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Ohne Heizung und Klimaanlage dank zweischaligem Ziegelmauerwerk

Neubau eines Bürogebäudes in München-Gräfelfing
Ganzjährig behaglich ohne Heizung und Klimaanlage

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In München-Gräfelfing hat das Architekturbüro Schwarz aus Nürnberg ein fünfgeschossiges Bürogebäude realisiert, das ohne Heizung und Klimaanlage auskommt und trotzdem ein ganzjährig behagliches Raumklima bietet. Vor allem die 65 cm dicken Außenwände aus zweischaligem Ziegelmauerwerk sorgen für konstant angenehme Raumtemperaturen von 22 bis 26 Grad Celsius  – ganz ohne Einsatz kostenintensiver Haustechnik.

Anforderung:

Konstant angenehme Raumtemperaturen für ein fünfgeschossiges Bürogebäude ohne Heizung und Klimaanlage

Lösung:

Zweischaliges Ziegelmauerwerk mit wärmedämmenden und -speichernden Eigenschaften in Kombination mit einem natürlichen Lüftungskonzept


Dipl.-Ing. Hans-Gerd Heye | vs

Der Bauherr, die Heinrich Nabholz KG, wünschte sich am Standort seiner Hauptverwaltung einen besonders nachhaltigen Büroneubau. „Die Idee, ganz auf die Heiz- und Klimatechnik zu verzichten, ergab sich nach und nach im engen Austausch mit dem Auftraggeber – aus ökologischen und ökonomischen Gründen“, erklärt Architekt Bernd-Simon Schwarz. „Neben den hohen Anschaffungs- und Installationskosten hat auch der Wegfall der erheblichen Wartungskosten von Heiz- und Klimatechnik zu dieser Entscheidung beigetragen.“

Am »Bürohaus 2226« in Lustenau orientiert

Ein konstant angenehmes Raumklima lässt sich auch ohne teure Haustechnik erzielen. Allerdings erfordert dies vom Architekten eine andere Herangehensweise an die Gebäudeplanung. Vor allem wärmetechnisch optimierte Außenwände und Decken sowie eine lüftungstechnisch durchdachte Innenraumkonzeption spielen hierbei eine große Rolle.

Neu ist diese Erkenntnis nicht. Schon die antiken Baumeister nutzten die dämmenden und speichernden Eigenschaften von Bauteilen zur Regulierung der Raumtemperatur. Aufgrund der wachsenden ökologischen und klimatischen Herausforderungen werden entsprechend konsequent konzipierte Gebäude mit einem Minimum an Haustechnik zukünftig mehr und mehr gefragt sein.

Ein 2013 erbautes Bürogebäude von Baumschlager Eberle Architekten im Millennium-Park im österreichischen Lustenau zeigt beispielhaft, wie der Verzicht auf Heiz- und Klimatechnik u.a. durch ein zweischaliges Ziegelmauerwerk wirtschaftlich realisierbar ist. „Eine Besichtigung des Gebäudes mit dem kennzeichnenden Namen »Bürohaus 2226« nach der einzuhaltenden Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius weckte beim Bauherrn großes Interesse“, erzählt der Architekt. Für die Planung des Büroneubaus für die Nabholz KG arbeiteten die Planer eng mit Dr. Widerin zusammen, der das Konzept »2226« maßgeblich mitentwickelt hat. So konnten sie von seinen Erfahrungen profitieren.

Bürogebäude in Lustenau (A)

Ausgeklügeltes natürliches Lüftungskonzept

 „Bei der Raumkonzeption gingen wir jedoch andere Wege als das »Bürohaus 2226«,“ so Architekt Schwarz. „Rund 70 Prozent der Fläche wird künftig an Fremdnutzer vermietet. Daher wollten wir nicht nur Großraumbüros umsetzen, sondern auch abgeschlossene Büroeinheiten ermöglichen.“

Eine wichtige Voraussetzung für das Gebäudekonzept war die Schaffung eines großen, zusammenhängenden Raumes mit freier Luftzirkulation sowie steuerbaren, motorisierten Fensterklappen, die eine ausreichend hohe Frischluftzufuhr sicherstellen. An den mittig im Gebäude angeordneten Wandscheiben wurden zudem Überströmelemente aus Holz eingebaut, sodass trotz Abtrennung von Büroräumen eine dauerhafte Querlüftung bei gleichzeitiger Schallreduzierung möglich ist. So kann man leicht kleinere Büroeinheiten schaffen und dabei trotzdem die Luftzirkulation gewährleisten. Sollte der Bereich dann doch als Großraumbüro genutzt werden, dienen diese Elemente aus Holz als prägendes Gestaltungselement des Innenraums.

Zweischaliges Ziegelmauerwerk

Ein Hauptaugenmerk lag bei dem Projekt in München-Gräfelfing auf der Außenwandkonstruktion und ihrer Dimensionierung. Wie beim Bauwerk in Lustenau entschieden sich die Planer aufgrund der gleichermaßen guten wärmedämmenden wie -speichernden Eigenschaften für ein zweischaliges Ziegelmauerwerk. Um die Dicke der Gebäudehülle auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren, kamen dämmstoffgefüllte ‚Unipor Coriso‘-Ziegel zum Einsatz. 

