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Präzisionsklima für Kunst

Neubau eines Museums in Essen
Präzisionsklima für Kunst

Lichte Säle und angenehme Luft empfangen die Besucher des Museums Folkwang in Essen. Temperaturen um 20 Grad und 50 % relative Luftfeuchtigkeit laden zum Verweilen ein und perfektionieren den Genuss moderner Kunst. Das exakte Klimatisieren dient aber vor allem dem Erhalt der wertvollen und unersetzlichen Gemälde, Fotos und Skulpturen.

Ralf Dunker, Journalist, München

Klaus Wolff, Geschäftsführer der Neubau Museum Folkwang Essen GmbH, eine Tochtergesellschaft der Wolff Gruppe, darf auf die Arbeit seines Teams stolz sein: Es setzte den Wunsch von Berthold Beitz, dem Vorsitzenden der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, erfolgreich um. Mit den von der Stiftung bereitgestellten 55 Millionen Euro ließ die Gesellschaft sechs Baukörper, vier Innenhöfe, Gärten und Wandelhallen erstellen, deren luftige Anordnung dem Ensemble Leichtigkeit verleiht.
Der britische Architekt David Chipperfield gab dem Neubau dabei einen Charakter, der den Stil des erhaltenen Altbaus aus den 1960er-Jahren in einer selbstständigen Architektur fortführt. Der geradlinige Baukörper, der den sanierungsbedürftigen Bau aus den 1980er-Jahren ersetzt, ist auffällig und strahlt Eleganz aus. Sein Inneres dominiert nicht über die Kunst; die hellgrauen Wände und graugrundigen Estrichböden nehmen sich optisch zurück. In den neuen, insgesamt fast 4 000 m² großen Ausstellungsflächen ist Tageslicht bestimmend, durchdringt die Oberlichter und großzügigen Fenster.
Konstantes Klima für Gemälde und Plastiken
In intensiven Abstimmungsprozessen zwischen dem Planungsbüro Giesen-Gillhoff-Loomanns GbR und den ausführenden Architekten von Plan Forward, ebenfalls eine Tochtergesellschaft der Wolff Gruppe, wurde ein überzeugendes Raumklima-Konzept geplant und gebaut.
Das Klima in den Ausstellungsräumen ist angenehm: Was den Besuchern zugute kommt, ist ein Zusatznutzen – eigentlich ist die gute Luft wegen der Exponate gewünscht. „Es ist wichtig, dass die Kunstwerke bestmöglich geschützt sind“, sagt Dr. Hartwig Fischer, Direktor des Museums Folkwang. Präzise werden in den Ausstellungsräumen und Depots Temperatur und Feuchte gemäß international gültigen Standards eingehalten (20 °C mittlere Raumtemperatur und 50 % relative Luftfeuchtigkeit).
Selbst an extrem heißen Sommertagen dürfen 24 °C nicht überschritten werden und spontane Schwankungen der Temperatur sind ohnehin tabu.
Für ein solch exaktes Raumklima sind Vollklimaanlagen inklusive Be- und Entfeuchtungsfunktion erforderlich. Die entsprechenden Zentrallüftungsgeräte Gea Cair der Gea Happel Klimatechnik GmbH filtern und temperieren die Luft daher nicht nur, sondern trocknen sie auch oder beziehen Dampf zum Befeuchten von einer separaten Zentrale.
Damit das Klimatisieren mit möglichst wenig Energie erfolgt, wurden die Geräte mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Außerdem können Frequenz-umformer die Ventilatordrehzahl abhängig von den Druckverhältnissen im Kanalnetz senken, und mittels CO2-Sensoren erkennt die Leittechnik, wie viel Frischluft die Geräte liefern müssen.
Simulationen der Lasten und Strömungsverhältnisse
Damit die präzise Klimatisierung den hohen Erwartungen entspricht, hat das Planungsbüro Giesen-Gillhoff-Loomanns GbR, Krefeld, sein Lüftungskonzept im Rechner simulieren lassen: Die dynamische Simulation der Heiz- und Kühllasten inklusive Strömungssimulationen für die Ausstellungsbereiche diente dem Optimieren der Gebäudehülle und Raumlufttechnik. Durchgeführt wurde sie vom Frechener Büro Ifes – Institut für angewandte Energie- und Strömungssimulation. „Dort wurden auch extreme Lastsituationen berechnet, beispielsweise die thermische Last, die 700 Personen, Sonneneinstrahlung und Beleuchtung in der 1 300 m2 großen Wechselausstellung mit sich bringen“, erklärt Planer Gillhoff. „Auch solchen Situationen muss die Klimatechnik gewachsen sein.“
Zudem ist Flexibilität gefordert. Wenn beispielsweise eine Besuchergruppe vor einem Gemälde verweilt, nachdem sie kurz zuvor durch ein Sommergewitter gelaufen ist, könnten Wärme- und Feuchtigkeitseintrag schnell zum Verletzen der Grenzwerte führen.
Dann muss die Lüftung schnell reagieren. Dazu sind die Ausstellungsräume in individuell regelbare Zonen aufgeteilt. Mit Hilfe von Volumenstromreglern lassen sich bis zu neun Bereiche je Saal gezielt klimatisieren.
Nach der Umsetzung stellte die ausführende Gyro Bautechnik GmbH, Essen, die Technik auf die Probe. Elektrolufterhitzer und Befeuchter simulierten die Maximallast. Der Test lieferte den Beweis, dass die Technik, geplant für Extreme wie den bis zu 38 °C heißen Jahrhundertsommer 2003, funktioniert.
Individuelle Schlitzauslässe
Die Luft in den Ausstellungsräumen dringt, nachdem sie konditioniert wurde, über Schlitzauslässe an der Decke ein. Diese befinden sich unauffällig in etwa 6 m Höhe. Abgesaugt wird die Raumluft über bodennahe Spalten und aufgedoppelte Wände. Für die Ausstellungsräume wurden die Luftauslässe exklusiv geplant und erstellt. „Zunächst hat die SLT Schanze Lufttechnik in Lingen Prototypen erstellt und im Strömungslabor getestet, bevor sie produziert wurden“, erläutert Gillhoff.
Die Charakteristik des Auslasses ist wichtig für das Einhalten der Sollwerte: In Hängehöhe der Kunstwerke darf sich eine maximale Temperaturdifferenz von 2 K einstellen – unabhängig davon, wie viele Personen im Raum sind oder wie das Wetter gerade ist.
Im Sinne der exakten Regelung ist auch ein genaues Erfassen der Luftkonditionen erforderlich. Die erledigen Temperatur- und Feuchtesensoren. Im Bereich der Wechselausstellungen sind sie frei positionierbar und liefern ihre Werte per Funk an die Gebäudeleittechnik. Dort dienen die Werte nicht nur der Regelung, sondern werden auch im Fünf-Minuten-Takt in einer Statistik erfasst.
„So kann das Museum Leihgebern oder Versicherungen beweisen, bezüglich Klima- und Lüftungstechnik das beste für den Erhalt der Kunstwerke zu tun“, sagt Oliver Sohn von Gyro Bautechnik.
Architekturbüro: David Chipperfield Architects, Berlin Technische Planung: Giesen-Gillhoff-Loomanns GbR, Krefeld
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