschaftsparks erinnert.So ist der Leierweg heute eine Straße mit einseitiger Bebauung direkt am Park, wie es stadtplanerisch aufgrund der Unwirtschaftlichkeit nie mehr realisiert werden würde.
Grundstückssituation
Glücklich sind die, die ein Grundstück für wenig Geld hier gekauft haben, denn die Bewohner des Leierwegs genießen auch zu ihrer „Rückseite“ unverbaubaren Fernblick. Hier endet die Dortmunder Innenstadt abrupt und große, durchgrünte Flächen der DB beginnen.
Die Bahngleise nimmt man jedoch kaum wahr, da diese 5 – 8 m tiefer in einer Senke liegen und man quasi darüber hinweg schaut bis zum Horizont nach Dorstfeld, wo sich der „Hannibal“, eine der größten Wohnmaschinen der Republik zeigt.
Einziger Wermutstropfen: Alle halbe Stunde fährt der „Märkische Express“ nach Lüdenscheid an den Gärten des Leierwegs vorbei. Dafür hat man ein preiswertes Parkgrundstück mehr oder weniger direkt in der City.
Das rote Haus für eine Wohngemeinschaft aus zwei Erwachsenen und vier Kindern jedenfalls nutzt die Chancen und Qualitäten seines Grundstücks und spiegelt den Genius loci, seinen Geist des Ortes wieder.
Lochkamera-Konzept
Konzeptuell steht eine „camera obscura“, also eine Lochkamera hier stellvertretend für diesen Archetypus – nur dass das Loch in diesem Fall eben nicht nur ein Loch, sondern eine gesamte Fassade zum „Licht“ nach Südwesten ist. Gerahmt von einem fast 10 m hohen, 8 m breiten und 3 m tiefen, konisch zulaufenden Sichtbetonrahmen, der sowohl die Idee unterstreicht als auch Schutz vor ungewollten Einblicken, Regen und bedingt auch vor der steil stehenden Sommersonne ist.
Diese Seite, Rahmen und elementierte Glasfassade, ist quasi das „Objektiv“ des Hauses. Hier fällt fast alles Licht ein, hier sind bei schönem Wetter jeden Abend die Sonnenuntergänge in der Ferne, hier hat man den weiten Blick.
Wechselspiel
Diese Fassade als Matrix aus dreißig 2,65 m bzw. 3,50 m hohen Kiefernfenstern abwechselnd unterschiedlich verglast, die alle nach außen zu öffnen sind, tritt in einen Dialog mit der Landschaft und der Weite.
Von innen stellt sich dieses Wechselspiel aus unterschiedlichen Gläsern, in dessen transluzenten Flächen zeitweilig die Spektralfarben des Sonnenlichts reflektiert werden, fast kaleidoskopisch dar.
Der Wechsel aus transparenten und transluzenten Flächen gibt den Bewohnern eine gewisse Intimität, schon fast ein schützendes Gefühl, trotz vollflächiger Verglasung. Er schenkt den Räumen deutlich Höhe, da die Vertikalstruktur sehr viel klarer in Erscheinung tritt.
Diese Fassade zum Licht ist die offene Seite des sonst strengen und dreiseitig verschlossenen Monolithen aus 36,5er Ziegelmauerwerk, tief eisenoxidrot, glatt gefilzt, mineralisch verputzt.
Vorlage für den Putz waren original sienesische Farbpigmente, auf dessen Grundlage der durchgefärbte Oberputz in vielen Bemusterungen hergestellt wurde, bis der Farbton gefunden war und der Putz genügend Sättigung hatte. Das Haus ist also weder gestrichen noch lasiert.
Plastizität
Geschlossene Fassaden zum Bauwich des Nachbarn, dagegen definieren zur Straße und nach Norden die rigiden und kubischen Seiten mit extrem schlanken Fensterschlitzen – liegend, stehend oder asymmetrisch winklig. Unterstrichen wird das Motiv des kompromisslos Kubischen durch innen bündige Fenster, die somit fast 40 cm tiefe Laibungen erzeugen. Die Fenster selbst treten gänzlich in den Hintergrund, verstärkt durch das Konstruktionsdetail, dass sämtliche Blendrahmen von außen komplett unsichtbar sind.
Was somit plastisch und konkret wird, sind die eigentlichen Öffnungen, die Schlitze des Monolithen, die nochmals einseitig durch 9 cm starke Sichtbetonlinien nachgezeichnet werden. Funktional sind dies die Fensterbänke aus Betonfertigteilen.
Der Eingang des Hauses stellt sich ebenso streng wie mächtig dar: Eine tief zurückliegende schlichte Holztür von fast 4 m Höhe, darüber 5 m rahmenloses Glas, außen und innen bündig eingeputzt, in einem fast haushohem Schlitz von gerade 1 m Breite, zeigt dem Ankommenden unmissverständlich, dass das Haus von hier erschlossen wird.
Innen ist viel Raum, neben 160 m2 Wohnfläche plus 50 m2 Dachterrasse, auch viel Luftraum und Raumerlebnis, alles aus glattem Gipsputz und weiß gestrichen.
Durchblick und Aufblicke, teils dreigeschossig, geben dem Inneren des Hauses Plastizität und dem Bewohner skulpturale Eindrücke.
Dachebene
Die Dachterrasse als vierte Ebene, erschlossen durch einen Glaskasten, ist mit einem zu beiden Hausseiten, 8 m spannendem und 5 m tiefem Sichtbetonrahmen überdacht.
Den Bewohnern wird das Gefühl eines südländischen Feriendomizils vermittelt – unterstrichen durch eine blaue, 15-jährige und 5 m hohe Pinie, die per Kran in eigenem Betontrog auf das Dach verpflanzt wurde und bei Sonne verführerische Licht- und Schattenspiele erzeugt.
Monolithisch
Teil des architektonischem Konzepts ist auch die zum Nachbarn 35 m lange und 2,50 m hohe Gartenmauer, ebenso eisenoxidrot verputzt wie das Haus. Sie schafft einen ungestörten Gartenhof, lässt das Haus noch größer erscheinen und gibt dem Ganzen den Charakter eines Ensembles.
Folgerichtig der plastisch-monolithischen Sprache des Gebäudes ist eine Konstruktion aus einfachem, hochdämmendem Unipor-Mauerwerk gewählt worden. Der k-Wert beträgt 0,30, so dass auf ein Wärmedämm-Verbundsystem glücklicherweise gänzlich verzichtet werden konnte. Der Ziegelstein ist außen wie innen ausschließlich verputzt. Das Haus erfüllt den Standard eines Niedrig-Energie-Hauses.
Weitere Informationen
Ziegelmauerwerk bba 503
Architekt: stegepartner Partnerschaftsgesellschaft, Dortmund Kai Stege, Dipl.-Ing. Architekt BOA SRL
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