Beim Lustenau-Gebäude beträgt die Dicke der Gebäudehülle noch 81,8 cm. Sie reduziert sich beim Münchener Projekt durch eine Außenschale aus 30 cm dicken ‚Unipor WS08 Coriso‘-Ziegeln und eine ebenfalls 30 cm dicke Innenschale aus ‚Unipor WS10 Coriso‘-Ziegeln – zuzüglich trennender Mörtelfuge (1,5 cm), Kalkzementputz auf der Außen- und Kalkputz auf der Innenwand (2,0 bzw. 1,5 cm) – auf insgesamt 65 cm. Neben dem geringen Wärmedurchgangskoeffizienten von 0,143 W/(m²K) spielte auch die hohe Druckfestigkeit des Coriso-Ziegels eine wichtige Rolle. Die lastabtragende WS10-Innenschale gewährleistet mit einer Druckfestigkeit von 5 MN/m² (Festigkeitsklasse 12) auch bei fünf Geschossen eine sichere Tragfähigkeit der Außenwand.

Zum ökologischen Anspruch des Projektes passte auch die Auswahl des Wandbaustoff-Lieferanten. Hier entschieden sich Planer und Bauherr für die niederbayerischen Ziegelwerke Leipfinger-Bader, deren mineralisch gefüllte Coriso-Mauerziegel am Standort in Mainburg-Puttenhausen (Landkreis Kelheim) hergestellt werden. Diese regionale Nähe war beim Büroprojekt in München-Gräfelfing ein weiterer Pluspunkt in puncto Nachhaltigkeit, da die Baustoffe nicht aufwendig über Ländergrenzen hinweg transportiert werden müssen, wie das beispielsweise bei Holz häufig der Fall ist. 

Bezahlbar und nachhaltig

Speicherfähigkeit nutzen, Wärmebrücken minimieren

Die Projektverantwortlichen gaben beim Energieverbrauch den Effizienzhausstandard 55 für Nichtwohngebäude vor. Statt energiezehrender Heiztechnik werden zur Erwärmung der Büroräume ausschließlich natürliche Quellen wie Körperwärme oder technische Gegenstände wie Lampen und PCs genutzt. Ihre Abwärme wird in den massiven Ziegelwänden zwischengespeichert und zeitverzögert an den Innenraum abgegeben. Ähnliches gilt aufgrund ihrer hohen Speicherkapazität für die 24 Zentimeter dicken Stahlbeton-Fertigteildecken mit ihrer Sichtbetonunterseite. Sie wirken in den Sommermonaten wie ein Kältespeicher und tragen so ebenfalls zur angenehmen Raumtemperatur bei.

Der besondere Einfluss der Gebäudehülle auf das Raumklima erforderte zudem die Minimierung von Wärmebrücken. Deshalb wurden in allen relevanten Anschlussbereichen an die Außenwand – beispielsweise zwischen Fensteröffnungen und Mauerwerk sowie der Dachhautanbindung – sehr effiziente Dämmlösungen verwirklicht. Ihre Wirksamkeit ließ sich durch detaillierte und realitätsnahe Wärmebrückensimulationen rechnerisch überprüfen. Der Aufwand hat sich gelohnt: Unter Berücksichtigung aller zu erwartenden Wärmelasten konnte nachgewiesen werden, dass wie gewünscht eine ganzjährige Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius erreicht wird.

Zukunftsweisendes Gebäudemodell

Dank der reibungslosen Zusammenarbeit aller Baubeteiligten konnte das Bürohaus termingerecht bis Ende November 2021 als erstes Gebäude seiner Art in Deutschland abgeschlossen werden. Bereits im November zogen die ersten Gebäudenutzer ein. „Die Wintermonate sind sozusagen der erste Härtetest“, erklärt Schwarz. „Wir haben bei der Planung auch berücksichtigt, dass die individuellen Ansprüche an Behaglichkeit sehr unterschiedlich sind. So wurde für warme Sommermonate ein außenliegender Sonnenschutz aus Raffstores eingeplant, obwohl er als Hitzeschutz nach den durchgeführten Berechnungen nicht erforderlich ist.“

Der energiesparende Verzicht auf Heizung und Kühlung wird sinnvoll ergänzt durch die Nutzung regenerativer Energien. Dafür sind auf der Dachfläche Photovoltaik-Module mit einer Gesamtleistung von 60 Kilowatt Peak (kWp) vorgesehen. Sie sollen unter anderem 16 Schnell-E-Ladesäulen bedienen, die in den Parkdecks installiert wurden.

Schwarz hofft für die Zukunft, dass das Gräfelfinger Bürohaus zu einem Gesinnungswandel bei der Gebäudeplanung beiträgt: weg von der technischen Überfrachtung eines Bauwerks zurück zu möglichst wartungsfreien Gebäuden mit geringen Folgekosten.


  • Bauherr: Heinrich Nabholz KG, Gräfelfing
  • Planung: Schwarz Architekturbüro, Architekt M.A. (TUM) Bernd-Simon Schwarz, Altdorf
    www.schwarzarchitekturbuero.de
  • Generalunternehmer und Verarbeiter Rohbau: C+P Schlüsselfertiges Bauen GmbH & Co. KG, Angelburg
  • Grundstücksfläche: 1.500 m²
  • Nutzfläche: ca. 2.800 m²
  • Errechneter Jahresheizwärmebedarf: 46,8 kWh/m²a
  • Bauzeit: Januar 2020 bis Oktober 2021

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